Aus einem Gedankenspiel ist ein Solo-Projekt geworden, das all die musikalischen Ideen und Emotionen bündelt, die über die Jahre in verschiedenen Bands keinen Platz fanden. Zwischen melancholischen Melodien und atmosphärischem Sound kreiert Fabio mit seinem Projekt Another Abyss Musik, die nahbar und vielschichtig ist. Klang als Emotion, Melodien, die berühren, ohne laut zu sein. Im Interview spricht Fabio über seinen kreativen Prozess, seine künstlerischen Einflüsse und die Gefühle, die seine Musik antreiben.

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Wer verbirgt sich hinter Another Abyss? Wie ist dein Projekt entstanden?
Another Abyss war von Beginn an als Soloprojekt geplant, das ich schon seit Jahren im Hinterkopf hatte. Ich spiele seit über 20 Jahren in Bands, angefangen von der ersten Schul-Bluesband, über Punk, Grunge bis zu absurden Metal-Sub Genres. Während der Zeit habe ich nicht nur Genres, sondern auch das Instrument oft gewechselt, meistens aber als Gitarrist, Sänger oder Bassist. Parallel zu dem Material der Bands habe ich schon immer Songs und Ideen aufgenommen, die nicht so wirklich einen Platz gefunden haben in den Band-Projekten, in denen ich zu dem Zeitpunkt gespielt habe. Die Texte und Sounds haben sich über die Jahre angesammelt und einen perfekten Grundstein gesetzt für Another Abyss.

Wie bist du auf den Bandnamen gekommen, und was bedeutet er für dich?
Der Bandname kommt von dem Song „To another abyss“ der Band Bad Religion. Ich war schon immer großer Fan, und als es daran ging, dem Projekt einen Namen zu geben, bin ich wieder über den Namen gestolpert, und er hätte nicht besser zu dem Gefühl passen können, das ich im Sinn hatte.

Was sind deine ersten musikalischen Erinnerungen? Woher kommen dein Interesse und die Faszination für Musik?
Wenn ich zurückdenke, kommt mir zuallererst italienische Popmusik aus den 70er- und 80er-Jahren in den Sinn, die mein Vater zuhause immer gehört hat. Nicht wirklich das, was ich jetzt in meiner Freizeit höre, aber es hätte schlimmer anfangen können. Wirklich interessant wurde es dann für mich Mitte der 90er, als MTV und Grunge groß waren. Ich hatte keine Ahnung, was ich da gehört habe, aber ich wusste, dass ich mehr davon wollte. Von dem Moment habe ich danach Ausschau gehalten und alles aufgesaugt, was in die Richtung ging. Irgendwann, nach monatelangem Betteln, hatte ich meine Eltern endlich soweit, und ich habe meine erste Gitarre bekommen. Von da an war schnell klar, dass ich die Gitarre nicht mehr aus der Hand legen werde. Die ersten Lieder, die ich gespielt habe, waren allesamt Nirvana-Songs. Rückblickend betrachtet vermutlich eher schlecht und wahrscheinlich furchtbar aus dem Takt, aber jeder kleine Erfolg hat mich angetrieben noch mehr zu lernen und immer besser zu werden.

Was ist Klang für dich?
Ein Gefühl, das eine körperliche Reaktion auslöst. Egal ob es Gänsehaut ist oder einen dazu bringt, sich bewegen zu wollen. Rhythmus und Melodie gehen Hand in Hand, und ich war schon immer fasziniert, dass man damit Leute mit auf eine Reise nehmen kann, die im Kopf von einem selbst begonnen hat.

Beschreib deinen Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Wie klingt deine Musik?
Die Songs werden getragen von der Melodie, in der immer ein bisschen Verzweiflung mitschwingt, und einer Spannung, die nie ganz aufgelöst wird. Ich versuche Nostalgie und Modernität zu etwas Neuem zu verbinden. Die Musik wirkt oft kühl, aber immer mit ein bisschen menschlicher Wärme. Alles zusammen erzeugt eine Atmosphäre zwischen Sehnsucht, Bewegung und stiller Intensität. Wie jemand, der spät nachts durch eine leere Stadt läuft und dabei Erinnerungen und Zukunftspläne gegeneinander abwägt.

Welchen Einfluss hat deine Umgebung auf deine Musik? Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für dich die besten Musikstücke?
Die Umgebung selbst hat nicht den größten Einfluss auf meine Musik, eher welches Gefühl sie in mir auslöst. Es sind meistens die ruhigen Momente, in denen ich allein bin und ich mich darauf einlassen kann. Etwas zu erzwingen funktioniert nie, das wirkt immer gestellt.

Was sind für dich thematische Inspirationen, die sich auch in deinen Texten niederschlagen?
Die Erfahrungen, die man manchmal ungewollt im Leben macht, und die Kämpfe, die man dadurch vor allem mit sich selbst austrägt. Seien es Verluste, vergebene Chancen oder das Gefühl nicht genug zu sein. Ich versuche keine Geschichten zu erfinden, sondern das einzufangen, das mich umtreibt.

Wie findet ein neuer Song seinen Anfang bei dir? Was bringt den Stein ins Rollen, und wie entwickelt sich daraus schließlich ein fertiges Stück?
Den Anfang macht meistens eine Melodie, die mir in den Kopf oder direkt aus den Fingern beim Spielen kommt. Man erkennt den Moment, wenn man etwas hat, das es wert ist weiter daran zu arbeiten. Das Riff gibt die Geschwindigkeit und oft schon die Grundstimmung vor, in der der Song sich bewegen wird. Von da an gehe ich etwas systematischer vor. Da ich komplett alleine arbeite, sehen meine Jam-Sessions ein wenig anders aus – der Grundstein ist ein simpler Drum-Beat über den ich das Riff lege. Das meiste Songwriting passiert im Kopf, mit der vorhandenen Melodie ist es meistens einfach, ein Motiv zu finden und darauf aufzubauen. Die Ideen übertrage ich dann zurück auf die Gitarre, Synth, Bass oder was auch immer sich richtig anfühlt in dem Moment. Von außen sieht der Prozess wahrscheinlich ziemlich chaotisch aus, aber wenn die Grundidee stark genug ist, findet sich der Weg zum fertigen Song. Der Text und die Gesangsmelodie kommen eigentlich fast immer, bis auf wenige Ausnahmen, zum Schluss. Mit dem Grundgerüst der Instrumente finden sich die restlichen Elemente durch weiteres experimentieren.

Welche künstlerischen Einflüsse außerhalb der Musik haben deine Herangehensweise an deine Musik beeinflusst?
Es gibt einige Künstler, deren Gemälde mir über die Jahre im Sinn geblieben sind. So gut wie alles von Zdzisław Beksiński, einige Werke von Dariusz Zawadzki oder auch Peter Birkhäuser. Ich kenne mich, was Kunst angeht, nicht besonders gut aus, ich weiß nur, was einen Eindruck bei mir hinterlassen hat.

Wenn du einen Film auswählen und deine Musik als Soundtrack einfügen könntest, welcher Film wäre das?
Die Frage hat mich eine Weile beschäftigt, und es kann eigentlich nur „Requiem for a dream“ sein. Viele der Szenen spiegeln ein ähnliches Gefühl wider, das sich in meinen Songs finden lässt. Ich habe in der Vergangenheit auch bereits Ausschnitte aus dem Film für verschiedene Videos verwendet, und es passt einfach.

In welcher Beziehung steht und/oder repräsentiert der visuelle Aspekt deine Musik?
Ich habe es immer geliebt, in Musikläden zu sein und neue Bands zu finden, in Alben reinzuhören, nur weil mir das Cover ins Auge gesprungen ist. Das ist heutzutage auf der einen Seite sehr viel einfacher geworden, da wir sofort auf alles zugreifen können. Aber es erschwert auch eine wirkliche emotionale Bindung zu bestimmten Songs oder Künstlern zu knüpfen, wenn es nicht sofort Klick macht. Glücklicherweise scheint sich das aber momentan etwas zu wandeln, und viele legen wieder Wert darauf, ihre Musik wieder zu besitzen.
Gehört zu werden ist weiterhin eines der größten Probleme als Musiker, die Gründe haben sich aber geändert. Jeder, der es möchte, könnte mittlerweile mit relativ kleinem Aufwand Musik produzieren. Das Angebot ist zu groß, aus dem Grund ist der visuelle Aspekt extrem wichtig, um sich von der Masse abzuheben und ins Auge zu springen. Ich lege großen Wert auf die Optik eines Songs – heißt: das Cover soll das Gefühl und die Atmosphäre genauso aufbauen, wie der Text oder die Melodien selbst.

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Was bedeutet es für dich Musik zu machen? Gibt es noch andere Projekte, in die du so viel Kreativität und Leidenschaft steckst?
Ein Ventil zu haben und Dingen Raum zu geben, die sonst vielleicht keinen Platz finden würden. Außerdem liebe ich es, meine Musik mit anderen zu teilen. Ich hoffe, dass ich jemandem dadurch etwas geben kann, sei es Trost, Freude, Inspiration oder einfach eine Melodie, die im Kopf bleibt.
Es gibt wenig andere Projekte, die ans Musikmachen rankommen, was die Kreativität und Leidenschaft angeht, die ich investiere. In der geringen Zeit, die ich übrig habe, versuche ich mich eher zu entspannen und von weiteren Projekten fernzuhalten. Ich verbringe die Zeit lieber mit meiner Familie, bemale Miniaturen oder zerbreche mir den Kopf über neue Magic-Decks. Der Ausgleich muss sein – ich widme mich lieber einer Sache wie der Musik mit allem, was ich habe, anstatt vielen belanglosen Dingen.

Was sind deine Pläne? Worauf freust du dich am meisten?
Weiterhin meine Musik zu machen, ohne sich von äußeren Einflüssen und Trends beeinflussen und von der rohen Idee in meinem Kopf abbringen zu lassen. Der Plan ist ganz oben angepinnt für alles, was in der Zukunft kommt.
Nachdem ich in den letzten Monaten eine kleine Pause eingelegt habe, um meine Akkus zu laden, freue ich mich vor allem wieder darauf, kreativ zu sein und meine neuen Songs zu veröffentlichen. Ich habe einige Demos, die kurz vor der Fertigstellung stehen, bei denen ich mich sehr auf Feedback freue.

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