Six days maximum!

6DM, Six days maximum, so hat man die Pandemie benannt, die im Oktober 2023 ausgebrochen ist, und zwar nicht in China, nicht in Indien oder Afrika, nein, mitten in den USA. Obwohl man von vorherigen Pandemien so viel gelernt hat, Abstand, Masken und all das – wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist, hat man noch sechs Tage maximal zu leben. Trotzdem war Amerika einen Monat später ausgestorben. Die Briten nahmen das dann alles sehr ernst. Alle Maßnahmen wurden getroffen, doch auch hier, wie übrigens überall in der Welt: Das Virus schlug zu, und die Menschheit wurde dahingerafft. Unsere weibliche Hauptdarstellerin, ironischerweise erfahren wir nie ihren Namen, versucht in London noch gegen Ende des Jahres zusammen mit ihrem Mann James dieser Pandemie zu trotzen. Aber James‘ erstes Niesen ist nur ein Warnsignal, auch er ist in wenigen Tagen tot.

Sie, die immer von ihm umsorgt wurde und nie etwas selbstständig machen musste, muss ihn zunächst aus der Wohnung entfernen und danach sehen, wie sie nun klar kommen soll. Sie kann es zunächst nicht fassen, es muss doch sonst noch jemand leben? Aber wenn sie durch die Straßen stromert, sieht sie nur tote Menschen, Leichenberge und streunende oder sterbende Tiere. Sie ist gezwungen, sich mit der Situation und mit sich selbst auseinanderzusetzen. So lernen wir sukzessive, wie sie James kennen- und lieben lernte, wie sie zu ihren Eltern stand, wer ihre engsten Freunde waren und was sie geprägt hat. Sie streunt durch London, übernachtet in Hotels, säuft sich durch Hotelkühlschränke und isst, was diese ihr bieten. Sie sucht das Haus ihres besten Freundes auf, natürlich auch er tot, aber hier verbringt sie glorreiche Tage: Tagsüber hat sie jeden Tag ein Kulturprogramm, abends schwelgt sie im Luxus: Champagner, Koks, Whirlpool, Tanzen auf der Dachterrasse und Schwingen in der Hängematte, Tabletten im Voraus gegen Kopfweh. Leider hat dieses Verdrängungsprogramm eines Tages ein Ende. Es gibt keinen Strom mehr. Schluss mit Facebook, Instagram, stöbern in alten Emails und Fotos, keine Filme mehr, und auch kein kalter Champagner oder warmer Whirlpool.

Was von Titel und Klappentext her ein wenig an den Film I am Legend erinnert – eine einzige Person wurde von einer Pandemie verschont und stromert mit einem Hund durch eine tote Welt – ist hier erfrischend anders verarbeitet. Tatsächlich ist es aus der Sicht einer Frau geschrieben, mit all ihren Ängsten und Sehnsüchten. Aus der Sicht einer Frau, die bislang noch nie eine Glühbirne selbst auswechseln musste und auch sonst noch nicht viel selbst entscheiden musste. In diesem Buch sind es nicht andere Überlebende, die einem Angst machen, schon gar nicht Zombies oder Mutanten, es ist die ganz einfache Angst davor, ganz allein auf dieser Welt zu sein und mit dem Leben klarzukommen. Es ist die Geschichte einer Frau, die versucht, in dieser neuen Welt zu überleben. Hier geht es zwar um eine tödliche Pandemie, und es geht um Isolation, Verzweiflung und Bedauern von verpassten Situationen, aber vor allem geht es um Hoffnung. Und dieser Part der Geschichte, wie die Frau mit dem geretteten Hund auf sich alleine gestellt ist und ihr Leben zu meistern versucht, ist großes Kopfkino und immens spannend und berührend zugleich.

„Die Letzte macht das Licht aus“ ist Bethany Clifts Debütroman.

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Bethany Clift: Die Letzte macht das Licht aus
Heyne Verlag, Vö. 13. September 2021
464 Seiten
Paperback 16,00 Euro
eBook 13,99 Euro

 

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