Foto: Robert Apjok @rob.lifecycles

Velvet Coat ist das Post-Punk / New-Wave-Projekt von Abdel Ouchène. 2016 gegründet, präsentiert Velvet Coat 2017 die Debüt-EP Niemand – vier packende Songs mit einem facettenreichen Düster-Sound und einhüllenden, traumvernebelten Atmosphären.  Live (hier  zur Konzert-Review) wirken die Songs besonders intensiv – schwer, dunkel und melancholisch – „ein Klangteppich der Gefühle“ – zum Träumen und Tanzen! Zwischenzeitlich sind mit „2903“ und „Tomorrow“ zwei weitere Songs mit Suchtpotenzial erschienen, ein neues Album ist in Arbeit – wir freuen uns darauf!

Wer verbirgt sich hinter Velvet Coat, und wie ist das Projekt entstanden?
Abdel Ouchène 27, Designstudent aus Offenbach am Main. Velvet Coat ist meine Reaktion auf die Trennung meiner ersten Band Venstar.

Müsste man deine Musik in eine Schublade stecken und ein Genre-Etikett darauf kleben, welches wäre das?
Das ist eine ganz klare Angelegenheit. Velvet Coat ist eine Rockband mit New-Wave- und Post-Punk-Elementen. Nächstes Jahr werde ich mein Debütalbum veröffentlichen. Das wird sich dann jedoch im düster-melancholischem Indiepop mit Darkwave und Shoegaze Nuancen einordnen.
Je nach Lebenslage ändert sich mein Sound. Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Vielleicht mache ich in einigen Jahren Schlager.

Beschreibe deinen Sound mal außerhalb aller Genre-Schubladen. Die Musik von Velvet Coat klingt wie …
… eine Talfahrt durch die verborgenen Erinnerungen und Momente, die jede Person mit sich trägt. Der Sound wird durch eine schwermütig, dräuende Stimmung definiert. Ein Schlagzeug bestimmt das Tempo. Ein monophoner Synthesizer gibt die Melodie vor. Der Feedback einer Gitarre gesellt sich dazu. Es entsteht ein Klangteppich der Gefühle.

Was sind deine ersten musikalischen Erinnerungen?
Hauptsächlich Popmusik aus den 90ern. Ich habe einige Geschwister, die alle älter sind. Da trudelten immer mal wieder einige neue Kassetten ins Haus. Die hörte ich dann bei Gelegenheit. Das war hauptsächlich englischsprachige Popmusik.

Foto: Robert Apjok @rob.lifecycles

Was mich jedoch total faszinierte, war traditionelle Musik der Berber aus Marokko. Sie lief auf Hochzeiten von Verwandten, ich habe eine ziemlich große Familie, demnach gab es einige Hochzeiten. Die Musik ist so nah am echten Leben. Herzzerreißende Texte, Instrumente, die ich nicht einordnen konnte, Frauen mit Berbertattoos am ganzen Körper und das im Zusammenspiel der Outfits. Das war einfach etwas unfassbar Surreales für mich. Die Musik als Ausdruck von Empfindungen und zugleich als Flucht vor dem Alltag. Die Musik hat eine therapeutische Wirkung. Sowohl für die Musiker als auch diejenigen, die sie konsumierten.

Durch welche Bands / Musik wurdest du musikalisch beeinflusst oder geprägt? Was hörst du gerade am liebsten?
Es waren vielmehr Filme und deren Musik, die mich geprägt haben. Durch 24 Hour Party People stieß ich auf Joy Division und war fasziniert vom Song „Love will tear us apart“. Twin Peaks hat auch einen großen Einfluss auf mich. David Lynch ist auf jeden Fall neben Jim Jarmusch einer meiner größten Helden. Als ich den Film Only lovers left alive von Jim Jarmusch sah, war es um mich geschehen. Da hat einfach alles gepasst. Jim Jarmusch und seine Band SQÜRL. Ohne SQÜRL würde Velvet Coat wahrscheinlich anders klingen.

Songs die ich gerade am liebsten höre:
Pale Honey – Killer Scene
Cult of Dom Keller – Shambhala is on Fire
Laura Carbone – Cellophane Skin
Lovely Heroin – Covered in Replicates / Moving is essential
Flying Moon in Space – Faces
Fil bo Riva – L’impossibile (acoustic)

Aus welcher Stimmung heraus ergeben sich für dich die besten Lieder?
Ein kalter und nebliger Samstagabend eignet sich hervorragend zum Schreiben von Songs. Wenn die Büros leer sind, die Stadt entschleunigt ist und das Licht beginnt, an Materialität zu gewinnen. In meinem Leben habe ich schon vieles erlebt und einiges an Eindrücken sammeln können. Das sind die Grundzutaten für meine Kompositionen.

Foto: Robert Apjok @rob.lifecycles

Wenn du einen Film auswählen und deine Musik als Soundtrack einfügen könntest – welcher Film wäre das?
Entweder ein Film von David Lynch oder Jim Jarmusch. Die badische Zeitung schrieb eine Preview für mein erstes Konzert in Freiburg. Darin war folgender Satz enthalten: „Ihr Sound, der von Industrial und Shoegaze zu ätherischen Klängen reicht, würde auch jedem David Lynch-Streifen zur Ehre gereichen.“
Dieser Satz blieb mir schwer in Erinnerung. Als ich ihn das erste Mal las, bekam ich mein Grinsen kaum weg. Die Leute verstanden es. Das was ich tue kommt also an.

Welches Instrument wird sicherlich NIE in einem Velvet Coat Song zu hören sein?
Ganz klar, Saxophon. Ich kann mit dem klanglichen Charakter dieses Instruments leider nichts anfangen.

Kürzlich hast du deine neuen Songs „#2903“ und „Tomorrow“ veröffentlicht. Wie waren bisher die Reaktionen darauf? Können wir uns auf weiteres Material freuen?
Das sind ziemlich persönliche Songs. Dabei ging es mir darum, zwei Momente aus meinem Leben zu konservieren. Die Songs habe ich jeweils an einem Abend geschrieben und aufgenommen. Es gab nur mich und meine Instrumente. Ich hatte ursprünglich nicht vor, die Songs zu releasen. Doch dann kam der Lockdown, Interaktionen mit anderen Menschen wurden rarer. Ich entschied mich dazu, die Songs auf Bandcamp hochzuladen und ein paar Kassetten aufzunehmen.
Zurzeit arbeite ich an meinem Album, das ich im kommenden Jahr veröffentlichen werde. Welches Label es sein wird, verrate ich an dieser Stelle noch nicht. Christian Bethge aus Mannheim wird mich dabei unterstützen. Er hat bei der Produktion von einigen meiner Lieblingskünstler wie Laura Carbone und Messer mitgewirkt. Ich bin sehr glücklich über die Zusammenarbeit.

Desweiteren arbeite ich mit meiner besten Freundin Veve an ihrem ersten Release. Wir beide haben uns an der Kunsthochschule kennengelernt. Musikalisch waren wir schon von Beginn an sehr kompatibel. Im letzten Jahr hat sie ihr Musikprojekt NAINN begonnen. Sie war auch einige Male auf meinen Konzerten als Velvet Coat dabei, und wir performten am Ende meines Sets noch 1-2 NAINN-Songs, an denen wir gemeinsam arbeiteten. Das war auf jeden Fall immer wieder ein Highlight. Sowohl für mich, als auch für das Publikum. Die besondere Zugabe haben wir natürlich vor dem Konzert nicht angekündigt, und somit war das Staunen groß, als Veve die Bühne betrat und mit ihrer kraftvollen Stimme überzeugte. Für 2021 ist eine NAINN x Velvet Coat Split EP geplant.

Kein Alkohol ist bekanntlich auch keine Lösung – eine Alk-Kombination, nach der du ganz sicher keine Probleme mehr hast?
Das ist wochentagsabhängig: Merlot-Montag – Daiquiri-Dienstag – Mojito-Mittwoch – Dosenstech-Donnerstag – Freixenet-Freitag – Sangria-Samstag – Soave-Sonntag

Was ist die überraschendste CD /LP in deinem Regal?
Glasperlenspiel!

Was bedeutet es für dich Musik zu machen? Gibt es noch andere Projekte, in die du soviel Kreativität und Leidenschaft steckst?
Die Musik ist nicht mehr wegzudenken. Sie ist für mich das Medium um Gefühle und Erinnerungen zu konservieren. Letztes Jahr habe ich mit meinem besten Freund einen Rennradclub gegründet. der Gelato Club. Unser Slogan ist „Live love ride fast“. Dieses Jahr sind wir expandiert und der Cyclingclub wurde um ein interdisziplinäres Gestaltungsbüro erweitert. Das sind meine drei Babies! Musikmachen, als Designer arbeiten und Rennrad fahren.

Foto: Arne Rucks

Vor einigen Wochen hast du einen Livestream geteilt. Wird es noch weitere Online-Events mit dir geben, und wie sehr vermisst du deine Live-Auftritte?
Ein Livestream reicht mir. Ich war noch nie so nervös, wie während des Livestreams. Es fällt mir schwer, zu sagen, dass mir die Liveauftritte fehlen, während andere Personen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben.
Ich habe Zeit zum Fahrradfahren, ich kann neue Songs schreiben, und ich genieße diese Periode der entschleunigten Welt. Ich war dieses Jahr bereits in der Schweiz und in Frankreich zum Fahrradfahren. Anstatt mich damit zu beschäftigen, was ich gerade nicht habe, investiere ich die Energie lieber in die situationsbedingten Möglichkeiten.

Was sind deine Pläne, was wünscht du dir?
Ich wünsche mir, dass wieder mehr Normalität einkehrt. Bis auf die Releases ist nichts weiter geplant.

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(1988)