Autobiographie eines Getriebenen

Springsteen_BBorn_to_run_176608Wer schon einmal auf einem Bruce Springsteen Konzert war, dessen Erwartungen sind hoch. Unter dreieinhalb Stunden allerbester, handgemachter Musik geht bei „The Boss“ gar nichts. Und auch wenn man jede Sekunde genießt, braucht man etwas Durchhaltevermögen. So ist das bei diesem Buch auch – über 670 Seiten, das liest man nicht mal eben auf dem Weg in die Arbeit. Aber schreiben kann er, und so nimmt er einen mit in ein Kaff mitten im New Jersey der 50er Jahre. Dort wächst er auf, mit einem schwierigen, schweigsamen, irisch-stämmigen Vater, der seit Kriegsende in Fabriken arbeitet, abends in der Kneipe trinkt und nachts am Küchentisch. Der Kontrast dazu ist die italienische Mutter und ihre laute, emotionale, lebenslustige Sippschaft. Wir werden entführt in die Welt von Greasers und Rah-Rahs, von versifften Kneipen und Surf-Shops, Autos und Gitarren.

Erstaunlich nachsichtig und wohlwollend erzählt er von Freunden, Bandkollegen und früheren Managern, die ihn zum Teil belogen und betrogen haben. Von damals noch einflussreichen Radio-DJ’s und Zeitungsinterviews, von Trips quer durch die USA, bei denen unklar war, woher man das Geld für die nächste Tankfüllung nehmen sollte. Vom ersten Plattenvertrag. Und immer wieder darüber, wie es in ihm drin aussieht. Die Suche nach einer Vaterfigur, die ihn besser behandelt als der eigene Vater. Das Gefühl, unbedingt der Beste sein zu müssen, sich beweisen zu müssen. Depressionen, Alkohol und Selbstzweifel. Und auch immer wieder erkennbar ist ein ungeheurer Hunger nach Leben, den er vom italienischen Teil der Familie geerbt hat.

Bruce Springsteens Autobiographie ist ein Wechselbad der Gefühle. Laut, leise, arrogant, bescheiden, voller Zweifel, voller Liebe und Sehnsucht. Ein nachdenkliches amerikanisches Road-Movie in Buchform.

Bruce Springsteen: Born to run
Verlag Heyne, 27.09.2016
€ 27,99 (gebunden) / € 19,99 (e-Book), auch als Hörbuch erhältlich

 

(2701)