„Was geschah wirklich im Knusperhäuschen?“

Die erfolgreiche Anwältin Merle wird von Albträumen geplagt und schläft kaum eine Nacht mehr durch. Zu allem Überfluss erhält sie dann noch einen Anruf aus ihrer Heimat im Schwarzwald: ihre geliebte Oma ist gestorben. Zur Beerdigung reist sie zum ersten Mal seit zwei Jahren zurück in das kleine Dorf und betritt die alte Hütte im Wald, die sie als Kind „das Knusperhäuschen“ nannte. Im Nachlass ihrer Großmutter entdeckt Merle, dass ihre Oma leidenschaftlich die Familiengeschichte recherchiert hat und dabei auf eine grausige Geschichte gestoßen ist. „Was geschah wirklich im Knusperhäuschen?“, steht auf einen Zettel gekritzelt. Merle beginnt selbst nachzuforschen und entdeckt mit der Hilfe von Germanist Jakob ein Geheimnis im tiefen, dunklen Wald.

So finster, so kalt verfolgt eine sehr simple Grundidee: Was, wenn das Märchen Hänsel und Gretel gar keine erfundene Geschichte ist, und wenn in der Überlieferung einige Fakten gewaltig verdreht wurden? Die Verbindung von Märchen und Realität hat es mir ja spätestens seit Christoph Marzis Grimm angetan, deswegen wurde ich neugierig auf dieses Buch. Leider musste ich bald feststellen, dass eine gute Idee nicht unbedingt ein herausragendes Buch erzeugt.
Die erste Hälfte ist sehr langsam erzählt, vor allem Merles Albträume und der Tod ihrer Großmutter stehen im Mittelpunkt, und ich hatte die Hoffnung, daraus könnte sich entweder tolle Fantasy oder ein packender Thriller entwickeln. Leider tröpfelt die Handlung eher träge dahin, bis Jakob auftaucht. Seine geheimnisvolle Art hätte die Möglichkeit geboten, eine überraschende Wendung einzubauen, doch leider wurde daraus nur ein ewiges Hin und Her aus Vertrauen und Misstrauen, das sich bis fast zum Ende hinzieht und das ich irgendwann nur noch als lästig empfunden habe. Merle selbst hatte anfangs noch mein Mitleid, doch als „Heldin“ einer Geschichte ist sie viel zu passiv und leichtgläubig, um vollends sympathisch zu sein.
Was mich wirklich geärgert hat, sind einige lose Enden, die nie richtig zusammengeführt werden. Merles Albträume zum Beispiel verschwinden einfach von einem Tag auf den anderen. Überhaupt bleiben viele Fragen offen: Warum ist das Wesen aus dem Wald hinter Merle her? Welche Rolle spielen eingentlich die Lebkuchen, außer einer Anspielung aufs Märchen? Und was ist mit dem „Aufhocker“ passiert, dem kleinen Dämon, der nachts auf Merles Brust saß und ihr die Luft abgeschnürt hat? Ein Albtraum kann er nicht gewesen sein, schließlich hat sie seine Spuren entdeckt.
Allgemein hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass sich Diana Menschig anfangs extrem viel Zeit gelassen hat, um die Geschichte zu entwickeln, es dann aber auf den letzten 100 Seiten plötzlich eilig hatte.
Stilistisch reißt mich So finster, so kalt nicht vom Hocker, ist aber zumindest sehr flüssig geschrieben. So richtig unter die Haut geht es leider nicht. Der Titel und das Coverbild ließen mich auf packende Horror-Fantasy hoffen, doch leider kommt So finster, so kalt nie recht über das Niveau einer durchschnittlichen Schauergeschichte hinaus, dafür ist es viel zu langsam erzählt.
Wenn man sich dessen bewusst ist, ist der Roman recht kurzweilig und unterhaltsam, lässt sich in einem Rutsch durchlesen. Aber ganz persönlich würde ich ihn nur als „ganz nett“ bezeichnen.

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Diana Menschig – So finster, so kalt
Droemer Knaur Verlag, 2014
380 Seiten
8,99€
eBook 8,99€

Droemer Knaur
Diana Menschig

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