Männer sind Schweine

Fun_BelaNach seinem efolgreichen Debüt Scharnow (Link zur Review) hat Bela B Felsenheimer, Sänger und Schlagzeuger der Kultband Die Ärzte, seinen zweiten Roman Fun vorgelegt. Natürlich bin ich wieder sehr gespannt darauf.
Nabel/Nabel haben es geschafft. Als erfolgreiche Rockband stehen sie an der Spitze ihres Ruhms. Und dort wollen sie die Früchte ihres Erfolges ernten. Es heißt schließlich nicht umsonst Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Und zwar in genau dieser Reihenfolge. Dass es dabei auch mal etwas aus dem Ruder läuft, geschenkt. Das gehört halt dazu, das war schon immer so. Als Rockstar steht Mann über den Dingen und ist unantastbar. Doch ist das wirklich so? Die Fassade bekommt Risse und beginnt zu bröckeln.

Sänger Mahler steht gerne im Fokus und prahlt in einem Interview mit dem Fun auf ereignisreichen Backstage-Partys, was in der Folge wegen den frauenfeindlichen Aussagen einen Shitstorm in den sozialen Medien erzeugt. Ausgerechnet jetzt, wo die drei großen Open-Air-Konzerte in Sassenheim stattfinden sollen, die den Höhepunkt der Saison darstellen, samt groß angelegter Aftershow-Party mit Presse und Prominenten. Gitarrist Fox, der eigentlich die Zügel in der Hand hält, versucht zusammen mit Miriam, der Tourleitung, die Band wieder für das große Ziel auf Spur zu bringen. Dabei hat Petar, der erste Schlagzeuger, seit seinem Coming Out eigentlich keine Lust mehr auf den ganzen Zirkus. Wäre das alles nicht schon schlimm genug, gibt es auch noch eine Anzeige gegen die Band, wegen der die Mitglieder eine Vorladung von der Polizei erhalten sollen. Kloot, der zweite Schlagzeuger, gerät deswegen in Panik und dreht völlig am Rad. Denn seine jüngsten Fun-Eskapaden zusammen mit Holger, dem Bassisten, könnten der Grund für die Anzeige sein. Nur betäubt hält er sich aufrecht, und so trifft er auch auf die Polizeibeamten. Keine gute Idee, und Miriam hat alle Hände voll zu tun, den Laden irgendwie zusammenzuhalten und die Shows zu retten. Und das alles während ihre Zweifel wachsen und sie sich fragt, wieviel von den Vorwürfen wahr ist.

Fazit: Fun von Bela B dreht sich um Missbrauch, ein Thema, das alles andere als lustig ist. Und so macht es auch nicht wirklich Spaß zum Lesen. Die Schilderungen sind drastisch und teils schwer zu ertragen. Aber das ist in der Form auch notwendig, um wirklich wachzurütteln, denn das ist die ungeschminkte Realität für leider viel zu viele Frauen. Dabei beschränkt sich Bela nicht nur auf die “Backstage-Abenteuer” einer Rockband, wie sie oft beschönigend bezeichnet werden, sondern deckt gesamtgesellschaftliche Missstände und toxische Verhaltensweisen auch im Alltag auf. Diese sind vielen Mitmenschen in der Form nicht bewusst und werden vielleicht sogar als normal empfunden, einfach weil “das war schon immer so”. Als ob das eine Entschuldigung ist. Als ob das kein Grund wäre etwas zu ändern.
Darin liegt die Stärke des Gesellschafts-Romans, im Wachrütteln. Er fordert auf, das eigene Verhalten zu reflektieren, sowohl auf Täter als auch auf Opferseite. Denn paradoxerweise suchen die Opfer oft die Schuld bei sich. Hätte ich mich anders verhalten können? Dabei ist das gar nicht die Frage, denn der Täter hätte sich anders verhalten müssen.
Stark ist auch das ganze Setting um die Konzerte herum, das ist richtig gut gelungen. Mit dem Tourleben kennt Bela sich natürlich bestens aus, und das liefert einen tollen Einblick hinter die Kulissen, und gerade Miriam, die Tourmanagerin und einzige Frau im Tross, ist gut portraitiert. Woher kommt die Faszination für Rockstars? Warum fühlen sich Frauen zu ihnen hingezogen? Auch das wird deutlich und nachvollziehbar.
Doch wo die Stärke liegt, versteckt sich gleichzeitig auch die Schwäche von Fun. Die Charaktere bleiben ein bisschen eindimensional in ihren Rollen verhaftet, etwas mehr Tiefgang hätte der Story gut getan. Die Männer bekommen zwar durchaus Gewissensbisse, aber das ändert nicht wirklich etwas. Männer sind eben Schweine, wie Die Ärzte schon 1998 festgestellt haben.
Und auch das muss kurz gesagt sein, natürlich weckt die Story Erinnerungen an Rammstein, was aber nicht das Ziel gewesen ist. Bela hat dazu in Interviews erklärt, dass es “allenfalls zufällige Überschneidungen” gibt. Lassen wir das so stehen.

Nein, Fun ist nicht lustig. Nein, Fun macht keinen Spaß. Trotzdem ist Fun ein Buch, das möglichst viele Menschen lesen sollten.

Am 31.03.2015 ist Bela B übrigens während seiner Tour auch in München im Deutschen Theater zu Gast.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch2:

Bela B Felsenheimer: Fun
Heyne Verlag, Vö. 27.01.2025
Hardcover, Pappband, 368 Seiten
24,00 € erhältlich über Penguin Randomhouse

https://www.penguin.de/buecher/bela-b-felsenheimer-fun/buch/9783453275133
http://www.bela-b.de/

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