Foto: Florian Cornehl

Grundeis ist eine Hamburger Band, die 2018 gegründet wurde. Mit ihrer Musik erschaffen Sängerin und Gitarristin Laura Müller, Gitarrist Nils Pfannenschmidt, Bassist Tobias Rutkowski und Schlagzeuger Tomas Romme ihren ganz eigenen Sound – eine energiegeladene Mischung aus melancholischem und düsteren Post-Punk, Shoe Gaze und Noise-Rock.
Vor gut einem Jahr hat die Band ihren Debüt-Track „Bleach“ veröffentlicht. Kürzlich ist das von den Fans lang ersehnte Album Amygdala erschienen. Starke Melodien mit einem gitarrengetriebenen Sound und Lauras fesselnder Gesang führen die Songs zu einer intensiven Klangfülle – ein Album, in dem man sich verlieren kann! Amygdala macht Lust auf mehr und uns neugierig auf Grundeis! Laura und Nils haben unsere Fragen beantwortet.

Wer verbirgt sich hinter Grundeis? Wie ist euer Projekt entstanden?
Nils: Hinter Grundeis befinden sich vier Menschen, die sich einander persönlich sehr schätzen und zum Teil Schwierigkeiten mit den regulären Anforderungen der Gesellschaft haben. Ich glaube, deshalb verstehen wir uns so gut und suchen ein Ventil in der Musik. Die ganzen Jobs, mit denen wir uns bisher so durchschlagen, dienen meist nur dem Überleben, aber erfüllen uns nicht. Entstanden ist das Ganze als Laura und ich uns über einen gemeinsamen Freund kennengelernt haben und dann sehr lange nach weiteren Mitgliedern gesucht und parallel bereits sehr viele Songs geschrieben haben. Die Songs auf dem Album entstanden aber erst als wir vollständig waren.

Was verbindet euch?
Nils: Der Drang Musik zu machen, die Suche nach irgendeiner Form von Familienersatz, der Hang zur Melancholie, das Gefühl nirgends so richtig reinzupassen.
Laura: Ich empfinde das genauso wie Nils. Witzig ist aber oft, wie viele Diskussionen wir außerhalb des Musikalischen führen, wie unterschiedlich wir sind und so auch öfter aneinander geraten und ein harscher Ton herrscht, bei dem aber alle trotzdem wissen, dass wir uns gerne ärgern, aber alles eher mit einem Augenzwinkern, und wir uns eigentlich lieb haben.

Foto (links): Florian Cornehl

Wie seid ihr auf euren Bandnamen gekommen, und was bedeutet er für euch?
Laura: Mir fiel der Name auf einmal ein, ohne dass ich ihn vorher bewusst schon einmal gehört hatte oder wusste, welches natürliche Phänomen dahinter steckte. Das am Grunde versteckte Eis, nicht gleich zu erkennen, darüber der fließende Strom, der unbeirrt seinen Bahnen folgt. Mich hat das sehr berührt. Auch wir machen trotz all der durchlebten Kälte, trotz der immerwährenden Eisschicht, die kaum mehr zu schmelzen vermag, immer weiter und schöpfen unsere Energien aus einer weit entfernten Quelle, sind die Quelle selbst, tragen sie in uns, auch wenn ein Teil von ihr zu Eis erstarrt.

Beschreibt euren Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Wie klingt eure Musik?
Nils: Melancholisch, zerstörerisch, wunderschön und aufbauend zugleich.
Laura: Energetisch, vielschichtig, kühl aber gleichzeitig nahbar.

Was sind eure ersten musikalischen Erinnerungen?
Nils: In meinem Elternhaus gab es nicht besonders viel alternative Musik. Eine meiner frühesten Erinnerungen sind alte Trance Sampler von meinen großen Geschwistern, die Kastelruter Spatzen bei meiner Oma und die Musical-CD zum Phantom der Oper meiner Mutter. Ich glaube letzteres hat mich damals vielleicht am meisten berührt.
Laura: Ich kann mich noch an ein schwer greifbares intensives Gefühl erinnern als ich zum ersten Mal „Sarah´s Theme [Kommt kleine Kinder]“ aus Disney’s Hocus Pocus hörte. Ich war völlig eingenommen, wie in einer anderen Welt. Das Gefühl besteht bis heute, wenn ich Musik mache.

Fotos: Tim Zimmermann

Wie entstehen eure Songs? Wie sind die Aufgaben verteilt?
Laura: Wir spielen im Proberaum meistens einfach drauf los, und die prägenden Elemente der Songs entstehen schon beim ersten Jam. Gezieltes arrangieren oder auch mal Strukturänderungen machen wir dann erst bei Aufnahmen von Demos. Der Text entsteht in einigen Aussagen oder Begriffen schon während des initialen Jams aus dem Unterbewusstsein heraus. Ich schreibe ihn dann aber vollständig und sinnfüllend erst im Nachhinein auf die Gesangsmelodie.

Welches Instrument wird sicherlich NIE in euren Songs zu hören sein?
Nils: Ich will da gar nichts ausschließen. Was Bommel (Tomas) teilweise aus seinem 90er Synth rausholt, ist oft unerwartet. Ob es jemals ein live eingespieltes Kazoo oder Alphorn auf einem Grundeis Track geben wird, ist unwahrscheinlich. Aber ausschließen will ich wirklich gar nichts.
Laura: Ich habe aus irgendeinem Grund eine Abneigung gegen Saxophon und Trompete. Ich hätte aber gerne mal eine Panflöte in einem Song.

Welchen Einfluss hat eure Umgebung auf eure Musik? Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für euch die besten Musikstücke?
Nils: Frust, Müdigkeit, schlechtes Wetter, die Aussicht auf Alkohol nach der Probe.
Laura: Ich muss mich immer wieder von der Außenwelt abschirmen, weil ich schnell überfordert bin von sozialen Kontakten. Die Songs beruhen alle auf persönlichen Erfahrungen. Die Gefühle entladen sich dann ungefiltert in der Musik, egal welche Art von Gefühlen das in dem Moment sind. Dabei lässt sich nicht von gut, schlecht oder besser sprechen. Wenn es echte Gefühle sind, die zum Ausdruck kommen, ist es erst wahrhaftige Musik, und ein Song, der aus ihnen entspringt, wird dem Zuhörendem etwas vermitteln.

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In welcher Beziehung steht und/oder repräsentiert der visuelle Aspekt eure Musik?
Laura: Unsere Artworks entsprechen, denke ich, auch dem Gefühl, was in uns schlummert und von unserer Musik getragen wird. Für mich stellt alles eine Einheit da, weil es eben unseren Persönlichkeiten entspringt. Die Musik funktioniert für mich aber natürlich auch ohne jegliche visuellen Aspekte.

Alkohol ist bekanntlich auch keine Lösung – eine Alk-Kombination, nach der ihr ganz sicher keine Probleme mehr habt?
Nils: Wenn wir uns in der Kitty auf St. Pauli durch die eher zur Dekoration gedachte Ecke im Rückbuffet trinken. Da stehen meist irgendwelche Mitbringsel aus Urlaubsreisen von Mitarbeitern oder Stammgästen. Häufig gesundheitsgefährdend alt und angestaubt.

Die Einflüsse, die ihr in eurer Musik verarbeitet, würden wir die auch in eurer Plattensammlung oder auf eurer Playlist wiederfinden? Welche Musik hört ihr gerade besonders gerne?
Nils: Wenn ich mich jetzt auf die Musik reduzieren sollt, die man in Grundeis wiedererkennen kann, sind das vermutlich Künstler wie Nine Inch Nails, The Cure, Black Marble und viele weitere. Daneben stehen aber auch viele Dinge, die sich nicht direkt in Grundeis wiederfinden. Dazu gehören aktuell Big Thief, Barclay James Harvest, Pavement oder für die guten Tage etwas poppiger Jazz wie Bruno Pernadas. Wichtig ist, dass mir die Musik irgendwas gibt und nicht, dass ich auf dem neusten Stand irgendeiner Szene bin.
Laura: Ich verarbeite vor allem persönliche, zwischenmenschliche Erfahrungen in der Musik. Das ist es, was mich am stärksten beeinflusst. An konkreten Platten oder Playlisten lässt sich das nicht fest machen. Klar habe ich auch The Cure, Placebo und Nick Cave & The Bad Seeds Platten zu Hause, aber mich haben vom Kindesalter an ganz unterschiedliche Richtungen über die Zeit geprägt. Im Moment höre ich oft Ambient wie William Basinski, aber auch nach wie vor viel Shoegaze wie Nothing. Ich kehre auch immer wieder zu King Woman zurück – ich finde ihre Alben sehr einnehmend und beeindruckend. Ich lande abgesehen davon immer wieder bei Bands aus den 90ern oder auch frühen 2000ern: I Hate Myself, Slint, Swans, Cranes.

Vor einigen Tagen habt ihr euer großartiges Debüt „Amygdala“ veröffentlicht, gerade seid ihr mit eurem Album auf Konzerten. Wie waren bisher das Feedback und die Reaktionen darauf? Wie war es für euch, wieder auf der Bühne zu stehen?
Nils: Die ersten Konzerte und Feedbacks waren überschwänglicher als wir es erwartet haben. Die Songs vom Album spielen wir seit ca. zwei Jahren live, mit leichten Abwandlungen und einigen neuen Stücken im jetzigen Set. Bis zum Release des Albums waren wir meist die kleine lokale Vorband, die niemand kannte. Jetzt kommen Leute zu unseren eigenen Shows und wollen signierte Platten. Das hat uns schon sehr überrascht, aber auch riesig gefreut. Auch gut: Man wacht morgens auf und sieht, dass zwei Blogs aus Südamerika über das Album berichten und es abfeiern. Manchmal ist das Internet dann sogar ein schöner Ort. Etwas blöd ist, dass einige Konzerte aufgrund der Corona-Situation bereits wieder ausgefallen sind. Aber wir sind bereits am Booking für das kommende Jahr dran.
Laura: Viel live zu spielen gibt mir Halt, den ich sonst nicht finden kann. In dem Moment ergibt einfach alles Sinn. Musik zu schreiben und aufzunehmen ist nochmal eine andere Welt, in der ich oder auch mit den Jungs im Proberaum sonst bin, die aber einfach viel im Inneren, in der Isolation, in der Vorstellung stattfindet. Es gibt mir nochmal ein anderes Gefühl, reale Menschen direkt mit der eigenen Musik bei Konzerten berühren zu können, Reaktionen zu bekommen, und auf der Bühne einen Raum zu erschaffen, auf dem alles nach außen getragen werden kann und wahrgenommen wird.

Was sind eure Pläne, was wünscht ihr euch?
Nils: Noch mehr Konzerte spielen, vielleicht auch im Ausland. Eine Rückkehr zum normalen Konzertbetrieb, meinetwegen auch unter 2G Regelung, wenn das Risiko sonst weiterhin zu hoch ist. Ansonsten neue Songs aufnehmen, geschrieben ist da ja schon einiges, nur noch nicht fertig ausgearbeitet.
Laura: Ich hoffe auch sehr, dass wir 2022 auch viel in anderen Ländern spielen können. Und das zweite Album brennt uns auch schon unter den Nägeln.

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