„Die richtig guten Momente im Leben …“

Man sitzt gemütlich zusammen oder steht im Foyer und unterhält sich angeregt. Es ist warm, was vermutlich daran liegt, dass das Gebäude noch geheizt wird, obwohl es ausnahmsweise 11°C draußen sind. Aber noch stört das niemanden. Die Musiker, man erkennt sie kaum, laufen etwas nervös zwischen Bühne und Bar hin und her, suchen irgendwen oder irgendetwas und begrüßen die Freunde, die gekommen sind. Die Fans warten darauf, dass es losgeht, aber man muss sich in Geduld üben.pdg-cimg2996
Schließlich aber ertönen die ersten Klänge und eilig strömen alle durch die Türe in den kleinen Konzertraum. Die Bühne ist niedrig, der Saal klein – es ist bullig heiß, da ist es praktisch, wenn man an der Heizung steht, die auf Hochtouren läuft. Doch das ist egal, denn die Aufmerksamkeit ist nach vorne gerichtet. Das Publikum, das zuerst verschüchtert im hinteren Teil steht, taut mit jedem Takt mehr auf – und die Band weiß, was sie tun muss. 
Pferd des Gaertners nennen sie sich, eine vierköpfige Formation aus München, die soliden Postpunk präsentieren. Sie haben gute Laune mitgebracht und können diese auch schnell vermitteln. Während sie zu Beginn noch etwas träge auf der Bühne stehen, werden sie mit der Zeit agiler. Die Riffs sitzen recht gut, man kommt schnell rein in Rhythmus und Sound und kann sich treiben lassen. Schnelle und harte Klänge lösen sich mit langsameren Zwischenstücken ab und beweisen die Vielseitigkeit der Gruppe.
Bassist Elmar hat stets ein Lächeln auf den Lippen und wirkt total entspannt. Er zupft die Saiten seines Instruments und singt hin und wieder. Dabei fällt auf, dass man ihn besser versteht als den Sänger, was nicht am Können liegt, sondern an der Technik, die an diesem Abend suboptimal funktioniert und eingestellt ist. Immer wieder dreht er sich zu Drummer Mike, der wie jeder Schlagzeuger ein Schattendasein im Hintergrund führt. Die beiden kommunizieren scheinbar viel nonverbal, grinsen sich an, nicken sich zu oder geben sich Zeichen, wann wer zu spielen hat. Es sind diese kleinen Gesten, die zeigen, dass man hier eine Band vor sich hat, die stimmig ist. Pferd des Gaertners gehören zusammen und das tragen sie nach außen. Auch mit Gitarrist Volker wird etwas herumgeblödelt. Da stimmt einfach alles, die Jungs kennen sich, sie vertrauen sich und machen ihr Ding. Dadurch entsteht eine gute und lässige Atmosphäre, die bald auch das Publikum nähertreten lässt.
Gitarrist Volker geht gut ab. Er headbangt hin und wieder, bewegt sich recht viel und greift eifrig in die Saiten. Auch wenn er eher wie der schüchterne Kerl von nebenan wirkt, sorgt er für Stimmung.
Mike ist sehr in sein Spiel vertieft. Seine Mimik zeugt von Anstrengung und Konzentration, erst als er sich verspielt, abbricht und mit einem umwerfenden Lächeln eine Entschuldigung nuschelt, taut auch er auf. Etwa nach dem ersten Drittel des Auftritts geht es scheinbar richtig los. Ein brandneuer Song namens „Dragons“ wird gespielt, der Text sitzt noch nicht perfekt, dafür ist die Melodie umso mitreißender. Hier lebt die Formation richtig auf und zeigt, was sie kann. Die folgenden Stücke werden zu echten Hits, die durchaus ein Publikum ansprechen können. Die Anwesenden sind allerdings zurückhaltend. Es gibt nach den Liedern Applaus oder Jubel, aber währenddessen geschieht nichts. Man steht da, nuckelt am Bier und starrt gebannt nach vorne. Das Höchste an Bewegung ist ein ganz leichtes Wippen mit dem Kopf. Kein rhythmisches Mitklatschen, kein richtiges Headbangen. Eigentlich sehr schade, denn Pferd des Gaertners haben definitiv den Dreh raus, wie man Stimmung macht und ein Publikum begeistert.
Die Interaktion ist einfach stimmig und die vier Männer haben alle Sympathie im Raum auf ihrer Seite.
Etwa eine Stunde spielen sie, dann reicht es. Die Hitze im Saal macht allen zu schaffen, auch der Band, die zusätzlich von Scheinwerfern angestrahlt wird und ja auch körperliche Leistung erbringt. Das Schlusslied „Pandora“ wird in einer regelrechten Speedversion dargeboten, was mir gefällt und nur auffällt, weil ich darauf hingewiesen werde.
Peter und Co. strahlen müde und verschwitzt, holen sich ihren Applaus ab und gehen. Ein guter Auftritt, der kleine Fehler hatte, die aber verzeihlich sind. Einzig der Sound war teilweise mies und ich hätte gerne mehr vom Text bzw. dem Gesang mitbekommen. Das Pferd des Gaertners ist ein Geheimtipp, der eigentlich schon gar keiner mehr sein sollte.

Setlist:
Seeds of Light
Divine Horsemen
Schwester der Verspätung
Wiederkehr
Hard boiled wonderland
Dragons
Christian Soldier
Strom
Poking dead things with a stick
Gnosis
Eternal sunshine
Vorvorletzten Donnerstag
Pandora

Nach einer Umbaupause, die meist vor der Tür verbracht wird, schließlich sehnt man sich nach frischer Luft, kommen die Freiburger auf die Bühne. Ebenfalls ein Quartett, das aber auf den ersten Blick nicht stimmig ist. Der Bassist erscheint in seinem weißen Hemd und mit der gepflegten Frisur sehr brav, wohingegen der Sänger das ist, was man als coolen Freidenker bezeichnen würde. Mit Melone auf dem Kopf könnte der Drummer auch einem anderen Genre entsprungen sein, und der Gitarrist hat sich anscheinend verlaufen, wie seine Gestik mitteilt.
Brutto Tempo können ihrem Namen wirklich alle Ehre machen und in die Saiten hauen. Ihr Bassist weiß, was er tut und kann kräftig reinholzen, brüllt zwischendurch auch gerne mal seine Parts ins Mikro. Dabei wird seine Mimik aggressiv-brutal, was zu dem sonst eher scheu wirkenden jungen Mann so gar nicht passen will. Ist er Punker? Nein, definitiv nicht. Vielleicht ist ein kleiner Teil seines Herzen der anarchistischen Szene verhaftet, aber es scheint eher ein Wunschtraum zu sein, sich an Formationen wie die Sex Pistols anlehnen zu wollen. Als Bassist super, als Punker glatt durchgefallen. Man könnte ihn ohne weiteres der Rockabilly-Szene zuordnen, die dann der Punk-Szene nicht allzu fern steht, aber das Bild ist dennoch nicht ganz rund.bt-cimg3048
Wahnsinnig sympathisch erscheint der Drummer mit seinem liebevollen Lächeln und dem Zwinkern. Was er macht klingt gut und kommt locker rüber. Egal wie sehr er auch seine Becken und Felle bearbeitet, es sieht kaum angestrengt aus. Der nette junge Mann von nebenan, der mal eben so eingesprungen ist, weil …
Unermüdlich läuft der Sänger von links nach rechts und zurück. Mit seinem Kopftuch will er anscheinend seine Wildheit ausdrücken. Es steht ihm, keine Frage. Weniger toll ist der Umgang mit dem Mikro. Um vermeintlich cool auszusehen, umfasst er es sehr weit oben. So kann man den Gesang kaum verstehen, nur undeutliche Sprachfetzen kommen aus den Lautsprechern und man muss sich sehr konzentrieren, um die Botschaft der einzelnen Songs zu kapieren. Als es dann noch technische Ausfälle gibt, ist das sehr schade, aber nicht das Verschulden der Band.
Nervig und viel schlimmer ist, dass ein weiblicher Fan auf die Bühne kommt und kurz dem Sänger etwas ins Ohr flüstert. Es geht um den Sound, der alles andere als perfekt ist. Ob man dies allerdings derart kommunizieren muss, ist fraglich. Sichtlich irritiert fällt es dem Musiker vorerst schwer, sich ins nächste Stück einzufinden. Als dann noch ein Fan zum Bassisten tritt, vermisse ich Securities, die so etwas verhindern.
Ein bisschen abseits steht der Gitarrist, der definitiv am falschen Ort ist – und in der falschen Band. Kenner werden sich an diesem Abend über die Wahl seines Instruments wundern, eine Gibson, die eindeutig dem Rock-Genre zuzuordnen ist und nicht zu den Melodien einer Punkband passt. Aber auch ohne dieses Wissen merkt man rasch, dass er nicht dazugehört. Er rockt, er macht seine eigene Show, bangt, spielt mit dem Instrument herum und wäre in vielen anderen Bands eine deutlich bessere und passendere Besetzung als bei Brutto Tempo. Es fehlt definitiv nicht am Können, das beweist er schnell.
In der ersten Reihe steht sogar ein ganz junger Fan, vielleicht sieben Jahre alt. Später wird er als Felix vorgestellt, der teilweise mitsingt und trotz Müdigkeit Spaß am Auftritt hat. Die Aufmerksamkeit, die man dem Kind widmet, deutet auf die Bodenständigkeit der Band hin und dafür gibt es einen großen Pluspunkt.
Musikalisch gelten die Freiburger als Punk, aber den Dreh haben sie noch nicht ganz raus. Hier und da mal ein anprangernder Text, schnelle Klänge, ganz gute Riffs. Zwischendrin balladeske Nummern, die eine andere Seite der Formation zeigen und gut ankommen, auch wenn sie die Fahrt eines Punkkonzerts erheblich rausnehmen. Dafür machen sie unglaublich gute Ska-Nummern, die mitziehen und sogar Teile des Publikums zum Tanzen bewegen. Das können sie und genau deswegen sollten sie sich eher dieser Richtung verschreiben und mehr Ska durch die Mikros schallen lassen.
Immer wieder nehmen Brutto Tempo eben gerade letzteres raus, spielen ruhige Parts, melancholische Stücke, die ein bisschen wie aufatmen sind. Kritisch besingen sie das AKW „Fessenheim“ und zeigen hier, was Punk ist.
Der einstündige Auftritt ist okay. Er reißt nicht wirklich vom Hocker, aber er ist auch keine riesige Enttäuschung. Sollte man sich noch mal ansehen, aber nicht mit zu großen Erwartungen erscheinen.

Setlist:
Grip
All day out
Votate
Back 2 zero
Shortcuts
Doubt
Nothing works so fine
Resignation row
Anti conversation
Bizarre
Explode
Don’t move
Brutto tempo
Fessenheim
Politics
Pogo

Den Abend beendet die Münchner Punkformation Organized Noise. Eine Dreierfront schirmt den Drummer ab, ein Los, das zur Berufsgruppe gehört. Aber was sie tun, hat Hand und Fuß. Punk vom Feinsten, wie ich ihn schon lange nicht mehr gehört habe. Die Gitarren rauchen, es wird ordentlich geschrammelt und manche Parts mit hohem Tempo runtergerissen. Scheinbar gibt es kleine Wettbewerbe zwischen den Bandmitgliedern, wer denn nun am schnellsten über die vier bzw. sechs Saiten streichen kann. Einen endgültigen Gewinner gibt es nicht, denn sie stehen allesamt in nichts nach.
Es sind ruhige junge Männer, sympathisch, zurückhaltend. Anscheinend haben sie zu Instrumenten gegriffen, um einfach nur Musik zu machen, um etwas auszudrücken, das sie bewegt. Es sticht keiner besonders raus, weil sich keiner des Quartetts sonderlich in den Vordergrund drängt und sie spielerisch auf ziemlich gleichem Niveau stehen.
Das Publikum wird nur angesprochen, um eine kurze Irritationsphase aufgrund technischer Fehler zu überbrücken, ansonsten sagen sie nichts. Die Kommunikation innerhalb der Band stimmt, läuft hauptsächlich nonverbal und zeigt auch schon ein gewisses Maß an Professionalität.on-cimg3087
Eigentlich gehört das Quartett auf größere Bühnen mit mehr Publikum, denn sie können Stimmung machen und reißen das bis dahin eher starre Publikum mit. Man pogt, man tanzt, dreht sich, lacht. Das Bier tut sein Übriges und man kann erahnen, dass es für manche nicht das erste Konzert der Band ist. Stellenweise wird mitgesungen, aber nur kurzzeitig.
Der Sänger liest den einen oder anderen Text ab, das Songbook liegt vor ihm. Schlimm? Keineswegs. Man muss nicht perfekt sein und kann sich jederzeit absichern, um wirklich große Textpannen zu vermeiden.
Mal sind es ernste Worte, wie „die richtig guten Momente im Leben werden immer weniger“, mal ist es anmahnend oder flapsig.
Während der Bass manchmal etwas zu dominant ist und schließlich auch noch ganz fies dröhnt, versteht man immerhin den Sänger und seine Texte. Diese sind brutal, scharf, bissig und das, was Punk ausmacht: unbequem.
Stellenweise erinnern Organized Noise an die alten Zeiten, als Wizo und But Alive noch die Bühnen unsicher machten. Auch der Song über Gaffer, die Blut sehen wollen und sich an schrecklichen Szenen ergötzen, reißt mit und regt zum Nachdenken an. Das können sie. Egal, ob es die harten und schnellen Nummern sind oder Balladen und melancholische Songs – es passt alles und nimmt mit.
Die Stunde mit dieser Formation vergeht schnell und es ist schade, dass es schon vorbei ist. Organized Noise gehören auf größere Bühnen – und werden dort hoffentlich bald anzutreffen sein.

Setlist:
Knospe
Bombe
Immer weniger
Gut geht
Flucht
Ich male dich
Tanz im Kopf
Gegen die Zeit
Ich hass dich anders
Derwisch
Gift
Hals
Sonne
Gaffer
Leere
Trotzdem
Hallo wach
Vorwärts

Der Abend war trotz technischer Pannen gelungen. Die Bands waren unterschiedlich, aber ohne krasse Diskrepanz zueinander. Auf jeden Fall drei Geheimtipps, die mehr Aufmerksamkeit verdienen und für jeden etwas dabei: Die Ruhigen, die Schnellen und Harten, Ska-Anhänger und Post-Punk-Verehrer. Gerne wieder.

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Bilder by LJ

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6 Kommentare
  1. elmar
    elmar sagte:

    Danke für das tolle Review! Wir hatten reichlich Spass und es ist schön zu lesen, dass das offensichtlich auch so rübergekommen ist :)

    elmar / pdg

  2. cmburns@web.de
    cmburns@web.de sagte:

    Ich lach mich tot: „Kenner werden sich an diesem Abend über die Wahl seines Instruments wundern, eine Gibson, die eindeutig dem Rock-Genre zuzuordnen ist und nicht zu den Melodien einer Punkband passt.“
    Selten so eine oberflächliche Scheisse gelesen. Geh zurück zu deiner Schülerzeitung

  3. Fannydad
    Fannydad sagte:

    @cmburns
    Du hast wohl die Weisheit mit den Löffeln gefressen oder? Selten einen solchen Bockmist wie in deinem Kommentar gelesen … von normalen Höflichkeitsformen mal ganz abgesehen.
    Ich war auf dem Konzert und kann den Part mit der Gibson SG komplett nachvollziehen. Der Gitarrist war komplett fehl am Platz und hat Mist gespielt. Der Sound seiner SG passte überhaupt nicht zum Rest, den seine Band da fabriziert hat. In jeder normalen Schülerrockband wäre er besser aufgehoben als bei einem Punkkonzert. Aber er hat sich halt dem Niveau seiner Kumpanen angeglichen. Wenn schon ein Sänger nicht kapiert, daß man bei einem Shure SM58 nicht die komplette Membran mit der Hand umschließt, weils dann nur dumpfes Genuschel als Stimme gibt, sollten sie besser einen Kurs in der Volkshochschule belegen, wie mans besser macht. Ich stand vorne an der Stage und hab den Gesang des Bassisten direkt gehört … An den Tönen ziemlich vorbei. Loser des Abends waren eindeutig Brutto Tempo. Schade, denn der Drummer war (als einziger) gut. (Und glaub mir, ich weiß, wovon ich rede … hab vor 30 Jahren schon Musik gemacht)

  4. Visitor
    Visitor sagte:

    Sorry, aber beim Durchlesen des Artikels dachte ich zuerst ich lese eine Psychoanalyse der Band Brutto Tempo. Was hat das denn bitte mit einem Konzertreview zu tun?! Ob der Basser ein Punker oder Rockabilly ist – wen juckt’s? Es geht doch in erster Linie um die Musik und nicht darum, wie die Jungs ausschauen! Für mich ist dieser Artikel (besonders dieser Abschnitt) so was von daneben! Oberflächliche Scheisse ist vielleicht etwas krass aber Schülerzeitungsniveau könnte ich zustimmen!

    @LJ
    Lies dir bitte deinen Kommentar nochmal durch und ich frage mich, wer da die Weisheit wohl mit Löffeln gefressen hat und die Höflichkeit in Person ist? Tip: du Supermusiker bist es sicher nicht!

  5. Kyra
    Kyra sagte:

    Für mich gehört zu einem guten Review ein bisschen mehr als: Musik war gut. Für mich gehören Eindrücke und Stimmungen dazu. Das hat nichts mit Schülerzeitungsniveau zu tun, ganz im Gegenteil. Dazu gehört auch Kritik, die auch die Band vertragen können muss (was sie anscheinend nicht kann?). Mein Eindruck: Brutto Tempo sind als Band einfach nicht stimmig – vor allem im Vergleich zu den anderen beiden Bands des Abends. Das Quartett hat definitiv was drauf, konnte aber an diesem Abend nicht vollends überzeugen.

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