Shut up, drink and play!

An diesem Montag, Feiertag zumindest in Bayern, steht im Backstage ein ganz besonderer Künstler auf dem Programm. TJ Cowgill – oder besser bekannt unter dem Namen King Dude – gibt sich die Ehre, zusammen mit seiner Band, den Demon Brothers. Die musikalischen Wurzeln des Amerikaners aus Seattle liegen im Death Metal, doch seit einigen Alben macht er als (Solo-)Sänger von ultradüsterem, pechschwarzem Folk und Rock auf sich aufmerksam. Grabesstimme, schwarze Kleidung, Tätowierungen – wer auf Nick Cave und Johnny Cash steht, sollte hier unbedingt aufhorchen. Vor einigen Monaten war King Dude schon im kleinen Milla, heute spielt er im zumindest etwas besser geschnittenen, wenn auch genauso kleinen Backstage Club. Mit im Gepäck hat er die Amerikanerin Foie Gras, über die bei der Vorabrecherche nicht viel zu erfahren war, was das Ganze aber nur noch spannender macht.

DSC_9246Die zierliche Foie Gras kommt mit etwas Verspätung auf die Bühne, es haben sich auch noch nicht allzu viele Leute im Club eingefunden. Die aparte Frau vom Typ Schneewittchen – Haut weiß wie Schnee, Lippen rot wie Blut, Haar schwarz wie Ebenholz – agiert extrem zurückhaltend und haucht ihre Songs und ihre Ansagen mehr ins Mikro, als dass sie sie singt, was das Erkennen einzelner Songtitel schwierig macht. Auf ihrer Bandcamp-Seite beschreibt sie ihre Musik als „loud and mystic, gentle and soft“. Die vorgestellten Songs sind allerdings wirklich sehr sanft und weich, vereinzeltes Gitarrezupfen untermalt ihre zugegeben sehr schöne Stimme. Ansatzweise lassen sich etwas harschere, dröhnendere Töne erkennen, von denen ich gern mehr gehört hätte, doch nach einer guten Viertelstunde verlässt Foie Gras die Bühne schon wieder. Mein Eindruck ist etwas gespalten: Mir hat die ruhige, schwebende Musik (guter Vergleich: Julee Cruise mit „Falling“ aus Twin Peaks) grundsätzlich gut gefallen, etwas mehr Emotion und lärmende Gitarre hätten dem Sound aber gutgetan. Auf jeden Fall in Erinnerung bleiben werden ihre weißen Cowboystiefel.

DSC_9289Die Umbaupause fällt dann dementsprechend lang aus, vielleicht hat Foie Gras tatsächlich ihren Auftritt vorzeitig beendet? Der Club füllt sich jedenfalls ordentlich, die Luft ist mal wieder zum Schneiden, und so langsam darf es bitteschön weitergehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es dann aber soweit, King Dude entert die Bühne mit seinen Mitstreitern an Gitarre/Keyboard, Drums und am Bass (eine wunderhübsche, supercoole glatzköpfige Dame, deren Namen ich leider nicht verstehe). Alle sind in schwarzes Hemd und Hose gekleidet, der Meister zündet sich als Erstes gleich mal eine Zigarette an, die er in der dafür am Gitarrenhals angebrachten Halterung befestigt. Nach kleineren technischen Problemen geht es dann mit dem wunderbaren Rocker „Black Butterfly“ los, dem Eröffnungstrack des aktuellen Albums Songs of Flesh & Blood – In the Key of Light. Mit den nächsten drei Songs hält er sich auch an die Albumreihenfolge, „Deal with the Devil“ und der abgrundtief düstere Ohrwurm „Death won’t take me“ runden zusammen mit „Rosemary“ („A song about a hooker“) den Teil mit den neueren Songs ab.
Mittlerweile ist die Luft auch schon ordentlich verqualmt, ich habe irgendwann aufgehört, die gerauchten Zigaretten zu zählen, doch das macht ausnahmsweise nichts, weil die Show einfach so unglaublich gut ist. Musikalisch sowieso, auch King Dudes Band ist fantastisch, doch der absolute Mittelpunkt des Geschehens ist der Bandchef, der mit seiner Schlagfertigkeit und seinem abgrundtief schwarzen Humor alles beherrscht. Der Mann ist eine alte Plaudertasche und ein begnadeter Stand-up Comedian, seinen Witz muss man aber natürlich mögen. Zwischen den Songs parliert er gern und ausgiebig mit dem Publikum und freut sich sichtlich, dass dieses mit ebensolchem Humor und relativ wenig dummen Sprüchen reagiert. Überhaupt scheinen hauptsächlich langjährige Fans der Band anwesend zu sein, die vor allem bei älteren Songs vor Freude ausflippen, vor allem bei „You know my Lord“, „Jesus in the Courtyard“ oder Titeln, die ich nicht erkannt habe und dringend nacharbeiten muss. Ich hingegen freue mich sehr über „Desolate Hour“, das vom Keyboarder mit einer kleinen Schlagwerkeinlage auf einem Geweih begleitet wird.
Nach elf Songs verlässt die Band überraschend die Bühne, laute Zugaberufe ertönen – und King Dude kommt allein zurück und verkündet, dass er Zugaben ja hasse, aber na gut. Überzeugend wirkt sicherlich auch der Bourbon, den ihm ein Konzertgänger mit dem charmanten Befehl „shut up, drink and play!“ auf die Bühne reicht. Die nächsten drei Lieder singt er allein mit Gitarrenbegleitung und zeigt hier, was er wirklich draufhat. „Lucifer’s the Light of the World“, „Witch’s Hammer“ und „River of Gold“ sind absolute Darkfolkperlen, eindringlich, apokalyptisch, mitreißend. Alle lauschen gebannt – bis auf die wohl ganz schön berauschte junge Frau neben mir, die auf der Treppe zur Galerie beinahe einschläft, nachdem sie sonst die ganze Zeit verträumt lächelnd versucht hat, auf dem Keyboard mitzuklimpern. (Was ihr zu Recht einen ordentlichen Anschiss vom Meister eingebracht hat.)
Nach diesem intensiven Liedblock bittet King Dude die Band wieder auf die Bühne, und jetzt kommt die wahre Zugabe, auch wenn man es wahrscheinlich nicht so nennen darf: zwei neue Songs vom im Oktober erscheinenden Album Sex, „Holy Christos“ und „Sex Dungeon (USA)“ sowie noch einer, den ich nicht erkannt habe. Hier rockt die Band ordentlich nach vorne, diese Seite an ihr gefällt mir fast noch besser als King Dude solo.

Danach ist dann endgültig Schluss, vor lauter Zigarettenqualm sieht man sowieso nicht mehr viel, und nach Plünderung des Merch-Standes strömen alle nach Luft japsend nach draußen. Ein denkwürdiger Abend, eine großartige Band! Der man übrigens trotz ihres recht martialischen, neofolk-artigen Auftretens und der Verwendung von Runen im Logo und als Bühnendeko keinerlei rechte Gesinnung unterstellen darf. In Interviews betont King Dude, dass er aus einer spirituellen Familie stammt und die Runen auch allein in diesem Sinn verwendet.
Wer diesen einzigartigen Künstler mit seiner tollen Band noch nicht kennt, sollte dies schnell nachholen.

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