Lieber die Katze sein, nicht die Ratte

VernichtungEin neuer Bettler taucht in Stockholm auf, den alle für verrückt halten, weil er unverständliches Zeug brabbelt und absonderlich aussieht, einen schwarzen scheußlichen Fleck im Gesicht hat, eine dicke Daunenjacke trägt, obwohl alle anderen schwitzen, mit abgefrorenen Fingern, ungepflegt, stinkend. Eines Tages wird er tot aufgefunden, in seiner Jackentasche steckt die Telefonnummer von Mikael Blomkvist, dies findet die Rechtsmedizinerin heraus. Sie versucht Kontakt mit Mikael aufzunehmen, dem Redakteur der Zeitschrift Millennium. Mikael hat momentan andere Probleme. Im Job passiert momentan nichts Aufregendes, und Lisbeth Salander meldet sich gar nicht mehr bei ihm. Lisbeth hat auch Probleme: Sie hält sich derzeit in Moskau auf und verfolgt ihre böse Schwester Camilla auf Schritt und Tritt. Sie will sie diesmal wirklich töten, aber als die Gelegenheit da ist, hat sie Skrupel.

Lisbeth tröstet sich mit einer Frau namens Paulina, und Mikael vertreibt sich parallel die Zeit mit einer Frau namens Catrin. Sie hatte vor kurzem noch einen unangenehmen Zusammenstoß mit diesem verrückten Obdachlosen in der Daunenjacke. Eine DNA-Analyse ergibt, dass der Obdachlose ein sogenanntes Super-Gen besaß, das kommt nur in einer bestimmten Ethnie in Nepal vor. Blomkvist fängt an zu recherchieren, und als er Lisbeth Salander um Mithilfe bittet, unterstützt sie ihn. Sie findet heraus, dass der Obdachlose ein Sherpa war, der vor vielen Jahren an einer dramatischen Mount-Everest-Expedition teilgenommen hat, die für etliche tödlich endete, für viele andere aber das Leben danach dramatisch änderte, nicht nur das des Sherpa, der nun hier tot in Stockholm in der Gerichtsmedizin liegt. Mikael Blomkvist kontaktiert einen der Überlebenden der Expedition und verschwindet daraufhin spurlos. Lisbeth stürzt sich sofort in die Suche nach ihm. Und das ist dann auch allerhöchste Zeit.

Super-Gen, Expedition auf den Everest? Viele Leser und auch Journalisten meinten, das sei aber jetzt eher Peter Høegs Fräulein Smillas Gespür für Schnee oder mehr Dan Brown als Stieg Larsson. Nun, es ist eben David Lagercrantz, der jetzt genau drei Fortsetzungen um Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander geschrieben hat, also genau so viel, wie der Originalschriftsteller der Millennium-Saga. Außerdem hat Lagercrantz den Kreis geschlossen, er, der einst mit einem Buch namens Allein auf dem Everest über einen schwedischen Bergsteiger seine Schriftstellerkarriere begann. Nach diesem sechsten Band ist nun angeblich Schluss mit der Geschichte um Mikael und Lisbeth, und man merkt beim Lesen, dass etwas anders ist. Oder wie soll man es nennen, wenn Lisbeth plötzlich Mitleid empfindet, und Mikael auf einmal Urlaub machen will? Das ist alles anders als sonst. Lisbeth, knallharte Superwoman, hat Mitleid. Vielleicht ist das ein würdiges Ende der Geschichte. Ein wenig wehmütig bin ich dennoch.

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch2:

David Lagercrantz: Vernichtung
Heyne Verlag  26. August 2019
432 Seiten
Gebundene Ausgabe 22,00 Euro, eBook 17,99 Euro

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