Unheilige Rituale

 

Was bekommt man, wenn man eine Sonnenfinsternis über der Côte d’Azur mit niederländischem Düsterbarock und griechischer Blasphemie mischt? Im Fall von Svart Crown, Carach Angren und Rotting Christ ist die Antwort klar: einen ziemlich brutalen und lauten Abend. Kein Wunder, dass man diese drei Bands im Januar und Februar auf einer Co-Headliner-Tour durch ganz Europa geschickt hat, um zum einen das aktuelle Rotting-Christ-Album Rituals noch weiter zu promoten, zum anderen Carach Angrens neustes Horror-Meisterwerk Dance and laugh amongst the rotten vorzustellen. Der Tross machte auch im Münchner Backstage halt und lieferte den zahlreich angereisten Jüngern drei beeindruckende Konzerte und mindestens zwei Tage Nackenschmerzen.

_DSC8222Den Abend eröffnen Svart Crown, die, wie der Name bereits vermuten lässt, aus Frankreich kommen, genauer aus dem sonnigen Nizza an der Côte d’Azur. Von blauem Meer und Sonnenschein ist hier allerdings nichts zu spüren: Svart Crown haben sich ganz der satanischen Dunkelheit verschrieben, wie man auf den bisher veröffentlichten vier Studioalben nachhören kann. Zuletzt erschien 2017 Abreaction, das nun wirklich kein Fünkchen Licht mehr durchlässt. Musikalisch bewegen sich Sänger, Gitarrist und Bandgründer JB Le Bain, Gitarrist Kevin Verlay und Bassist Ludovic Veyssière, die live von Drummer Cédric Malebolgia unterstützt werden, zwischen Black und Death Metal, haben dabei aber einen sehr eigenwilligen Stil gefunden, der durchaus einige Anläufe braucht, um ins Ohr zu gehen. Davor liegt er einem eher quer im Magen, denn bei Svart Crown wechseln sich vertrackte, komplexe Riffs und Blastbeats mit episch-langsamen, von Gitarren und ritualistischem Klargesang dominierten Passagen ab. Zum Haareschütteln animiert das, trotz einer wirklich klasse Performance der vier sehr ansehnlichen Franzosen, nicht so recht – erst gegen Ende, als das Publikum mit dem Verdauen der komplexen Songs begonnen hat und Svart Crown die Nackenbrecher „Colosseum“ (Witnessing the fall, 2010), „Transsubstantion“ und schließlich das grandiose „Orgasmic Spiritual Exstasy“ (beide vom aktuellen Album Abreaction) auspackt, wird es etwas munterer im Publikum. Wer sich musikalisch zwischen Behemoth, Nile und Rotting Christ wohlfühlt, sollte hier ein Ohr riskieren!

_DSC8336Visuell und akustisch derart angeregt, hatten Carach Angren leichtes Spiel mit dem Publikum – manchmal vielleicht etwas zu leicht, denn vor allem die weiblichen Fans fielen hier leider unangenehm auf, von Bierduschen für die Fotografen bis hin zu dem gut angeheiterten Mädel, das sich die Seele aus dem Leib brüllte und derart wild wankend gestikulierte, dass die Umstehenden ihr Heil in der Flucht suchen mussten, wollte man nicht plötzlich eine Hand in der Fresse haben. Kein leichtes Unterfangen in der vollgepackten Halle – nichts gegen etwas haarige Luft, aber dieses wilde Um-sich-Schlagen ist asozial und muss echt nicht sein! Zum Glück verließen die Dame nach rund zwanzig Minuten die Kräfte, sodass wir das perfekt inszenierte Konzert der drei Niederländer um Sänger und Gitarrist Seregor dann auch genießen konnten. Geboten wurde epischer Bombast-Black-Metal, gitarren-, keyboard- und blastbeatlastig, der an (frühe) Dimmu Borgir oder Crandle of Filth erinnert. Thematisch dreht sich alles um Horror in unterschiedlichen Ausprägungen, von wahnsinnig gewordenen Kapitänen von Geisterschiffen („Bloodstains on the captain’s log“ vom genialen Album Death came through a phantom ship, 2010) über Märchen, die zu grotesken Albträumen mutieren („When crows pick on widows“ vom Album This is no fairytale, 2015) bis hin zum ganz realen Horror auf dem Schlachtfeld („Bitte tötet mich“ von der Where the corpses sink forever, 2012). Die letzte Ausgeburt dieser abgrundtief bösen Geisteshölle ist Dance andlLaugh amongst the rotten, das zusammen mit Rotting Christs Album Rituals der Tour ihren Namen gab und von dem „Charlie“ als Opener, „Charles Francis Coghlan“, „Pitch black box“ und das zweisprachig auf Deutsch und Holländisch angekündigte und frenetisch abgefeierte „In de naam van de duivel“ gegeben werden – und zwar mit Vollgas, Corpsepaint, Kostümen und dem abgefahrendsten Keyboard-Ständer der Welt. Carach Angren liefern live das, was ich von Cradle of Filth gerne hätte, und erinnern mich daran, was symphonischer Black Metal eigentlich kann. Immer wieder ein Genuss!

_DSC8461Rotting Christ waren letztes Jahr auf dem Dark Easter Metal Meeting eines der absoluten Highlights, aber nach einem bereits langen Konzerttag nur im Sitzen genießbar (ich werde eben zu alt für diesen Sch**ß – was man von den Griechen, die inzwischen dreißig Bandjahre auf dem Buckel haben, nicht behaupten kann). Drei Bands hingegen, und seien sie noch so gut wie Svart Crown und Carach Angren, lassen genug Reserven übrig, um das Urgestein des griechischen Black Metals gebührend abzufeiern, inklusive zwei Tage Muskelkater im Nacken hinterher. Sakis (Gitarre, Vox), Themis (Drums), Van Ace (Bass), George Emmanuel (Gitarre) kommen zu „Devadevam“ vom aktuellen Album Rituals auf die Bühne, inspiriert von Gesängen an Shiva, einem der höchsten Götter im Hinduismus, der das Prinzip der Zerstörung verkörpert, das nahtlos in „Kata ton daimona eautou“ vom gleichnamigen Album (2013) übergeht. Viel Zeit zum Verschnaufen lassen einem die Griechen den ganzen Abend über nicht, haben aber immerhin so viel Erbarmen mit ihren Anhängern, auf den Nackenbrecher „Elthe kyrie“ (Rituals – die wahnsinnigen weiblichen Vocals von Schauspielerin Danai Katsameni kommen vom Band) das Mitsingstück „Apage satana“ folgen zu lassen, ehe es mit „The Sign of evil existence“ und „Transform all suffering into plagues“ zurück zum allerersten Studioalbum aus dem Jahr 1993 (Thy mighty contract) geht. Es bleibt keine Zeit, sich danach zu sortieren, denn zum Thou-Art-Lord-Cover „Societas satanas“ befiehlt Sakis einen Moshpit, der sich beinahe durch die ganze Halle zieht und jeden mitreißt, der sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen kann (oder will). Nach „In Yumen/Xibalba“ wird anschließend das Tempo mit „Grandis spiritus diavolos“ (Kata ton daimona eautou) und „666“ etwas rausgenommen, ehe Rotting Christ mit „Non serviam“ einen letzten Nackenbrecher abliefern, ehe die Jünger in die kalte Februarnacht entlassen werden.

Drei grandiose „Rituals amongst the rotten“ – besser kann ein Konzertabend kaum sein!

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Bilder: torshammare (den Bierduschengeruch bitte dazudenken)

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