Folge dem Faden
Vlimmer ist das musikalische Projekt des Berliners Alexander Leonard Donat, der mit Blackjack Illuminist Records außerdem sein eigenes Indie-Label betreibt. Schon zuvor bin ich auf sein zweites Album Menschenleere aufmerksam geworden (Link zur Review), das im weiteren Sinne im Bereich von Post Punk angesiedelt ist. Mit Bodenhex ist bereits letztes Jahr das vierte Album erschienen, also bin ich auf die Entwicklung gespannt.
“2025” eröffnet das Album mit sanfter Percussion, die aber einem komplizierten Rhythmus folgt. Synthieflächen begleiten dabei die sanfte Stimme von Alexander. Im letzten Drittel überrascht mich das Schlagzeug, das mich latent an Black Metal erinnert, auch wenn es nicht brutal in den Vordergrund gemischt ist. Im Anschluss steht der ruhige Gesang im absoluten Kontrast zur hektischen Elektronik bei “Überrennen”. Da könnte mensch sich tatsächlich von den Industrial-Elementen überrannt fühlen. Dafür plätschert “Vielzuviel” eher gemächlich dahin und bietet ein schönes Gitarrenspiel, geht aber im Vergleich etwas unter. “Lichtbruch” hingegen lässt direkt aufhorchen mit dem Cold-Wave-Beginn und der teils weiblich klingenden Stimme. Außerdem scheint etwas von “Lovecats” von The Cure durchzuschimmern. Etwas experimenteller geht es nun bei “Latenzsog” zu, dessen abgefahrene elektronische Klänge hervorstechen.
“Endpuzzle” ist ruhiger gehalten und erinnert mich teilweise an Filmmusik. Darin droht sich das Stück trotz der gewissen Dramatik im Gesang zu verlieren, doch dann setzt diese wie im Film überraschende Akzente. In “Mauerkipp” dominieren wieder die percussiven Elemente, während die harmonische Grundstimmung von “Sinkkopf” durch Noise-Elemente gestört wird, was eine Nähe zu A Place To Bury Strangers offenbart. Nach einem Break steigert sich zudem die Dramatik. Elektro übernimmt die Oberhand in “Mondläufer”, das sich zudem durch eine ungewöhnliche Gesangslinie auszeichnet. Teils erinnert mich das an die Einstürzenden Neubauten. Zum Abschluss liefert “Fadenverlust” nun tatsächlich ein überraschendes Double-Bass-Gewitter aus dem Black Metal, und trotzdem klingt es mit dem getragenen Gesang ganz nach Vlimmer. Im Kontext des Albums fügt es sich auch schlüssig ein.
Fazit: Bodenhex von Vlimmer ist insgesamt betrachtet ein eher ruhigeres Album, das es den Hörer*innen trotzdem nicht leicht macht. Ich empfinde es irgendwie als recht sperrig und im ersten Moment teils sogar ein wenig anstrengend. Es braucht seine Zeit, sich damit richtig zu befassen, was in unserer schnelllebigen Zeit immer schwieriger wird. Erst nach und nach erschließen sich die Ideen und Feinheiten. Vlimmer hat viel experimentiert, Vorangegangenes bewusst aufgebrochen und sich gewissermaßen neu erfunden. Post Punk, Wave, Elektro, Industrial, Filmmusik und sogar Black Metal wird hier höchst eigensinnig miteinander verwoben. Bodenhex ist kein Album zum Nebenherkonsumieren, was vermutlich auch die Zielsetzung gewesen ist. Stattdessen muss mensch dem Faden des Albums folgen bis zum Ende.
Anspieltipps: Lichtbruch, Fadenverlust
Vlimmer: Bodenhex
Blackjack Illuminist Records, Vö. 25.10.2024
MP3 7,00 €, Tape 8,00 €, LP 23,00 € erhältlich über Bandcamp
Links:
https://www.instagram.com/blackjackilluminist/
https://www.facebook.com/Blackjack.Illuminist/info/
https://blackjackilluministrecords.bandcamp.com/
Tracklist:
01 2025
02 Überrennen
03 Vielzuviel
04 Lichtbruch
05 Latenzsog
06 Endpuzzle
07 Mauerkipp
08 Sinkkopf
09 Mondläufer
10 Fadenverlust
(228)
Hinterlasse ein Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!