Seit 2015 veröffentlicht Adam Usi mit seinem Solo-Projekt elektronische Klänge und verwebt in seinen Songs den Sound der 80iger mit eindringlichen Synthie-Melodien und markanten, vielseitigen Vocals. „Farce“ ist der neueste Track des Augsburger Künstlers und zeigt sein Gespür für synthgeladene emotionale Musikstücke, die berühren. Musik als Spiegel und Ventil der Emotionen – in „Farce“ verarbeitet Adam Trennung, Schmerz und Trauer. Das Video dazu ist von Morphosita – in unserem Interview mit der Künstlerin (hier) haben wir euch Morphositas Herangehensweise und die visuelle Umsetzung des Songs vorgestellt.
Im Band-der-Woche-Interview spricht Adam über „Farce“, das kommende Album Censored selfharm, die ersten musikalischen Erinnerungen, über musikalische Vorbilder und Hintergründe seines musikalischen Schaffens, die Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und sein Musikprojekt Die Internierung.

Wie ist dein Projekt entstanden?
Anfang 2015 hatte ich das erste Mal Berührung mit Bands wie Joy Division, The Human League, Die Selektion … um nur ein paar zu nennen. Ursprünglich hatte ich versucht, über Facebook und andere Plattformen Musiker*innen zu finden, die Lust haben, eine Postpunk-Band mit mir zu gründen. Vorher habe ich in diversen Bands gesungen bzw. Bass gespielt, auch hatte ich bereits mein Projekt Die Internierung mit einem Freund gegründet, das in Richtung Gothic geht. Jedenfalls hat auf mein Gesuch in einer Musikergruppe dann Marcel Leidenroth (CEO bei Y&C Records) geantwortet. Zunächst wollte er mit mir Musik machen, hat sich dann aber dagegen entschieden, weil er gemerkt hat, dass er einfach kein Musiker ist. Er hat mir dann aber den Kontakt zu Daniel Hallhuber (Mixing/Mastering bei Y&C Rec.) gegeben. Als ich das erste Mal mit Dani im Studio war – alles voller alter, analoger Synthesizer –, und ich mit auf die ersten Wave-Konzerte und Partys geschleift wurde, war ich sofort hooked. Also noch mehr Gear gekauft, innerhalb von zwei Monaten komplett autonom das erste Album geschrieben und anschließend in Augsburg in Daniels Studio aufgenommen. Rückblickend hatte ich riesiges Glück, dass meine Musik bei den richtigen Menschen gelandet ist, so konnte ich schon im ersten Jahr europaweit spielen und habe mich das erste Mal wirklich als Musiker wertgeschätzt gefühlt.

Beschreib deinen Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Wie klingt deine Musik?
Das kann ich nicht beantworten. Zumindest nicht musiktheoretisch. Ich denke meine Musik ist bedrückend, düster, aber auch poppig und einfach synthetisch – wie ein dystopischer Traum, den man aber lieber erlebt, als einen vermeintlich „guten“ Traum. Meine Stimme ist sicherlich recht eingängig, und ich liebe es mit Harmonien zu spielen, da kommt der poppige Aspekt her – gleichzeitig bin ich insgesamt ein schwieriger Typ, das spiegelt sich auch in der Musik wieder. Ich würde sagen, wenn etwas zu schön ist, muss ich es kaputt machen, weil ich es nicht wahrhaben kann oder will. Kontraproduktiv zu sein, findet sich auch in meiner Musik wieder, an irgendeinem Punkt wird immer etwas Schönes zerstört, oder die Texte sind so drüber, dass man sich darüber wundern möchte.

Was sind deine ersten musikalischen Erinnerungen?
Ich habe schon als Kleinkind auf Töpfen rumgehämmert und Texte mitgesungen, die ich (da englisch) gar nicht verstanden habe. Ich weiß noch, dass ich mit fünf Jahren auf einem kleinen Karaoke-Festival in meinem Kindergarten gesungen habe. Ich habe mich einfach geweigert nur Lip-Sync zu machen und tatsächlich gesungen – und den Preis ins Haus geholt.

Welchen Einfluss hat deine Umgebung auf deine Musik?
Meine Umgebung hat sicher einen großen Einfluss auf meine Musik. Ich habe immer wieder Field-Recordings (für die, die das nicht kennen: Man nimmt ein kleines Handmikrofon oder ähnliches mit nach draußen und nimmt Naturgeräusche und dergleichen auf) in meine Songs eingebunden. Zum Beispiel bei Track 10: Hier geht es ja um Vergewaltigung. Die Glocke, die immer wieder ertönt, ist aus einer Kapelle in einem Wald in dem Dorf, an dem ich mit besungener Person häufig vorbeispaziert bin. Ich finde es schön, Umgebung, ohne sie direkt zu benennen, in meine Lieder einfließen zu lassen. Seit dem Lockdown gehe ich viel mehr raus, fahre viel Fahrrad und gehe sogar ganz spießig wandern, vor allem aber gehe ich gerne auf Lost-Places. Die Emotionen, die solche Orte in mir auslösen, sind sicher auch Teil meiner Musik.

Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für dich die besten Musikstücke?
Aus Manien. Ich bin depressiv, habe aber immer wieder Ups, in denen ich meine geballte, gesammelte Ladung an negativer Energie rauslassen kann. Wenn es sich zu sehr aufstaut, muss es irgendwann raus. Ich habe aber auch schon gute Songs geschrieben, wenn mir einfach langweilig war, wenn ich sauer war, vor allem aber retrospektiv betrachtet aus tiefer Trauer heraus.

Was kannst du uns über deinen aktuellen Song „Farce“ und dein kommendes Album Censored selfharm erzählen? Wie entstehen deine Songs?
„Farce“ behandelt ein sehr düsteres Kapitel in meinem Leben. Nach vielen Jahren haben ich und meine Exfreundin uns voneinander getrennt. Das hat auch den ganzen Freundeskreis und damit meine komplette Lebenssituation durcheinander gewirbelt, zwei Umzüge, hin und her, viel schlechtes Gerede, viel Kompensation von meiner Seite und Probleme waren, und sind es sicher auch jetzt noch, die Folge davon. Es gibt aber auch viel Positives, das sich aus dieser Trennung ergeben hat. Ich habe endlich wieder die Kraft und die Zeit gefunden, Musik zu schreiben, habe mir in meiner neuen Wohnung ein Homestudio eingerichtet und bin an der Trennung gewachsen. Meine Songs entstehen, wie oben schon kurz erwähnt, aus verschiedenen Mindsets heraus. Ich glaube, meistens habe ich früher immer eine Melodie gehabt, die einen Text braucht. Ich habe alles mit analogen Geräten und ganz ohne Aufnahmemöglichkeit live gespielt. Heute hat sich das, und das gilt für das komplette neue Album, ein wenig geändert. Ich habe endlich die Möglichkeit, mehrere Spuren aufzunehmen, muss nicht mehr alles mit zwei Händen spielen, um dann darauf angewiesen zu sein, dass ich Zeit in Daniels Studio verbringen kann. Sondern, und das ist mega: Ich kann zu jeder Zeit und immer meine Musik selbstständig aufnehmen.

In welcher Beziehung steht und/oder repräsentiert der visuelle Aspekt deine Musik?
Das geht immer Hand in Hand. Für mein letztes Release habe ich selbst geschossene Analogfotografien mit verwendet (darauf gehe ich später nochmal genauer ein). Ich genieße es, wenn es um Musikvideos geht, mittlerweile aber mehr, anderen Künstler*innen den Vortritt zu lassen. Es macht Spaß, ein Musikstück und Texte abzugeben und zu sehen, was die Video-Artists damit anstellen (zum Beispiel Alessandra Morphosita oder Verstim Mungen). Früher habe ich auch selbst Videos produziert, das hat schon riesigen Spaß gemacht, aber ich merke einfach, dass ich das lieber abgebe und die neuen Resultate besser finde.

Die Einflüsse, die du in deiner Musik verarbeitest, würden wir die auch in deiner Plattensammlung oder auf deiner Playlist wiederfinden? Welche Musik hörst du gerade besonders gerne?
Ich höre wirklich unfassbar viel Musik und würde mich in der Hinsicht auch als absoluten Nerd bezeichnen. Sicher wird man merken, dass auch die Musik, die ich konsumiere, immer irgendwie düster oder melancholisch ist. Zumindest wird mir das oft kommuniziert – ich selbst kann weichgespülte Sachen oder unreflektierte sowie zu politische Kunst einfach nicht genießen, geschweige denn ernst nehmen.

Was ist die überraschendste CD /LP in deinem Regal?
Da gibt es sicher einige, aber ich stehe zum Beispiel total auf Sierra Kidd und habe mir sein neues Album NAOSU auf Vinyl geholt.

Alkohol ist bekanntlich auch keine Lösung – eine Alk-Kombination, nach der du ganz sicher keine Probleme mehr hast?
Gin-Tonic, Aperol-Spritz oder Whiskey-Sour. Ich mag aber auch klassisch Bier, Wein, Pfeffi und diverses anderes Zeug. Probleme entstehen von zu viel Alkohol, aber nie weniger.

Welches Instrument wird sicherlich NIE in einem deiner Songs zu hören sein?
Ich liebe alle Instrumente. 

Was bedeutet es für dich Musik zu machen? Gibt es noch andere Projekte, in die du so viel Kreativität und Leidenschaft steckst?
Musik machen ist das Ventil und die Hauptart für mich, mich auszudrücken. Es ist aber auch sehr bedrückend, seinem eigenen Anspruch zu unterliegen. Deswegen stecke ich gerade unter anderem sehr viel Zeit in Acrylmalerei. Vor allem hat es mir aber die Fotografie angetan. Ich fotografiere ausschließlich analog und entwickle meine Filme selbst, meistens mit Kaffee. Als nächstes ist geplant, mir eine kleine Dunkelkammer gemeinsam mit einem guten Freund einzurichten, damit wir die Negative dann auch ganz analog auf Fotopapier bekommen, und ich nicht mehr von Bestelldiensten oder meinem Scanner abhängig bin.

Was sind deine Pläne, was wünscht du dir?
Ich möchte endlich wieder auf Konzerte gehen und vor allem Konzerte spielen, dass sich meine private Situation endlich entspannt, und insgesamt möchte ich ein besserer Mensch werden. Natürlich will ich auch endlich mein Album fertig schreiben, aber das Release meines Nebenprojekts Die Internierung hat dann doch einiges an Ressourcen gefressen. Aber das war’s wert!

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