Samt und harte Beats

Es ist Zeit für einen neuen Katzenclub! Nachdem es letztes Mal mit Boris May von Klangstabil einen hervorragenden Gast-DJ gab, aber keine Live-Acts, ist das Programm heute wieder komplett. Zwei Bands, zwei Floors, Pulverturm-Special mit DJ Thaly … das verspricht, ein voller und sehr langer Abend zu werden. Auf dem Programm stehen die alten Elektroheroen The Invincible Spirit sowie die neuen Hoffnungsträger Tempers aus den USA. Also mal wieder alte Helden vs. neue Helden, das bewährte und immer wieder spannende Motto der Veranstaltungsreihe. Nix wie hin, oder?
DSC_0259Seit längerer Zeit wird auf den einschlägigen Düsterpartys der Stadt ein Song gespielt, bei dem zahlreiche Gäste ab dem ersten Ton leuchtende Augen bekommen und rasch Richtung Tanzfläche eilen. Ein betörender Rhythmus, eine samtige, kraftvolle Frauenstimme, ein Song, in dem man versinken kann. Immer öfter wurde die Frage laut, wer denn die Band sei und was es noch von ihnen gäbe. Tja, am Anfang gab es von den Tempers aus New York gar nicht viel Material, doch das hat sich glücklicherweise geändert, eine EP namens Fundamental Fantasy sowie ein Album namens Services sind erschienen und voller mitreißender Düsterperlen. Nur live sieht man Yasmine Golestaneh und Eddie Cooper in Europa noch selten, was die Neugier auf das Duo nur noch verstärkt. Dementsprechend voll ist die Kranhalle auch, als die beiden um kurz nach halb zehn die Bühne betreten und gleich mal mit einem neuen Song loslegen, der dem bekannten Material in nichts nachsteht. Zu Beginn wirken Yasmine und Eddie noch sehr introvertiert und zurückhaltend, was sich im Lauf des Auftritts bei solchen Ohrwürmern wie „Tail in my mouth“, „Eyes wide wider“, „Trains“ oder dem Übersong schlechthin „Strange harvest“ etwas ändert. Auch das Publikum ist irgendwann richtig warm und tanzt immer enthusiastischer. Die Musik der Tempers zeichnet sich vor allem durch ungeheure Wärme aus, trotz des elektronischen Grundgerüstes. Eddie entlockt seiner Gitarre zauberhafte Melodien, Yasmines Stimme wechselt zwischen warm, einschmeichelnd, schneidend und melancholisch, und man möchte einfach nur die Augen schließen und zuhören. Ebenso intim wie ihre Musik gestalten die beiden auch ihren Auftritt; oft stehen sie einander zugewandt und scheinen nur für sich zu musizieren und zu singen. Die Bühne ist kahl, keine Deko, keine Videoeinspielungen, nur wenige Ansagen, bei denen man aber immerhin erfährt, dass Eddie wohl ziemlich gut Deutsch spricht. Weitere wunderbare Highlights sind – neben Yasmines phänomenalen roten Schnallenstiefeletten mit den Cannabissocken – „Further“, „Bright over me“ und das düster-wavige „Undoing“. Begeistert vom Zuspruch des Münchner Publikums und zutiefst gerührt verabschieden sich die beiden danach von der Bühne, den tosenden Applaus haben sie sich mit einem berührenden und mitreißenden Auftritt verdient.

DSC_0312Nach etwas längerer Umbaupause geht es mit dem musikalischen Kontrastprogramm weiter, jetzt wird es rein elektronisch und sehr, sehr tanzbar. The Invicible Spirit aka Thomas Lüdke gibt es seit den Achtzigern, und genauso alt sind auch einige der größten Hits wie „Push“ oder „Devil dance“. Über die Jahre hinweg gab es immer wieder Lebenszeichen, 2016 ist das aktuelle Album Anyway erschienen, aus dem es heute neben den Klassikern sicher auch viel zu hören geben wird. Nachdem ein paar kleinere technische Probleme überwunden sind, kann es richtig losgehen. Das eindringliche, treibende „A nation“ sowie das aggressive „Contact“ sorgen gleich mal für Bewegung in den ersten Reihen, die Videountermalung passt hervorragend, während Thomas Lüdke die Bühne abschreitet und ins Mikro shoutet. „Devil dance“ führt weit in die Anfänge von The Invincible Spirit zurück und klingt doch so frisch wie eh und je. Wie erwartet gibt es einiges vom aktuellen Album zu hören, das durch die Bank sehr stark geraten ist und dessen Songs dementsprechend Laune machen. Mit dem JoyDivision-Cover „Atmosphere“ kehrt ein wenig Ruhe ein, die elektronische Umsetzung ist interessant und funktioniert, auch wenn mir Thomas Lüdke als Shouter besser gefällt als als Sänger. Dann heißt es aber wieder „zurück in den Tanzmodus“ mit „Afraid forever“ und „Showdown“, bevor es mit dem alten Mao-Tse-Tung-Experience-Gassenhauer „Irregular times“ ganz weit zurück in die Elektro-Wave-Vergangenheit geht. Bei „Provoke you“ geht Thomas Lüdke richtig aus sich heraus, die bisherige Performance war zwar sehr solide, aber auch noch ein klein wenig zurückhaltend. Jetzt geht’s richtig los, bei „Dark eye“ hämmern die Beats, die Keyboarderin Anja V. aus den diversen Gerätschaften zaubert, und bei „Hate you“, das auch in München oft auf den einschlägigen Veranstaltungen läuft, bebt die Kranhalle dann doch ein wenig. Das unsterbliche „Push“ und die Zugabe „Anyway“ runden den Auftritt souverän ab, der eine schöne Mischung aus alten Klassikern und neuem, starkem Songmaterial präsentiert hat.

Zwei musikalisch sehr gegensätzliche Bands, die theoretisch auch ein verschiedenes Publikum hätten ansprechen können, doch das Konzept geht auf. Danke, Katzenclub, für wieder einmal einen tollen Konzertabend und für die anschließende lange Party mit vielfältigster Musik und vielen bekannten Gesichtern. Bis zum neuen Jahr!

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