More Stagedives!

Your Demise
Zuletzt habe ich die sympathischen Briten von Your Demise im pickepackevollen 59:1 erlebt, in dem sie eine astreine und energievolle Hardcore-Show abgeliefert haben. Die Örtlichkeit des Werks ist im Vergleich zum beschaulichen Club-Ambiente des 59:1 erheblich größer, aber dennoch schafften es die Hardcore-Jungspunde, einen anständigen Auftritt hinzulegen. Viel Bewegung und Engagement auf der Bühne, was sich aber leider nicht aufs Publikum übertrug, das ganz offenbar auf die Filetstücke des Abends wartete. Zu viel mehr als die allseits bekannte Traubenbildung bei Singalong-Passagen einiger Songs reichte es nicht, nicht einmal ein anständiger Pit wurde eröffnet. Schade, denn die Stücke geben viel mehr her als nur zustimmendes Abnicken und Anstands-Applaus. Nun ja, es kann ja nicht jeden Abend Weihnachten sein.
Ich hoffe, beim nächsten Mal wieder einen echten Hexenkessel zu erleben, die Band hat es allemal verdient.

Comeback Kid
Deutlich mehr Bewegung entstand bei everybody’s darlings aus Kanada, Comeback Kid nämlich. Seit 2002 nun schon aktiv und bis auf wenige kreative Pausen eigentlich ständig unterwegs, sind sie eine immer wieder genannte Band, wenn es um das Thema Lieblingsband geht. Der Stimmungspegel im gut gefüllten Werk stieg nun merklich an, ließ aber dennoch erheblich Luft und Raum nach oben offen. Die Band selber war schnell auf Betriebstemperatur und zog mit dem charismatischen Sänger und Kraftpaket Andrew Neufeld sofort die Sympathien auf ihre Seite. Der Typ hat eine echt umwerfende Ausstrahlung und als Frau würde ich sicher auch behaupten, dass er gutaussehend und boyfriend-tauglich ist. Im Mittelpunkt stand aber zum Glück kein Beautycontest, sondern der mitreißende Melodic Hardcore der Kanadier, mit dem sie sich sehr schnell seit ihrem Bestehen eine treue Fanschar erspielt haben. Leider konnten sie nicht alle Trümpfe ihrer berühmten Live-Energie ausspielen – konnte mich diesbezüglich an ihren Auftritt im Feierwerk sehr deutlich erinnern, in dem es zu keinem Zeitpunkt eine ruhige Sekunde im dauerausgeflipptem Publikum gab. Der frühe Slot am heutigen Abend war wohl Schuld an der Stimmung mit angezogener Handbremse, denn wer vor solch Schwergewichten wie Terror und Madball die Meßlatte legen muß, hat ganz einfach einen undankbaren Job. Nichtsdestotrotz sind Comeback Kid ein Highlight in jedweder Kombination, ob Festival, Einzelkonzert oder Package wie an diesem Abend.
Der nächste Gig im hoffentlich dann kleineren Rahmen wird bestimmt wieder hochleistungsvoller, ganz bestimmt sogar.

Terror
Als Terror aus dem sonnigen LA die Bretter betraten, explodierte förmlich die Stimmung in der Halle. Wie auf ein unsichtbares Kommando von irgendwoher reagierte plötzlich die ganze Menge ab Songer Nummer eins (ein mir bis dato unbekannter, daher vermute ich ihn auf den neuen kommenden Album) und verwandelte das Werk in totales Chaos. Ob jung oder alt, Frau oder Mann, der Moshpit kochte über vor Energie. Habe in letzter Zeit selten so eine Entladung von Euphorie und Zuspruch ab Beginn eines Gigs gesehen. Alles war von Anfang bis Ende in steter und wilder Bewegung, die Bühne zu jedem Zeitpunkt mit stagedivenden Akrobaten gefüllt, gütigerweise sogar von der Security aufgrund des weiten Grabens auf die Bühne gehievt wurden. Sowas sieht man auch nicht alle Tage und in München schon gar nicht, Extrapunkt also an die Secs. Exzellente und überbordende Stimmung also zu einer Band, die bestens aufgelegt war und wie immer alles gab. Ihre aggressive, aber gleichzeitg positiv-geladene Musik überwindet nun schon seit einigen Alben immer wieder die enggesteckten Grenzen der Schublade Hardcore, was Sänger Scott Vogel in schöner Regelmäßigkeit auch immer wieder heraus- und klarstellt. Es ist egal, ob Punkrock-, Metal- oder Hardcore-Kids kommen, die Show gehört bei Terror allen, und jeder, der dabei ist, gehört zur großen Terror-Familie. Das ist unter anderem das Markenzeichen der Jungs: der szeneübergreifende Charakter ihrer Musik. Und wenn dann noch so ein Charisma-Bolzen wie Scott Vogel die Zügel in der Hand hat, hat man eh alle Trümpfe auf seiner Seite. Leider wartete ich, wie sicherlich so viele andere, vergebens auf neue, legendäre Sprüche der Marke „I wanna see stagedives, everyone up front, you in the back, get up here and stagedive. I need total airborne destruction.“ an diesem Abend, die vielleicht auf www.vogelisms.com Eingang gefunden hätten. Dafür gab es aber auch keine Zeit, der Plan war enggesteckt und die Bühne sollte möglichst für die nächste Band noch heile bleiben – aufheizende Sprüche wie der vorgenannte haben unwahrscheinlich hohen Unterhaltungswert, waren aber letzen Endes nicht nötig, nachdem die Eigendynamik der vulkanausbruchsgleichen Stimmung den Job aufs beste erledigte.
Eine echt bemerkenswerte und atemberaubende Show der wohl zur Zeit beliebtesten Hardcore-Band dieses Planeten. Volle Punktzahl.

Madball
Von der US-West- zur Ostküste in weniger als zwanzig Minuten, das geht wohl nur auf Hardcore-Konzerten, auch wenn rein stilistisch wenig Unterschiede zur letzten Band auszumachen sind. Zu der 1988 gegründeten Band muß man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren, die New Yorker sind mittlerweile zur Legende mit ihrem metallischen Hardcore geworden und bringen allabendlich die Stimmung ähnlich zum Kochen wie es Terror mit links schaffen. Leider war vor Beginn zu befürchten, dass das Publikum soviel Energie bei Terror verbraucht hatte, das beinahe nichts für Madball übrig bleiben würde. Doch schon nach wenigen Songs kam es dennoch wieder zu einem anständigen Gemoshe vor der Bühne, jedoch zu erheblich weniger Traffic auf eben selbiger. Das tat aber im Grunde der trotzdem guten Stimmung keinen Abbruch, die Leute waren offenbar zufrieden mt dem bisherigen Verlauf des Abends und waren einfach happy, nun noch mit Madball ein Sahnehäubchen obendrauf zu bekommen. Auf den letzten beiden Gigs habe ich schmerzlich ältere Kracher wie „Demonstrating My Style“ oder „Set It Off“ vermisst, die diesmal aber glücklicherweise wieder ausgepackt und nicht nur von mir standesgemäß abgefeiert wurden. Der Groove und die rohe Power, unterstützt durch einen soliden Sound, sind eben unvergleichlich, und man weiß immer sofort nach nur wenigen Takten, dass man es mit Madball zu tun hat. Sänger und Vormals-Klempner Freddy Cricien war ähnlich wie Scott Vogel etwas mundfaul, das ist aber nur eine Randnotiz, nachdem die Band selber wieder ihre ganze Routine und Bühnenerfahrung in den Ring warf und ein alles in allem gelungenen Auftritt hinlegte.
Madball konnte Terror in punkto Ausgeflipptheit nicht toppen, aber der Einsatz war mit dem der vorhergehenden Band gleichzusetzen. Ein perfekter Hardcore-Abend also mit einem absoluten Diamanten in der Hardcore-Krone, genannt Terror. So geht man gerne auf Konzerte und wieder nach Hause.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

 

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