Es gibt sie doch, die Sterne in Athen

Night-in-AthensDie in London lebende griechische Musikerin Tina Boleti war schon zu Gast in unserem Webzine (Link), ist mir aber leider irgendwie durchgerutscht. Sie hatte eine klassische Ausbildung am Klavier, versuchte sich auch einmal am Schlagzeug und war Keyboarderin bei mehreren Bands, bevor sie 2020 Night In Athens als eigenes Projekt ins Leben gerufen hat. Nach drei EPs und einem Album als Self-Release ist letztes Jahr ihr offizielles Debütalbum Wasted reflektions bei Danse Macabre erschienen.

Als der Sprechgesang von Boleti beim Opener “Pale rose” einsetzt, trifft mich fast der Schlag. Ich hätte sie direkt für Anne Clark halten können. Die Stimmfarbe passt nahezu perfekt, und auch der elektronische Sound hätte gut in die Frühzeit der Queen of Darkwave gepasst. Doch spätestens mit “Nightshades” löst sich diese Illusion auf, denn Tina Boleti präsentiert hier ihre tolle Singstimme. Außerdem wird ein filigranes Gitarrenspiel in den Sound integriert, das vom Post Punk her stammen könnte. Ein mysteriöses Flüstern leitet schließlich das Titelstück “Wasted reflektions” ein, bevor zu einer kleinen verwunschenen Melodie wieder der Sprechgesang einsetzt. Das Stück wirkt wie eine Lyrikvertonung. Das folgende “Your shadow” besitzt eine wunderbar feinfühlige Cold Wave Atmosphäre. Ich schließe dazu die Augen, wiege mich im Sound und lasse die Welt für den Moment zurück. Zumindest bis “Pressure” einsetzt, denn der Beat reißt mich schlagartig in die Realität zurück. Das ist aber nicht unangenehm, sondern eher anregend. Anne Clark trifft hier auf einen härteren Sound à la Dance Or Die.
Im Anschluss muss ich in “Words unspoken” das tolle Gitarrenspiel hervorheben, das ganz nach Post Punk klingt, wobei die Musik selbst irgendwie zwischen Dark Wave und Dark Pop changiert. Auf jeden Fall ist das eine sehr gelungene Kombi. Das mitreißende “Sheeeee” ist wieder richtig tanzbar und geht mir sofort in die Beine. Siouxsie Sioux könnte hier als Patin gedient haben. Außerdem sorgt das eingesetzte Theremin für einen ganz eigenen Sound und weckt Erinnerungen an No More. Auch “Frozen landscape” steht dem in nichts nach. Zu dem pulsierenden Rhythmus gesellt sich warmer Darkwave-Gesang, und nach 80er klingenden Synthesizer runden alles ab. Zum Abschluss klingen die “Emotions” wieder stark nach Anne Clark, was eben vor allen Dingen an der Stimme liegt. Zusammen mit der pumpenden Elektronik und den atmosphärischen Keyboards ist dies noch einmal ein toller Track für den Clubeinsatz.

Fazit: Night In Athens vermischt auf Wasted reflektions Cold Wave, Post Punk und Elektro zu einem ebenso unnachahmlichen wie unwiderstehlichen Album. Während die Zutaten an sich hinlänglich bekannt sind, so ist das Ergebnis eine durchaus eigenständige Mischung, die alles andere als aufgewärmt klingt. Die Songs sind abwechslungsreich und decken dabei die ganze Bandbreite der Emotionen des dunklen Spektrums ab. “Keine Sterne in Athen” sang einst Stephan Remmler. Wie er sich dabei getäuscht hat.

Anspieltipps: Words unspoken, Sheeeee, Emotions

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Night In Athens: Wasted reflektions
Danse Macabre, Vö. 01.07.2024
MP3 7,00 €, Tape 12,00 € erhältlich über Bandcamp
CD 13,00 €, LP 22,00 € erhältlich über Wave Records

Links:
https://www.instagram.com/night_in_athens/
https://www.facebook.com/nightinathensband
https://nightinathens.bandcamp.com/
https://dansemacabre.de/

Tracklist:
01 Pale rose
02 Nightshades
03 Wasted reflektions
04 Your shadow
05 Pressure
06 Words unspoken
07 Sheeeee
08 Frozen landscape
09 Emotions

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