Sci-Fi Epen für Zwischendurch

Liu_CDie_wandernde_Erde_Erzaehlungen_195026Seit dem Erscheinen von Die Drei Sonnen ist Cixin Liu in der deutschen Sci-Fi-Fangemeinde in aller Munde und hat damit für viele vermutlich einen großen weißen Fleck auf der literarischen Landkarte – den Fernen Osten – aufgedeckt. Auch mich hat er mit seinem Balanceakt zwischen fundierter, gut recherchierter Wissenschaft und packendem, aber zugleich liebevollem Stil überzeugt. Sobald sein Name auftaucht, werde ich hellhörig. So auch jetzt, da eine neue Sammlung von Erzählungen erschienen ist – Die Wandernde Erde.


Die Titelstory schlägt einen ähnlichen Ton an wie die Trisolaris-Trilogie: Wie reagiert die Menschheit auf eine Katastrophe, die erst in Hunderten von Jahren eintritt? In diesem Fall haben Wissenschaftler berechnet, dass die Sonne zum Ende ihres Daseins als Mutterstern unseres Sonnensystems einen tödlichen Heliumblitz abgeben und sich dann so weit aufblähen wird, um die inneren Planeten quasi augenblicklich zu verdampfen. Also beschließt die Menschheit, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen – und die Erde mitzunehmen …

Cixin Liu führt uns weiter durch fantastische und kreative Erzählungen von Spiegelbauern, Stephen Hawking und immerwährendem Streben nach mehr, von Dinosauriern, Ameisen und Antimaterie, von alten Göttern und von einem Bergsteiger auf dem Meer, der ein Universum im Negativ kennenlernt. Seine Ideen sind immer anders, immer genial und konsequent zu Ende geführt, aber in allen finden sich gemeinsame Motive: die Reaktion der Menschheit als Ganzes auf Bedrohungen und Katastrophen, die Entwicklung der Gesellschaft, die heute noch in den Kinderschuhen steckt, Überlegenheit durch Kleinheit. Auch kleine Seitenhiebe auf die Science-Fiction-Literatur im Allgemeinen und ganz speziell ein augenzwinkernder, selbstironischer Auftritt Cixins selbst als obdachloser, gescheiterter Autor sind vertreten.

Cixin Liu hat ein besonderes Talent dafür, sehr moderne und abstrakte Konzepte und die für westliche Leser blumig und altertümlich anmutende chinesische Sprache und Kultur nahtlos zu verbinden, was jede seiner Geschichten zu einem Erlebnis macht. Unbedingt lobend erwähnt werden müssen hier die Übersetzer und Editoren, die großartige Arbeit geleistet haben, um dieses Sprachgefühl in der Übersetzung ins Deutsche, das mit seiner Präzision dem Chinesischen so unähnlich ist, zu erhalten. Die Wandernde Erde ist dadurch sowohl für hartgesottene Sci-Fi-Fans als auch für Leser, die einfach mal etwas anderes lesen wollen, eine echte Empfehlung. Allerdings hatte ich bei fast jeder Erzählung das Gefühl, dass in ihr ein kleiner Roman steckte, den Cixin nur mühsam in Schach halten konnte. Will sagen – obwohl diese Sammlung von Erzählungen packend ist wie eh und je, sehe ich persönlich seine Stärke eher bei längeren Werken.

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Cixin Liu: Die wandernde Erde – Erzählungen
Heyne Verlag, 14.1.2019
€ 14,99
eBook: € 11,99

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