Viel Potential

Nach dem Tod seiner Eltern zieht der elfjährige Darwen Arkwright von Nordengland zu seiner Tante nach Atlanta, Georgia. Alles dort ist ihm fremd, doch es wird noch merkwürdiger, als er im Einkaufszentrum einen höchst merkwürdigen Vogel entdeckt: neben ledrigen Fledermausflügeln hat das Wesen auch noch ein beinahe menschliches Gesicht mit einem langen, gefährlichen Schnabel. Er folgt dem Vogelwesen und stolpert geradewegs in ein uraltes Spiegelgeschäft, das so gar nicht in das moderne Hochglanz-Einkaufszentrum passt. Der kauzige Besitzer scheint ein Geheimnis zu bergen, doch Darwen denkt sich noch nichts weiter, als der ältere Herr, der sich als Mr. Oktavius Peregrine vorstellt, ihm einen Spiegel schenkt. Darwen staunt daher nicht schlecht, als er bei Sonnenuntergang bemerkt, dass es sich um viel mehr als nur einen Spiegel handelt. Und ehe er sichs versieht, muss er nicht nur damit kämpfen, an seiner neuen, elitären Schule akzeptiert zu werden, sondern auch noch eine ganze Welt retten.

A.J. Hartley verliert keine Zeit und fällt direkt mit der Tür ins Haus bzw. ins Einkaufszentrum. Ohne viel Geplänkel nimmt die Geschichte erstmal zügig Fahrt auf, bis wir dann eine kleine Verschnaufpause bekommen, um erstmal die Hintergründe zu klären. Man entwickelt schnell großes Mitgefühl für Darwen, vor allem da der Tod seiner Eltern nicht mit dem Holzhammer in den Vordergrund geprügelt wird, sondern eher als ständiger trauriger Begleiter hinter der Geschichte schwebt.
Leider habe ich davon abgesehen keine große emotionale Bindung zu den Charakteren knüpfen können. Seine späteren Freunde Alex und Rich sind gute Begleiter für Darwen, aber alle drei bleiben über das ganze Buch hinweg sehr zweidimensional. Bei den Nebencharakteren wird das Ganze noch schlimmer, einige sind wirklich das reinste Klischee aus all den amerikanischen „der Neue in der Klasse wird gemobbt“-Geschichten.
Die Idee der Buches selbst ist aber wirklich schön, sehr fantasievoll und mit einem Hauch von Steampunk. Hartley mischt zauberhaft mit bedrohlich und Fantasy mit Realität, und das gelingt ihm wirklich gut. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass er stilistisch mehr hätte herausholen können. Viele Situationen hätten eine wunderbare, bildhafte Beschreibung erlaubt, aber sie werden knapp und zügig abgehandelt. Gerade in einer so zauberhaften Welt wie sie in Mr. Peregrines Geheimnis skizziert wird, würden ausführlichere Beschreibungen wirklich nicht schaden.
Alles in allem ist Mr. Peregrines Geheimnis eine schöne Geschichte mit viel Potential, aber an den Details hat mir dann doch einiges gefehlt. Es ist oft zu geradlinig, zu simpel, zu wenig ausgeschmückt. Außerdem frage ich mich, wie der deutsche Titel entstanden ist, der sich mehr wie ein Groschenroman liest; noch dazu wo Mr. Peregrine über den größten Teil des Buches überhaupt keine Rolle spielt.

Für jüngere Leser ist dieses Buch eine absolute Empfehlung, aber es ist nicht die Sorte Jugendbuch, die man auch als älterer Leser so richtig großartig findet. Ein schönes Buch, definitiv, aber es fehlt einfach das gewisse Etwas.

:lesen: :lesen: :lesen: :buch2: :buch2:

A.J. Hartley – Mr. Peregrines Geheimnis
Heyne Verlag, 2013
464 Seiten
€ 17,99
eBook: € 13,99

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