Post Punk aus Bandung, ID

Bei ihrem Konzert Anfang Juni auf der Bühne des Stattpark Olga hatten sie den Raum von der zweiten bis zur letzten Minute kollektiv am Tanzen.Völlig unmöglich, sich der musikalischen Hochenergie zu entziehen, dem geklöppelten Geknüppel und den Melodien, sich weniger mitreißen zu lassen als die Band selbst und besonders als Karina am Mikro, und warum sollte eins auch? Ein paar Tage drauf höre ich mir zuhause ihre neue EP an, in Ruhe, denk ich. Ruhe, Ruhe, Pustekuchen! An einem richtig schlechten Tag allein in meiner Küche kann ich wieder kaum anders als tanzen. Das starke Fläschchen Medizin heißt Panoptic Litter, die Band heißt Bananach, spielt Garage (Post) Punk und wohnt in Bandung in Indonesien, wenn sie nicht gerade irgendwo anders Krach machen.

Garage Punk und Post Punk sind dabei nur dankbare Begriffe zur Orientierung, weil sie so viele Möglichkeiten und Einflüsse in sich vereinen. Auch die Musik von Bananach ist wie eine Legierung, aber immer, bevor sie ganz durchmischt und erstarrt wäre: flüssig, homogen-inhomogen, schillernd. Eins kann Riot grrrl raushören, Fuzz, Metal, Noise, hier und da vielleicht auch etwas Prog, Psychedelic oder Stoner (hypnotisch ist es eh!). Von den fünf Songs der EP lässt es nur „Doubt“ etwas ruhiger angehen, wenn „ruhig“ auch gewitterschwere Drums und Gitarre bedeuten kann, ein melancholisches Nicht-Liebeslied. Die anderen vier Songs rennen verwinkelt und um die Ecke graderaus in die Fresse. Vom cinematographischen Opener „Lethal Messy“ über das kantige, harte „Sick Mind“ und das völlig nicht-nicht-tanzbare „Bigot dance“ bis zum bitterbösen „Virgin fuckboi“ – manchmal kommen bei mir Reminiszenzen an Sleater Kinney und die kleine große Lieblingsband The Spook School auf. Manchmal denke ich, wie es wohl klänge, wenn PJ Harvey eine Post-Punk-Band hätte? Aber das sind alles halt nur so meine Hörgewohnheiten (und was ist deine Lieblingskrachband?), und am Ende klingen Bananach wie Bananach und ziehen alle Register, an den Instrumenten wie beim mal klaren, mal fast gesprochenen, mal geshouteten Gesang.
Eine Assoziation habe ich aber fast durchweg, und das ist die mit Iggy & The Stooges – sicher, weil diese Referenz bei komplex-rohem Garage Punk halt nicht fern liegt, wenn er denn richtig gut ist; sicher manchmal von der Art zu singen her. Aber vor allem und massiv sind es Stimmung und Einstellung: Feststecken in den Verhältnissen und Frustration und Zusammenbruch und absolute Lebensbejahung und radikale Energie und alles auf die 10 und dann drüber raus. So kurz es ist, Panoptic Litter ist für mich eines der besten Alben des Jahres. Und ein Sommeralbum für Menschen, die den Sommer nicht unbedingt lieben, aber ihn, fuck yeah!, leben.

Kleiner Exkurs zum Schluss. Da eingangs die Rede vom Stattpark Olga war, die München im letzten, immer noch konzertarmen Sommer mit einem fabelhaften Gig von Kursk ein kleines Stück Freiluft-Maschinenfest bescherten, jetzt Bananach ihre Bühne boten und überhaupt der Ort für viele, sehr besondere Konzert- und Kulturerlebnisse waren und sind: Der Wagenplatz muss im Herbst wieder einmal den Standort wechseln, und wieder einmal ist unsicher, ob und wohin die Reise im Münchner Stadtgebiet diesmal geht. München macht es alternativen Lebensentwürfen und Orten, an denen Sub- und Gegenkultur Platz hat (und dann am Ende noch ohne Bezahlzwang! Einfach so für alle! Wo kommen wir da hin, da könnte ja jede*r kommen!!) bekanntlich gerne so schwer wie möglich. Aber München braucht dringend die wenigen kleinen, nicht-kommerziellen Bühnen und Begegnungsorte, die es überhaupt noch hat, Orte, an denen die interessantesten und nicht die bekanntesten Bands spielen, und München braucht Olga! Den Stand der Dinge bzw. der Standortsuche und Möglichkeiten, etwas beizutragen, könnt ihr auf der Homepage des Stattparks nachlesen.

Anspieltipp: Bigot dance, Sick mind

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Bananach: Panoptic litter
Vö. 25. Mai 2022
Download bei Bandcamp ab ca. 7 Euro

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Tracklist:
01. Lethal messy
02. Sick mind
03. Bigot dance
04. Doubt
05. Virgin fuckboi

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