Auf den Kern reduziert
Ein neues Album vom Großmeister Nick Cave und den Bad Seeds – normalerweise ein Anlass zu Freudenschreien, Atemnot, Schweißausbrüchen und sehnsüchtigem Abzählen der Tage bis zum Veröffentlichungstermin. Dieses Mal ist die Lage ein wenig anders. Kann man sich ehrlich auf ein Werk eines Menschen freuen, der erst vor etwas mehr als einem Jahr einen unfassbaren Verlust erlitten hat? Am 15. Juli 2015 stürzte Arthur, einer der beiden fünfzehnjährigen Zwillingssöhne von Nick und Susie Cave, unter LSD-Einfluss von den Klippen in Brighton. Die Aufnahmen zur halb fertiggestellten neuen Platte Skeleton Tree kommen für Monate zum Erliegen. Ein halbes Jahr nach dem Unglück beschließt Nick, doch wieder ins Studio zu gehen und das zu tun, was er schon immer macht: Musik. Begleitet werden die Arbeiten vom befreundeten australischen Regisseur Andrew Dominik und seiner Schwarz-Weiß-Kamera. Dabei ist der hochgradig berührende und sprachlos machende Film One more Time with Feeling herausgekommen, der Skeletron Tree am 8. September weltweit in den Kinos angekündigt hat. Wer den Film gesehen hat, weiß, was auf der CD auf ihn zukommt an rohen Emotionen, die auch beim Hörer ungefilterten Schmerz auslösen können (und werden). Man weiß, wie sehr der Wortkünstler Nick Cave, der Erschaffer düsterer Universen in Textform, während der Fertigstellung des Albums mit sich gerungen, wie das Unglück ihn seiner Sprache und seiner Ausdrucksfähigkeit beraubt hat. Doch man wird sich Skeletron Tree natürlich anhören. Weiterlesen