Das Christkind und der Floh

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Als Josef mit Maria von Nazareth nach Bethlehem unterwegs war, kam der Engel Gabriel heimlich noch einmal vom Himmel herab, um im Stalle nach dem Rechten zu sehen. Der Erzengel stöberte alles kleine Getier aus dem Stall, die Ameisen und Spinnen und die Mäuse; es war nicht auszudenken, was geschehen konnte, wenn sich die Mutter Maria vorzeitig über eine Maus entsetzte! Nur Esel und Ochs durften bleiben.
Gut so. Aber nicht ganz gut, denn es saß noch ein Floh auf dem Boden der Krippe in der Streu und schlief. Dieses winzige Scheusal war dem Engel Gabriel entgangen, versteht sich, wann hat auch ein Erzengel je mit Flöhen zu tun!
Als nun das Wunder geschehen war, und das Kind lag leibhaftig auf dem Stroh, so voller Liebreiz und so rührend arm, da hielten es die Engel unter dem Dach nicht mehr aus vor Entzücken, sie umschwirrten die Krippe wie ein Flug Tauben. Etliche fächelten dem Knaben balsamische Düfte zu, und die anderen zupften und zogen das Stroh zurecht.
Bei diesem Geraschel erwachte aber der Floh in der Streu. Es wurde ihm gleich himmelangst, weil er dachte, es sei jemand hinter ihm her, wie gewöhnlich. Er fuhr in der Krippe herum und versuchte alle seine Künste, und schließlich, in der äußersten Not, schlüpfte er dem Kinde ins Ohr.
„Vergib mir“, flüsterte der atemlose Floh, „aber ich kann nicht anders, sie bringen mich um, wenn sie mich erwischen. Ich verschwinde gleich wieder, göttliche Gnaden, laß mich nur sehen, wie!“ Er äugte also umher und hatte auch gleich seinen Plan. „Höre zu“, sagte er, „wenn ich alle Kraft zusammennehme und wenn du stillhältst, dann könnte ich vielleicht die Glatze des heiligen Josef erreichen, und von dort weg kriege ich das Fensterkreuz und die Tür…“
„Spring nur!“ sagte das Jesuskind unhörbar, „ich halte stille!“
Und da sprang der Floh. Aber es ließ sich nicht vermeiden, daß er das Kind ein wenig kitzelte, als er sich zurückdrückte und die Beine unter den Bauch zog.
In diesem Augenblick rüttelte die Mutter ihren Gemahl aus dem Schlaf. „Ach, sieh doch“, sagte Maria selig, „es lächelt schon!“
(Karl Heinrich Waggerl – aus Es begab sich)
Diese wunderbare kleine Geschichte hat uns BlackThoughts geschickt, die auch das Bild gemacht hat. Vielen Dank!

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