Ein wahrhaftes Erlebnis!

Wie lange hatte ich auf dieses Konzert im Vorfeld gewartet! Schon als ich die Ankündigung las, war ich voller Freude. Ein Konzert von Alcest ist immer ein Ereignis, das man nicht so schnell vergisst. Nach ihrem zuletzt erschienenen neuen Album Les chants de l’aurore (Link zum Review) war ich wirklich gespannt, wie sie die musikalische Perfektion des Albums live auf die Bühne bringen. Also auf ins altehrwürdige Backstage zum für mich wichtigsten Konzert 2024!

Verstärkung haben Alcest auf Tour natürlich stets dabei, und so traten als Appetizer in München die mir unbekannten Doodseskader und die mir durchaus geläufigen Svalbard aus England auf. Erstmal schnell ein Kaltgetränk holen, bevor es eines Panzers benötigt, um zur Theke zu gelangen. Nach und nach füllte sich das Werk, ohne dass man es sofort mit bloßem Auge bemerkt hätte. Vor der Bühne hatten sich auch schon die ersten Reihen gefüllt und aufgestellt für alles, was kommen mag. Die Hintergrundmusik wurde leiser und das Licht dunkler und siehe da, standen auch schon die beiden Akteure der ersten Band des Abends, Doodseskader, auf der Bühne. Als sie ihren ersten Song anspielten, hatte ich für einen kurzen Augenblick gedacht, es würde eine Funeral Death Doom Metal Band spielen. Im Laufe des Songs jedoch offenbarte die Band ihr Genre: Recht gut ins Ohr gehender Sludge, angereichert mit Core-Elementen. Die Message war nicht unbedingt lebensbejahend, aber wer so etwas braucht, der hört Pop! Ganze drei Alben gibt es von der Band, und meiner Meinung solltet Ihr sie ruhig mal antesten. Auch waren die Drum-Breakdowns immer wieder ein Genuss für Metaller, die dem Wippen verfallen waren. Ging direkt in die Magengrube! Eine recht beeindruckende Show!

Nach einer Frischluftpause für mich (das Werk war mittlerweile sehr gut gefüllt) während der Umbaupause dachte ich schon, was mich mit Svalbard erwarten würde. Aber erstmal meinem Laster, dem Rauchen, frönen und dann ganz langsam hinein. Nach einer kurzen griechisch-römischen Ringeinlage, um an die Bühne zu gelangen, hatte ich eine sehr geile, mittige Position vor der Bühne, von der man wirklich einen richtig guten Blick hatte. Ich gestehe, nur einige Songs von Svalbard gehört zu haben, aber die waren wirklich gut. Alles lief wie am Schnörkel! Die Band betrat sichtlich motiviert die Bühne und rasierte erstmal sämtlichen Metallern der ersten zwei Reihen die Haare so ungestüm, wie sie loslegten. Tatsächlich erblickte ich erste Haaransätze, die geschüttelt wurden. Der recht gefällige Black Metal, der von Svalbard zelebriert wurde, wusste durchaus zu gefallen. Die stetigen Tempowechsel sorgten immer wieder für Auflockerung, und die ruhigeren Parts, die eingestreut wurden, legten eigentlich immer den Grundstein für den nächsten musikalischen Orkan, der pünktlich wie eine Schweitzer Uhr folgte. Es wurden Songs ihrer bisher zwei erschienenen Alben gespielt, und so ein guter Überblick über ihr musikalisches Können abgeliefert. Besonders ihr 2023 veröffentlichtes Album The weight of the mask kann ich wirklich einem jeden Black Metaller ans dunkle Herz legen. Unter tosendem Applaus verließen sie immer noch sichtlich motiviert und geladen die Bühne.

Die Hitze im Werk wurde fast unerträglich vorne an der Bühne, und auch die vielen Leute um mich herum waren recht froh über eine Umbaupause, so eilten sie scharenweise nach draußen. Ich hatte mich extra beeilt, um wieder einen guten Platz zu ergattern, als ich feststellen musste, dass es wieder nicht so ganz ohne Kampf gehen würde. Diesmal war es mir aber nicht so wichtig, da Alcest für mich in erster Linie eine spirituelle Erfahrung ist. Ihr ätherischer Klang ist wie gesagt eine innere Erfahrung und lässt durchaus auch ohne gute Sicht nichts am Genuss einbüßen. Als die Band die Bühne betrat, brach ein Jubelsturm im Werk aus. Endlich sind sie da, und die Reise konnte beginnen. Ein wenig Platz erkämpfte ich mir doch, da ich vorhatte, ein wenig zu bangen. Nach den ersten Lauten des Eröffnungstracks „Komorebi“ von ihrem zuletzt veröffentlichten Album begannen sich meine Härchen samt Gänsehaut gen Himmel zu richten. Sehr gut gewählt der Titel, denn er gibt die musikalische Marschrichtung an. Alles was man an Alcest schätzt, in einem Song verpackt. Tempowechsel hie und da, perfekt aufeinander abgestimmte Instrumente und über allem dieser ätherische Gesang von Neige, an dem man sich in 1000 Jahren nicht satthören könnte. Wenn das der Einstieg war, dann würde das Folgende sogar noch besser werden, und ich verrate euch, so war es. „L´envol“ und „Améthyste“, ebenfalls von ihrer letzten Veröffentlichung, sind einfach purer ekstatischer Genuss. Man muss einfach die Augen schließen und sich der Musik hingeben. Melodien, die den Äther durchbrechen und so zutiefst melancholisch sind, dass man wünschte, der Moment würde ewig währen. Auch wurde hie und da auf den Black Metal Gesang zurückgegriffen, was mich als Liebhaber der ersten Stunde natürlich sehr gefreut hat. Es geht nichts über einen Wechsel von Kreischen in den Klargesang. Mittlerweile war ich schon recht gut bei den Headbangern dabei! „Protection“ und „Sapphire“ vom Album Spiritual instinct sind Brecher der Güteklasse A! Vor allem „Protection“! Dieser Song kommt den älteren Veröffentlichungen von Alcest am nächsten. Ruhige Parts im stetigen Wechsel mit hypnotisierend schweren Post Black Metal Wänden, die einen an selbige nageln. Ein weiterer großer Pluspunkt von Alcest ist die Songlänge, die selten unter sechs Minuten liegt, so kann man sich ausgiebig hingeben. Völlig fassungslos stand ich vor der Bühne und konnte mein Glück kaum fassen, Alcest wieder live zu sehen! Mit „Écailles de lune – Part 2“ wurde auch ein sehr verträumtes Stück vom Album Écailles de lune gespielt. Ein sehr eindringliches und zugleich gefällig nachdenklich melancholische Stück, das mit knapp zehn Minuten Spielzeit wie eine angenehme Trance wirkte. Sehr imposant das Stück! „Flamme Jumelle“ überzeugt auch auf ganzer Linie! Diese immer wiederkehrenden Melodien sind einfach wundervoll. „Le miroir“ ist fast schon rituell. Fast wie in der Klassik wird hier mit laut/leise gespielt. Eine einnehmende Melodie am Anfang leitet zum mittleren Teil, der lauter wird und fast schon wie ein Aufbäumen klingt. Die Mannen auf der Bühne waren selbst so sehr in die Musik vertieft, wie alle im Werk. Es hatte fast ein wenig etwas Sakrales (vielleicht das falsche Wort, aber ich hoffe, ihr wisst, was ich meine). Eines meiner persönlich absoluten Highlights war „Souvenirs d’un autre monde“ von ihrem Debütalbum Souvenirs d´un autre Monde. Das war mein Einstig in die Welt von Alcest. Ein Song, den ich bestimmt schon an die hunderte Male gehört habe und er bei keinem einzigen Mal an Magie verliert. Melancholisch zwar, aber immer mit einem Spalt für etwas Licht. Eine Mischung, die nur wenige Bands zu erzeugen vermögen. „Oiseaux de proie“ von ihrem Album Kodama hat die Haare, die ich weiter oben erwähnte, noch zu Ende rasiert. Ein rasend schneller Black Metal Brecher mit einem heftigen mittleren Part, der einem die Knochen zusammenzucken lässt. Schön roh und misanthropisch! Begeistert ob des Publikums bedankte sich Neige sehr höflich bei den Konzertbesuchern für ihr Erscheinen, und man stelle sich vor, sie würden die Bühne verlassen. Das taten sie tatsächlich, aber es dauerte gefühlt nicht einmal drei Sekunden, bis das Publikum eine Zusage forderte (und dies sehr lautstark). Alcest betraten also wieder die Bühne und spielten ihren den für mich besten Song von Alcest. „Autre temps“ war das perfekte i-Tüpfelchen auf einem sehr geilen Konzert. Man muss einfach niederknien und den Sound durch den gesamten Körper wandern lassen. Das letzte Stück des Abends hieß passend „L‘ adieu“. Ein warmes Instrumental, dass einem mit dem Gefühl nach Hause schickte, etwas Wundervolles erlebt zu haben.

Fazit: Eine sehr gute Location, tolles Publikum und ein Abend, der einem noch lange in Erinnerung bleiben wird. Alle Bands haben ihr Bestes gegeben und das Publikum mitgerissen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Playlist Alcest:
1 Komorebi
2 L‘ Envol
3 Améthyste
4 Protection
5 Sapphire
6 Écailles de lune – Part 2
7 Flamme jumelle
8 Le miroir
9 Souvenirs d’un autre monde
10 Oiseaux de proie
Zugaben:
11 Autre temps
12 L’adieu

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