Klick aus der Papiertüte

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Der 84-jährige Münchner Sepp Werkmeister ist in Jazzkreisen berühmt für seine Fotografien bekannter Größen wie Miles Davis, Ella Fitzgerald oder Louis Armstrong. Seine Fotos zieren viele Publikationen und Plattencover. Jahrzehntelang ist er wegen dieser Bilder in die USA zu Jazzfestivals gereist. Es sind wirklich beeindruckende Kunstwerke, denn Werkmeister hat den Moment abgewartet, bis der Künstler eins war mit seiner Musik, ganz in sich versunken.
Was er aber tagsüber gemacht hat, das war Fotografieren auf einer ganz anderen Ebene.

Er ist stundenlang durch New York gelaufen, seine Rolleiflex-Kamera bei sich, und hat Eindrücke eingefangen. Er hat die schicken und hippen Gegenden verlassen und war in der Bronx und in Harlem, und das in den 60er-Jahren, in denen Schwarze im Bestfall im Bus hinten sitzen durften und Weiße in Harlem nicht bedient wurden. „Auch gut, dann habe ich eben Fotos gemacht.“ meinte er im Stadtmuseum bei der Pressekonferenz zur Ausstellung. Werkmeister hat Gegensätze dargestellt: da gestylte, gelackte Reiche, chrom-verzierte, gewienerte Autos mit schwarzen Chauffeuren in stramm sitzenden Uniformen, dort eine Frau mit heruntergezogenem Höschen im Suff auf einer Parkbank schlafend, die Flasche noch neben sich, Männer in schmutzigen Klamotten unter Kellertreppen.

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Er hat Leute zur Arbeit eilend abgelichtet, Kinder in Harlem ausgelassen spielend, Damen mit Lockenwicklern, Freaks, Pärchen, Bosse, Transvestiten, Sekretärinnen, Geschäftsleute, Obdachlose. Es gibt fast nichts, was er nicht fotografiert hat. Man fragt sich, wie hat er das gemacht? Die überraschende Antwort: Er hat ein Loch in eine „Brown Bag“ geschnitten und darin die Kamera entsprechend drapiert. Wenn man bedenkt, dass man in den 60er-Jahren noch nicht mit Superzoom das Objekt der Begierde an sich heranholen konnte, sondern ganz nah hingehen musste, sind die Bilder frappierend. Es sind außerdem auch unglaubliche Zeitdokumente: die Häuser! Die Autos! Die Frisuren! Die Mode! Die meisten Bilder sind in Schwarz-Weiß, aber manche Motive schrien wohl förmlich nach Farbe. Verständlich, wenn man diese Bilder sieht: Die darf man wiederum nicht in Schwarz-Weiß bringen, sie sind zu schrill dafür!

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Hier war Werkmeister seiner Zeit weit voraus, andere berühmte Fotografen haben Farbe erst viel später benutzt.
Sepp Werkmeister hatte Kisten über Kisten voll mit diesen Bildern in seinem Keller. Mit Hilfe des Vereins „Kulturkontor“ kamen sie ans Tageslicht. 120 Bilder sind nun im Stadtmuseum im 1. Stock ausgestellt. Das Meiste in Schwarz-Weiß, es sind aber auch Farbfotografien und Jazzfotografien dabei, um das Ganze zu komplettieren.

Jeder, der sich auch nur ein bisschen für Fotografie interessiert, sollte diese Ausstellung genießen. Wer Street-Fotografie liebt, New York sehen will und sich für Zeitgeschichte interessiert: Anschauen! Sofort!

Dauer der Ausstellung: 31. Juli bis 27. September 2015

Ausstellungskatalog
Die Ausstellung im Stadtmuseum
Copyright Bilder: Kulturkontor / S. Werkmeister

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1 Kommentar
  1. Sabine
    Sabine sagte:

    Wirklich ganz großartige Ausstellung und hervorragende Bilder. Unbedingt reingehen – und hoffen, daß aus den Kellerarchiven des Photographen noch viel mehr solche Schätze ausgegraben werden …

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