Zwischen Lebenskrise und Showkampf

Das Ermittlerduo Max Mandel und Sigi Singer befindet sich nach dem letzten Fall (Black Mandel – Link zur Rezension) in einer Krise. Das Geschäft als Privatdetektei läuft nicht, und die Freundschaft bröckelt massiv. Als Sigi eine Anzeige für einen Wrestling-Kurs in ihrer alten Heimat entdeckt, ist das für ihn die Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Er will sich mit Wrestling einen Jugendtraum erfüllen und gleichzeitig die Freundschaft zum Mandel kitten. Beide ahnen nicht, dass sie direkt in ihren nächsten Fall stolpern – ein Wrestler wird erpresst, und sie sollen während der Tour durch die Provinzstädte Deutschlands ermitteln. Doch die Szene steckt voller schmutziger Intrigen und falscher Spielchen, und der Mandel scheint da voll in seinem Element zu sein…

Bereits nach ihrem letzten Fall (den ich nicht gelesen habe) bröckelte die Freundschaft zwischen Sigi und Mandel, und schon nach wenigen Seiten wird mir klar, warum. Sigi, der ewige Loser, Schwarzseher und Prügelknabe, rennt seinem großkotzigen, egozentrischen Mandel überall hin nach, wie ein treudoofer Hund. Er ärgert sich zwar darüber, wie Mandel ihn behandelt, ist aber gleichzeitig vollkommen unfähig, die Stimme gegen seinen charismatischen Freund zu erheben. Der Mandel selbst soll wohl der klassische charmante Mistkerl sein, doch von charmant kam bei mir persönlich nicht viel an, und auch Mistkerl schreibe ich hier nur, weil ich das „Wort mit A“ nicht verwenden will.

Der große Mandel braucht lange, um in Fahrt zu kommen, über 100 Seiten lang wälzt sich Erzähler Sigi in seiner Lebenskrise, schwelgt in Jugendgeschichten und erzählt dem Leser alles über Wrestling, bis überhaupt mal die Andeutung eines Kriminalfalles fällt. Wenn man dann denkt, endlich geht etwas voran, muss man leider damit leben, dass die beiden Ermittler ziemlich sinn- und zumeist planlos durch ihren Fall stolpern, der überhaupt nur im Hintergrund abläuft. Hauptsächlich stehen die Konflikte zwischen Sigi und Mandel, zwischen Sigi und sich selbst und zwischen Sigi und dem Rest der gemeinen Welt im Fokus. Das ist zwar alles gut und schön als Persönlichkeitsstudie, doch unter „Kriminalroman“ hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Als der Fall dann endlich mehr oder weniger banal aufgelöst ist, sind aber immer noch 50 Seiten Buch übrig. Die werden dann hauptsächlich mit dem großen Showdown zwischen Sigi und Mandel gefüllt, inklusive pseudo-philosophischer mandelscher Lebensweisheit und einer kolossalen Schlägerei, nach der Sigi natürlich mal wieder der Dumme ist.

Selten fand ich Hauptcharaktere so dermaßen unsympathisch wie Sigi und Mandel, selten habe ich mich über proletenhafte Sprüche so aufgeregt und war so genervt von einer Storyline wie dieser. Trotzdem habe ich immer weiter geblättert – das ist die einzige Stärke von Der große Mandel. Berni Mayer schreibt locker und witzig, wenn auch manchmal etwas zu repetitiv und einseitig für meinen Geschmack, aber man kann das Buch problemlos in einem Rutsch weg lesen.

Vielleicht liegt es ja daran, dass ich von Wrestling, Suff-Schlägereien und echter Männerfreundschaft nicht viel verstehe. Vielleicht bin ich zu empfindlich, wenn es um die Unverschämtheiten von arroganten Kerlen oder das ständige Schwanzeinziehen von Feiglingen geht. Vielleicht habe ich aber auch die tiefere Bedeutung einfach nicht verstanden. Jedenfalls ist Der große Mandel absolut nicht mein Buch, und ich war wirklich froh, als die letzte Seite zu Ende war. Seinen flüssigen Schreibstil und den einen oder anderen wirklich guten Spruch muss ich ihm aber dennoch zugute halten.

:buch: :buch: :buch2: :buch2: :buch2:

Berni Mayer – Der große Mandel
Heyne Verlag, 2014
348 Seiten
9,99€
eBook: 8,99€

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