Die Autodidaktin

Münter Plakat

Gabriele Münter (1877–1962) meint man zu kennen. Man bringt sie in Verbindung mit der Künstlervereinigung Blauer Reiter und mit Wassily Kandinsky, ihrem langjährigen Lebensgefährten. Das Lenbachhaus zeigt im Kunstbau eine sehr umfassende, sehr liebevoll zusammengestellte Werkschau, die uns eines Besseren belehrt. Hierbei wird nicht chronologisch vorgegangen sondern thematisch. Es werden Exponate aus allen Schaffensphasen Münters ausgestellt, zusammen mit gesammelten Erinnerungen von Reisen, mit Basteleien und Kinderzeichnungen und vor allen Dingen auch mit Fotografien.
1886 war schon der Vater verstorben, als 1897 auch noch die Mutter starb, begaben sich Gabriele Münter und ihre Schwester, durch das Erbe finanziell unabhängig, zu Verwandtschaftsbesuchen in die USA. Münter begann damals erst zu fotografieren, hatte aber ein ausgezeichnetes Händchen für Motive. Alltag, Arbeitsleben, Landschaften und vor allen Dingen witzige Situationen hat sie mit der Kamera eingefangen. Ich denke an die Fotos von den Mädchen, die gerade eine Theaterszene parodieren, oder an das kleine Mädchen, schick ausstaffiert, die sich heimlich am Popo kratzt. Man sagt, ihr malerischer Blick sei durch die Fotografie geschult worden. Was sie sah, wurde umgesetzt, direkt und klar, ohne Umschweife.
In zehn thematischen Sektionen wird Münters Gesamtwerk gezeigt, dabei kann man ihre künstlerische Entwicklung sehen. Oftmals malt sie ein Motiv mehrmals hintereinander, mit leicht variierten Farben, in einem anderen Stil. In den 1930ern dienen plötzlich Arbeiter, Bagger und Bauarbeiten als Motiv, seltsame Gegenstände, und Ausführungen sowie Farben. Aber es handelt sich dabei um die Bauarbeiten an der Strecke für die Olympischen Winterspiele 1936. Insofern sagt man, dass diese Bilder politisch seien. Zur Zeit des Nationalsozialismus blieb dann nur noch der Rückzug ins Private, was sich in ihren Gemälden wiederspiegelt.

Mehr als die Hälfte der 130 ausgestellten Gemälde wurden noch nie in einer Ausstellung gezeigt. Sie stammen aus dem Nachlass von Gabriele Münter, sind private Leihgaben oder aus Sammlungen großer Museen. Wenn man viel Zeit mitbringt, kann man sich sogar Sequenzen aus Filmen ansehen, die Münter gesehen hat. Sehr lohnenswert ist auch der ca. 50-minütige Film über die Entstehung der Ausstellung mit einem Blick auf Münter als Künstlerin und Privatperson. Er wird im Erdgeschoß des Lenbachhauses in einem Loop gezeigt.

Wer noch etwas in die Tiefe gehen und mehr von dieser faszinierenden Frau erfahren will, kann in Murnau das Münter-Haus besichtigen. 1909 hat sich Gabriele Münter dort ein Haus gekauft. Hier lebte und arbeitete sie anfangs mit Kandinsky, hier empfingen sie Mitglieder des Blauen Reiter. Der Erste Weltkrieg zwang sie ins Exil, Gabriele Münter kehrte aber wieder nach Murnau zurück. Nach der Trennung von Kandinsky war sie einige Jahre etwas aus der Bahn gebracht. Die Bilder, auf denen sie oft so schwermütig schaut, verbindet man mit dieser Zeit. Doch das alleine ist nicht Gabriele Münter. Sie reiste viel, arbeitete viel, sprach mehrere Sprachen und hatte ein Netzwerk. Sie war im Prinzip ihrer Zeit voraus. Mit ihrem zweiten Mann, dem Philosophen und Kunsthistoriker Johannes Eichner, lebte sie zusammen bis zu seinem Tod, 1958. Ihr gemeinsames Grab befindet sich in Murnau.

„Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife“
Lenbachhaus München, Kunstbau
Di 10-20 Uhr, Mi-So und feiertags 10-18 Uhr
Ausstellung noch bis 8. April 2018
Um Warteschlangen zu vermeiden, kann man Tickets vorab online kaufen, es werden Zutrittszeitfenster vergeben.
Tagestickets 12 Euro.

 

www.ardmediathek.de/tv/Capriccio/Gabriele-Münter-Werkschau/BR-Fernsehen/Video?bcastId=14913352&documentId=47785534

 

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