Ein Splatterfilm für die Ohren
Wenn es um Extreme Metal geht, dann kommt mensch an Aborted sicherlich nicht vorbei, die 1995 im belgischen Beveren-Leie von Sänger Sven de Caluwé gegründet wurden. Als Goregrind Band haben sie mit Alben wie Goremageddon und RetroGore neue Maßstäbe gesetzt. Die Liste der ehemaligen Mitglieder ist quasi endlos, aktuell dabei sind Gitarrist Ian Jekelis, Bassist Stefano Franceschini, Drummer Ken Bedene und Neuzugang Daníel Máni Konraðsson an der Gitarre.
Aborted entführen auf Vault of horrors in die glorreiche Zeit der VHS-Horrorfilme, denn jedem Song liegt ein Film zugrunde. Horrorfilme als Inspiration sind nicht neu, haben aber im Metal eine lange Tradition. Neu hingegen ist der Umstand, dass für tatsächlich jeden Song ein namhafter Kollege als Gastsänger eingeladen worden ist. Neu ist auch die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Dave Otero, der von seinen Arbeiten mit Extreme-Metal Acts wie Archspire, Vitriol, Cattle Decapitation und Khemmis bekannt sein dürfte. Das kann also nur ein Gemetzel werden.
„Deadbringer“ beruht auf The Thing und beginnt mit einem schönen Intro, das eine*n in die Irre führt und mal so gar nicht auf das Kommende vorbereitet. Denn eine wahre Kakophonie aus Gitarren und Drums bricht nun herein, stimmlich unterstützt von Ben Duerr (Shadow Of Intent). Weiter geht es mit „Condemned to rot“ und Francesco Paoli (Fleshgod Apocalypse). Ultrabrutaler Death Metal gepaart mit dissonanten Riffs weckt die Untoten in Return of the Living Dead. Eine friedhofsgerechte „haunting atmosphere“ unterstreicht das Ganze. „Brotherhood of sleep“ mit Johnny Ciardullo (Bastian, Carcosa) offenbart Anleihen beim Black Metal, durchaus passend für Prince of Darkness. Ein mächtiger Breakdown unterteilt das Stück, den das furiose Finale noch einmal toppt. Ebenso herausstechend ist, wie Alex Erian (Despised Icon) in Caveman-Manier „Death Cult“ brüllt zu Ehren von Texas Chainsaw Massacre, vielleicht deswegen insgesamt mein Favorit. Einen enormen Groove entwickelt „Hellbound“ mit Matt McGachy (Cryptopsy), und tolle Gitarrenausflüge unterstreichen dabei den Aufttitt von Hellraiser. Die kombinierten Stimmen klingen wie aus der Hölle.
Es folgt „Insect politics“, das The Fly mit metallischen Hardcore-Anleihen interpretiert, kurz und brutal auf den Punkt, abgerundet durch das Gekeife von Jason Evans (Ingested). Nun wird „The Golgathan“ durch kleine symphonische Einsprengsel bereichert, passend zum kirchlichen Dogma, das jedoch durch die spitzen Schreie von Hal Microutsicos (Engulf, Blasphemous) durchlöchert wird. „The shape of hate“ mit Oliver Rae Aleron (Archspire) ist eine brachiale Dampfwalze, ebenso unaufhaltbar wie Michael Myers in Halloween. Das Highlight aber ist das krasse Solo von Konráðsson. Auf „Naturom Demonto“ gibt sich David Simonich (Sign Of The Swarm) die Ehre. Für Evil Dead führen zunächst Double Bass Drums zu einem Breakdown, bevor schwungvolle Riffs das Kommando übernehmen. Mit schöner Atmosphäre wird zu „Malevolent haze“ übergeleitet, das zum Abschluss ein heftiges Blast Beat Gewitter entfesselt, bevor Ricky Hoover (Ov Sulfur, Ex-Suffokate) schwer durch den Nebel von The Mist stapft. Ein toller Abschluss.
Fazit: Das ist in der Tat Gemetzel, und was für eins. Ein Splatterfilm für die Ohren. Aborted erzeugen auf Vault of horrors eine absolut brachiale Intensität, wie sie sich – auch im extremen Metalbereich – nur selten finden lässt. Die Produktion von Dave Otero verzichtet weitgehend auf feine Nuancen, sondern fährt quasi permanent mit allen Reglern Anschlag und erzeugt so beinahe durchgehend einen enormen Druck. Insofern ist Vault of horrors fast schon eine körperliche Erfahrung, die aber angenehm ausfällt, ähnlich wie nach einem Workout. Die kleinen symphonischen Ausflüge wirken wie von modernen Deathcore Bands wie Lorna Shore inspiriert, aber ohne sich anzubiedern. Dabei liefern diese nicht nur Frische und Abwechslung, sondern auch willkommene Atempausen. Die Gastsänger sind anfangs nicht immer zu erkennen, dafür braucht es mehrere Anläufe. Aber dann schälen sie sich ähnlich heraus wie die Erkenntnis, das Aborted trotz der engen Genregrenzen im Goregrind durch ihre Experimentierfreude neues Terrain erschließen.
Anspieltipps: Death Cult
Aborted – Vault of horrors
Nucluear Blast Records, Vö. 15.03.2024
MP3 10,00 $ erhältlich über Bandcamp
Splattered LP 27,99 € erhältlich über Nuclear Blast
Links:
https://www.goremageddon.be
https://www.facebook.com/abortedofficial
https://www.nuclearblast.com/de
Tracklist:
01 Deadbringer ft. Shadow Of Intent, Ben Duerr
02 Condemned to rot ft. Francesco Paoli
03 Brotherhood of sleep ft. Johnny Ciardullo
04 Death Cult ft. Despised Icon, Alex Erian
05 Hellbound ft. Matt McGachy
06 Insect politics ft. Jason Evans
07 The Golgathan ft. Hal Microutsicos
08 The shape of hate ft. Oliver Rae Aleron
09 Naturom Demonto ft. David Simonich
10 Malevolent haze ft. Ricky Hoover
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