Tactical Facepalm

Man kann sich so manches schön saufen auf dieser Welt: Den Job, die Weiber, ne miese Party … Man brauchte einiges an Kapazität, wollte man die 1. Bayerische Luftgitarrenmeisterschaft bis zum bitteren Ende durchstehen. „Einlass / Beginn: 21 Uhr“, so verkündete es die Backstage-Homepage. Pünktlichst um neun öffneten sich die Pforten, die Meute stürmte in die Halle und an die Bar, zwei DJs sorgten mit altbewährten – und gitarrenlastigen – Metal- und Rock-Klassikern für hervorragende Stimmung. Die Bühne lag noch in mysteriöses Dunkel gehüllt, hin und wieder gab’s Nebel von oben. Daran sollte sich auch eine Weile nichts ändern …
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Der goldene Luftgitarren-Ständer

21.30 Uhr: Keine Veränderung, aber das erste Bier ist lecker und die Musik gut. Die Halle füllt sich zusehends. Dank des EMP-Merch-Standes lagen überall im Raum aufblasbare Gitarren verteilt, an denen sich die angehenden Luftgitarristen üben konnten – sehr zur Erheiterung der Umstehenden. Stimmung: großartig und voller Vorfreude.

21.45 Uhr: Na, bei jedem Konzert kann man ja auf die vom Veranstalter vorgegebene Anfangszeit mindestens ne halbe Stunde draufschlagen. Mittlerweile brandet vereinzelt Jubel auf, wenn jemand die Bühne betritt.

22.00 Uhr: Fragen über Fragen. Etwa, warum der Soundcheck so lange zu dauern scheint? Verschiedene Theorien werden aufgestellt. Immer wieder steht die Frage im Raum, wie man diese Luftgitarren eigentlich stimmt? Na, egal: Erst mal noch’n Bier rein, und dann kräftig mitsingen bei „Sabbath Bloody Sabbath“! Die Jungs neben uns sind auch schon gut bei der Sache, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht ein Typ mit irrem Bart und einem Blind-Guardian-Shirt, der eine der Luftgitarren ergattert hat und nun verzweifelt versucht, sich aus Gürteln einen Gitarrengurt zu basteln, tatkräftig, aber wenig wirkungsvoll unterstützt von seinen nicht minder angeheiterten Kumpels.

22.15 Uhr: In einem ruhigen Intro beschließen wir, lautstark den DJ zu fragen, wie lange es noch dauere. Antwort: 2×5 Finger. Zehn Minuten? Yeah, ein Lichtblick! Aber davor kann jeder nochmal so richtig mit KISS abgehen und das Gitarrensolo von „I Was Made For Loving You“ singen. Da sind wir natürlich an vorderster Front mit dabei!

22.30 Uhr: Monster Magnet spielen im Rahmen des Free&Easy im Backstge! Große Freunde, als wir das Plakat draußen entdecken. Aber: Immer noch keine Luftgitarren, und zehn Minuten sind auch schon längst rum!

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Zane

22.45 Uhr: Noch ne Runde Bier an der Bar geholt, schon geht’s wieder besser mit dem Schönsaufen. Das Publikum ist gespalten: Die einen stehen hinten rum und gähnen, die anderen stehen direkt vor den Bühne, nicht gewillt, die guten Plätze, die man sich gesichert hat, aufzugeben. Und da steppt natürlich der Bär! Immer wieder werden die Plastikgitarren bemüht und irgendein Lied aus der Konserve des DJs abgefeiert. Wir wiederholen das Leise-Intro-laute-Frage-Spiel, diesmal heißt es: Ne halbe Stunde. „Ne halbe Stunde?!“, schreien wir zurück. Sichtlich genervt verlässt der DJ das Pult und ist fortan nicht mehr gewillt, mit uns zu kommunizieren.

23.00 Uhr: Endlich! Moderator Pfeffi König ist auf der Bühne und verkündet den Beginn der Veranstaltung. Vorstellung der Jury, Dank an die Promoter – ging beinahe im Stupor unter, in den sich so mancher während der langen Wartezeit gesoffen hatte. Auch das Reglement wird noch einmal verlesen – wer’s nicht mitbekommen hat, weil er auf dem Klo eingepennt ist, hier kann man’s nachlesen: http://www.germanairguitarfederation.de/

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Presslufthammer

23.15 Uhr: Es beginnt! Teilnehmer Nummer Eins, „Siegfried the Irgendwas“, performt barfuß und generell etwas unglücklich. Vielleicht ein Bier zu viel gegen das Lampenfieber? So oder so: Die Halle tobt, es wird gejubelt und gepfiffen. Nummer Zwei trägt den Stagenamen „Presslufthammer“ und ist ein unendlich dürrer Typ mit wirrem Haar und wirrem Bart, der aber mal so richtig abgeht und absolut Laune macht. Jetzt kocht das Publikum! Nummer Drei hört auf den Namen „Rubber Nochwas“. Er macht eine Art Breakdance und scheint offenbar nicht vollumfänglich begriffen zu haben, was eine Gitarre ist. Macht aber nix, ist lustig anzusehen und wird gut abgefeiert. Danach: Ein Mädchen! Jawoll, ein echtes Mädchen, das in einer USA-Flagge steckt und sich „Lady Liberty“ nennt. Und die haut dann alle aus den Socken: Auf den Punkt performt, viel, viel Leidenschaft und unendlich große Hingabe ans Gitarrenspiel – so muss es sein! Danach: Ein Mädchen! Ja, noch eins! Das trägt nur Tank-Top und String-Tanga, und was sie da eigentlich macht, sieht man nicht, denn sie hat einen Stripper dabei, der vorne auf der Bühne kniet und sich gegen den Willen der Zuschauer das Hemd auszieht. Wer aufgepasst hat, den verwundert es nicht, dass die beiden disqualifiziert sind: Luft-Roadies sind was anderes, erlaubt sind nur Solisten. Next und mit Nummer sechs schon der Letzte: „Zane“! Anscheinend wusste der Gutste nicht, dass er antreten muss, denn er feiert mit seinen Kumpels seinen Junggesellen-Abschied, und siehe da: Es ist der lustige Typ mit dem lustigen Bart und dem Guardian-Shirt, der schon den ganzen Abend für amtlich gute Laune sorgte. „Zane“ gibt alles, die Jury dankt es ihm – ebenso wie das Publikum, das förmlich ausrastet und nach mehr verlangt – nämlich nach Runde zwei. Frenetisch werden die Artisten gefeiert und bejubelt – DAS wollte man sehen, DAFÜR hat man alle Mühen auf sich genommen!

24.00 Uhr: Alle Teilnehmer haben ihre Stücke präsentiert – da erklärt der Moderator, jetzt gäbe es erst einmal eine halbe Stunde Pause, in der die Band From Constant Visions spielte. Flucht nach draußen, die ersten Abschiedsszenen spielen sich ab.

00.45: Nach einer ausgedehnten Zigarettenpause, in der ich mehrfach, an Elric gelehnt, eingeschlafen bin, gehen wir zurück auf unsere vertrauten Plätze. Erstaunlicherweise sind immer noch ziemlich viele Menschen da, die nun auch das Finale sehen wollen. Wieder heißt es aber erst einmal: Rumstehen, noch’n Bier holen, Musik vom PC anhören – die Jungs räumen ja noch auf.

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Lady Liberty

00.50 Uhr: FINALE! Die mittlerweile nur noch fünf Teilnehmer starten in umgekehrter Reihenfolge, es beginnt „Siegfried“, der leider immer noch nicht besser drauf ist, diesmal aber sein Shirt zerreißt. Lohnender Anblick, aber da ist noch Luft nach oben. „Rubber-Heini“ hat sich in der Zwischenzeit die Band angesehen und schnell gelernt, was eine Gitarre ist, denn dieser Auftritt des Gummimannes ist wesentlich gitarrenlastiger als der erste – und natürlich witzig anzusehen, der Typ hatte echt was drauf. „Presslufthammer“ geht richtig ab – auch hier erleben wir am Ende noch ein zerrissenes Shirt, und verdammt will ich sein, wenn dieser Mensch mehr als 80 Kilo auf die Waage bringt! Aber lustig. „Zane“ geht in die Vollen, steigt auf den Verstärker, springt auf der Bühne herum und spielt Luftgitarre, als hätte er nie im Leben etwas anderes gemacht. Gut, hat er vielleicht auch nicht. Mich jedenfalls hat gewundert, dass er überhaupt noch stehen, geschweige denn zwischen Griffbrett und Korpus unterscheiden konnte. „Lady Liberty“ fährt den Sieg jedoch souverän nach Hause – gute Performance, sehr kraftvoll im Ausdruck, und für einige Sekunden habe ich wirklich gedacht, sie hielte eine Gitarre in Händen. Mist, jetzt hab ich das Ende schon verraten – na, wer rechnen kann, ist hier klar im Vorteil, denn nach der letzten Performance gab es – wer hätt’s gedacht? – eine kleine Pause. Also: Wieder raus, wieder rauchen, noch’n Bier holen.

01:10 Uhr: Siegerehrung! Jeder Teilnehmer bekommt eine Urkunde und eine Flasche Pfeffi. 3. Platz: „Zane“ – mein persönlicher Sieger der Herzen, weil er nicht nur auf der Bühne, sondern auch nebenan im Publikum eine großartige Laune verbreitet hat.
2. Platz: „Presslufthammer“ – u rock!
Gewinnerin habe ich eh schon verraten: „Lady Liberty“. Sie bekam auch einen goldenen Gibson-Gitarrenständer für ihr Instrument und darf jetzt Bayern in Berlin vertreten. Dann aber bitte mit blau-weißem Fahnen-Kleid, oder als Bavaria verkleidet – den Unterschied bekommen die Preiss’n eh nicht mit!

01:15 Uhr: Endlich im Auto und ab nach Hause! Soll ja Menschen geben, die samstags arbeiten müssen …

Fazit: Idee super, Teilnehmer super, Leidenschaft super – Umsetzung: ungenügend. Jungs und Mädels, das machen wir nächstes Jahr nochmal, dann aber besser. Viel besser. Deswegen gibt es von mir ausnahmsweise mal zwei Bewertungen:

Künstler:

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Veranstaltung:

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Fotos: Elric

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