Herbsttraurigkeit statt Urlaubsfeeling
Das Grundgerüst der 2015 gegründeten Band Visions In Clouds aus dem schweizerischen Luzern bilden Sänger und Gitarrist Pascal Zeder und Drummer Simon Schurtenberger. Bereits mit ihrer EP Levèe en masse hatten sie mich begeistert (Link zur Review). Für das neue und mittlerweile dritte offizielle Album Leave me, das bei Icy Cold Records erschienen ist, haben sie außerdem Leandra Reiser und Florian Estermann zur Unterstützung ins Boot geholt. “Don’t leave me” oder “Leave me alone”, das kann vielfältig interpretiert werden.
“Backfired” eröffnet das Album mit einem beschwingten aber entspannten Popsong, der sich mit seinen Anleihen in den Achtzigern langsam ins Ohr eingräbt. Etwas Ähnliches ließe sich auch über “Drug of my choice” sagen, doch dessen schlichte Melodie transportiert eine gewisse Traurigkeit. Der Gesang dazu treibt die Melancholie auf die Spitze. Mit “What is wrong (with the world)” gibt es einen kleinen Break durch den maschinellen Rhythmus, der auf mich fast wie eine zu schnell tickende Uhr wirkt. Wie passend, denn auch die Welt tickt momentan zu schnell. Simon läuft dabei zum menschlichen Drumcomputer auf, Respekt dafür. Die Keyboard-Flächen halten den Song aber im Zaum, und zusammen mit dem Gesang von Pascal entwickelt sich eine Cold Wave Atmosphäre. Der Titel “Aperol” klingt nach Sommerhymne, doch weit gefehlt. Hier herrscht kein sattes Orange vor, sondern trotz der schön integrierten Trompetenklänge bleischwere graue Tristesse. Herbsttraurigkeit statt Urlaubsfeeling.
Nun folgt das Zwischenspiel “Interlude”, und mit frischem Wind startet “Life in rewind”. Teile vom Gesang übernimmt dabei die Berlinerin Larasüß, deren Stimme einfach so perfekt zu dieser melancholischen Pop Hymne passt, dass ich wünschte, diese Zweistimmigkeit würde fester Bandbestandteil. Im Anschluss tendiert “Lonely ways” mehr in Richtung Post Punk, integriert aber auch blubbernde Synthesizer in den Sound, die mich an Erasure erinnern. Was ich bisher nur erahnt hatte, wird bei “Lose you” für mich deutlich: eine moderne Annäherung an The Smiths. Ein toller Song, in dem ich mich richtig fallen lassen kann. Zum Abschluss wird “Healing” richtig tanzbar, und gleichzeitig verliere ich dabei den Bezug zu Raum und Zeit. Ich bin einfach glücklich traurig zu sein, ein Gefühl, dass wohl nur Gothics richtig nachvollziehen können.
Fazit: Visions In Clouds bleiben ihrem Sound grundsätzlich treu, also irgendwo zwischen Synthiepop, Wave und Post Punk. Und doch lässt mich Leave me etwas gespalten zurück. Die erste Hälfte ist bei Weitem nicht schlecht, sondern durchaus gewohnt gut mit schönen Songs. Aber irgendwie sind es für mich keine zwingenden Hits. Die zweite Hälfte jedoch räumt so richtig ab, die finde ich wirklich herausragend. Am besten macht ihr euch ein eigenes Bild. Wer die Melancholie von The Smiths und Herbsttraurigkeit statt Urlaubsfeeling mag ist hier auf jeden Fall richtig.
Anspieltipps: Life in rewind, Lose you, Healing

Visions In Clouds: Leave me
Icy Cold Records, Vö. 09.05.2025
MP3 9,00 €, CD 14,00 €, LP 23,00 € erhältlich über Bandcamp
Links:
https://www.facebook.com/viclucerne/?locale=de_DE
https://www.instagram.com/visionsinclouds/
https://visionsinclouds.bandcamp.com/album/leave-me
https://icycoldrecords.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/icycoldrecords/
Tracklist:
01 Backfired
02 Drug of my choice
03 What is wrong (with the world)
04 Aperol
05 Interlude
06 Life in rewind
07 Lonely ways
08 Lose you
09 Healing
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