Der Weg zum größten Indoor-Metal-Festival Deutschlands ist nicht ausgeschildert. Aber außer einem Autohof ist auch nichts da und Verfahren somit unmöglich. Der Parkplatz ist groß, für manche Autofahrer fehlen weiße Linien, die ihnen genau vorgeben, wo sie parken können. Wie es zur Eventhalle geht, ist auch nicht ausgeschildert, außer man steht direkt davor – nach dem Stopp beim Burger King und dem Stolperer über eine unmotivierte Schwelle. Wer erwartet auch ein großes Kreuz über einer Halle, die an diesem Wochenende eine große Zahl Metaler erwartet?
Wenn man endlich angekommen ist, freut man sich auf das kleine Einlasszelt mit den Heizpilzen, um die sich Männer (!) drängeln. Wir Frauen halten dann doch mehr aus, denke ich zumindest, bis ich zwanzig Minuten später auch darunter stehe. Viele Neuankömmlinge haben vorgeglüht, riechen deutlich nach Alkohol und begrüßen jubelnd Securities und wartende Presseleute. Aus der Halle kommt nur ein dumpfes Dröhnen, sie ist recht gut isoliert. Das müssen „Suidakra“ sein, die ich eigentlich auch hatte sehen und hören wollen.
Weitere zwanzig Minuten später kommt endlich derjenige, der für die Akkreditierungen zuständig ist. „Der war jetzt fast eine Stunde auf dem Klo. Also wenn ich da so lange bin…“, raunt der Journalist neben mir in mein Ohr und zwinkert mir verschwörerisch zu. Danke, so viel wollte ich dann gar nicht wissen.
Sicherheit wird klein geschrieben in Geiselwind. Keine Taschen und keine Personen werden kontrolliert, dabei hat mehr als die Hälfte ein Deo und ein Feuerzeug dabei und in der Halle stelle ich sehr schnell fest, dass das eine oder andere Messer auch seinen Weg hierher gefunden hat. Nicht, um damit wirklich tätlich zu werden, aber man präsentiert stolz: „Ey, das haben die gar nicht gecheckt!“
Bei so manchem Gast frage ich mich, ob es einfach nur die Flucht vor einem langweiligen Wochenende werden soll. Wie Metalhörende wirken sie nicht. Als eine Gruppe an mir vorbei die Treppe nach oben stolpert und fragt: „Grave Digger? Wer ist das denn? Die gibt’s noch nicht so lang, oder?“, möchte ich nur zu gerne Aufklärungsarbeit leisten. Später sehe ich die Gruppe noch mal, da spielen gerade „Iced Earth“ und die Jungen stehen gelangweilt mit einem Bier in der Hand herum. „Das ist schon ein bisschen harte Musik.“ Sie denken, ich brülle wegen der Band und singe mit.

Van Canto
Aber zurück zum Beginn. Endlich stehe ich also in der Eventhalle und „Van Canto“ betreten die Bühne. Ich bin gespannt, denn live habe ich die Band noch nie gesehen. Die Menge vor der Bühne geht gar nicht mit, obwohl die „Van Canto“ wirklich alles gebn und eine tolle Show abliefern. Ganz kurz gehen in den ersten vier Reihen mal die Hände nach oben – aber auch schnell wieder runter, zu anstrengend. Die hinteren zwei Drittel des Publikums tut exakt gar nichts! Man steht rum und starrt nach vorne – oder sonst wohin. Immerhin ist der Jubel ganz annehmbar, der dann doch nach jedem Lied zu hören ist. Da die a capella Band einige Trinkpausen einlegen muss, in denen der Drummer den Takt vorgibt, wird das Publikum zu „unfassbar viel Krach“ aufgerufen. Sicherlich wäre mehr möglich gewesen. Dafür wird aber das Grave Digger Cover „Rebellion“ lautstark begrüßt und manche singen sogar mit. Gnadenlos gebangt wird dann beim Sabaton Cover „Primo Victoria“. Hier ist endlich mal ein bisschen Stimmung in der Eventhalle – und „Van Cantos“ Auftritt auch schon fast vorbei. Die sechs Musiker haben alles gegeben und ein tolles Konzert geboten.

Powerwolf
Die Umbaupausen sind recht lang. Die meisten strömen nach draußen, in den Vorraum, um der Nikotinsucht zu frönen. Wieso jetzt in geschlossenen Räumen geraucht werden darf, verstehe ich nicht ganz. Wir sind doch in Bayern! Als nächstes sind die Powerwölfe dran, und wie schon auf der Power of Metal Tour im Herbst, dauert es etwas länger, bis alles aufgebaut ist.
Dann wird es dunkel und Attila Dorn betritt langsamen Schrittes die Bühne. Als er zu singen beginnt, schießen Feuersäulen in die Höhe. Sofort fällt auf, dass Gitarrist Matthew Greywolf fehlt – was Dorn gegen Ende des Konzertes auch kommentiert mit den Worten: „Matthew liegt in Couch – autsch!“. Aber „Powerwolf“ haben einen würdigen Ersatz gefunden, der wirklich alles gibt, ebenso Grimassen schneidet und bei „Saturday Satan“ ein hörenswertes Gitarrensolo hinlegt. Falk Maria Schlegel macht immer wieder Stimmung und fordert das Publikum zu Jubelrufen auf. Nur zu gerne kommt man dem nach. Die Interaktion zwischen Band und Zuschauern ist großartig und die Wölfe spielen alte und neue Songs, die meist mitgesungen werden. Dabei lässt es sich Sänger Dorn nicht nehmen, witzige Ansagen zu machen oder nach „Dead boys don’t cry“ zu fluchen: „Fällt mir Mikro aus, Mann, so ein Scheißdreck!“. Positiv überrascht ist er von der steigenden Zahl weiblicher Fans, die doch bitte einmal brüllen sollen. Nun ja, die Männer sind dann doch wieder lauter. Die Halle hat sich gefüllt, was sicherlich auch der Uhrzeit geschuldet ist und die Powerwölfe heizen richtig gut ein. Schließlich widmen sie „Catholic in the morning, Satanist at night“ noch einem besonderen Herrn: „Für unseren Papst! Die Pfeife!“ Dann ist leider der grandiose Auftritt schon wieder vorbei und Dorn bedankt sich wie immer mit einem herzlichen „Vielen Dankeschön!“.
„Powerwolf“ haben sich gelohnt. Die Show war großartig!

Grave Digger
Wenn Axel Ritt die Bühne betritt, ist es egal, wer da noch rumsteht. Alle Augen sind auf den Mann mit der schwarz-weiß-gestreiften Gitarre gerichtet, der sofort richtig mit der Show loslegt, bevor Chris Boltendahl auf die Bühne rennt und gleich mal ordentlich ins Mikro brüllt. 30 Jahre Bühnenerfahrung lassen sich eben nicht wegwischen. Der Sänger ist gut drauf, macht Späßchen, singt mit viel Freude und hat sichtlich Spaß daran, hier zu sein. Die Menge ist mittlerweile angewachsen, guter Laune und tut das, was man eben so macht auf einem Metalkonzert: Eifrig die Köpfe schütteln, Pommesgabeln in die Luft stechen und lautstark „Grave Digger“ bejubeln. Mit üblicher Schreistimme kündigt der Bandleader die Songs an und dann verschlägt es sogar ihm die Sprache. Kaum hat er „Van Canto“ gesagt, singt die Halle „Rebellion“. Ein emotionaler Moment mit Gänsehautgarantie. Boltendahl steht auf der Bühne, lächelt und schweigt erst einmal, bis er sich bedankt und den Song selbst anstimmt. Den Abschluss bildet wie immer „Heavy Metal Breakdown“. Man will die Band zwar nicht gehen lassen, aber Zugaben sind zeitlich nicht drin.
„Grave Digger“ waren wie immer toll, jedoch war der Sound zum Teil ein einziges Bündel Lärm und keine gute Musik.

Iced Earth
Auf die nächste Band habe ich mich insofern gefreut, als dass ich sie noch nie gehört und auch das neue Album „Dystopia“ gekonnt ignoriert habe. Gespannt warte ich, finde das Bühnenbild ziemlich cool und bin geflasht, als Jon Schaffer auftritt. Er rockt die Halle, ist omnipräsent auf der Bühne, bis Sänger Stu Block nach vorne rennt und ins Mikro grölt. Es macht sehr viel Spaß, der Band zuzusehen. Ihre Freude an der Musik ist deutlich spürbar und „Iced Earth“ übertragen sie auch auf das Publikum. Dieses ist begeistert, brüllt sich die Seele aus den Leibern, schüttelt die Köpfe, dass es wehtut und genießt anderthalb Stunden lang die Show. Anfangs wird viel mit den Zuschauern interagiert, viel geredet, doch bald konzentriert man sich nur noch auf die Musik. „Iced motherfucking Earth“ spielen alte und neue Songs, die durchgehend positiv aufgenommen und mit viel Jubel kommentiert werden. Die Veranstalter des Festivals haben sich auch nicht lumpen lassen und damit wirklich jeder einen Blick auf die Bühne werfen kann, wird das Konzert auf einer Leinwand übertragen, die man auch etwas abseits des Gedränges gut einsehen kann. Ein sehr gelungener Auftritt, der zumindest mich davon überzeugt hat, „Iced Earth“ unbedingt noch einmal live sehen zu wollen. Schließlich gesteht die Band den Fans „We fucking love you!“, bevor sie verschwindet.

Blind Guardian
Die Eventhalle leert sich. Wer jetzt nach draußen strömt, will nach Hause, nicht rauchen, dabei steht noch eine Band auf dem Programm. „Blind Guardian“. Keine Unbekannten, aber schon fast ein Kontrastprogramm zum vorherigen Act. Als die ersten Klänge ertönen, bricht Jubel los. Mit Sprechchören werden die Musiker empfangen und Sänger Hansi Kürsch hat ein Lächeln auf dem Gesicht, das während des gesamten Auftritts nicht verschwindet. Ich finde das bewundernswert. Während EMP eingepackte Fahnen ins Publikum wirft, singen die Fans eifrig mit und freuen sich ebenfalls, dass „Blind Guardian“ hier sind. Auch dieser Auftritt wird auf Leinwand übertragen. Als ich mich jedoch aus der Menge nach hinten bewege, wo es deutlich leerer ist, wird der Sound auch hörbar schlechter. Ein Security ertappt mich dabei, dass ich zu einem Song schunkle. Das passt nicht auf diese Art Festival, aber zu dem, was musikalisch gerade aus den Boxen kommt – es wird den Metalern definitiv nicht gerecht. Nicht nur ein Fan verlässt etwas enttäuscht vorzeitig das Konzert. „Auf CD klingen sie besser, zumindest besser als heute Abend!“ Traurig, aber leider wahr. Dennoch hat es sich rentiert, nach Geiselwind zu fahren an diesem Tag.
Zahlreiche Fotos und viele Videos auf youTube lassen jeden teilhaben, der nicht dabei sein kann.
Am Samstag geht es weiter. Mit tollen Bands wie Equilibrium, Marduk, Caliban oder Arch Enemy. Leider ohne mich. Das Wetter macht nicht nur mir einen Strich durch die Rechnung.

Gesamt betrachtet hat sich das Christmas Metal Festival gelohnt. Man muss eben flexibel sein, die Running Order oder auch die Preise ändern sich spontan. Dafür gab es in diesem Jahr ein faires Abendkassensystem, so dass man wirklich nur die Hauptacts bezahlen musste. Vier Tage Festival an zwei verschiedenen Wochenenden und Orten sind leider sehr unpraktisch, was die Veranstalter auch zu spüren bekamen. Da musste man sich entscheiden, welche Tage man auswählt. Aber das Line-Up konnte sich definitiv sehen lassen. Ob und in welcher Form es das Christmas Metal Festival im nächsten Jahr geben wird, ist derzeit leider noch unklar, aber wenn es wieder stattfindet: Es wird sich lohnen!

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