„Er schloss die Augen und betete“

pollockArvins Vater erschießt sich an dem Tag, an dem seine Frau beerdigt wird. Der Junge findet ihn und hat keine Tränen mehr, um den Tod zu beweinen. Im selben Ort leben Sandy und Carl, die über Jahre hinweg immer wieder für ein oder zwei Wochen durch die USA fahren und Anhalter töten. Einige Meilen entfernt lebt Arvins Großmutter und bei ihr Leonora, deren Mutter von einem irren Prediger umgebracht wurde, der glaubte, er könne Tote wiedererwecken. All diese Wege kreuzen sich irgendwann und enden unweigerlich mit dem Tod.

Knockemstiff ist ein abgelegener Ort in Ohio. Anfang der 1960er Jahre ist es hier trostlos, die Menschen leben ihr hartes, armes Leben mit den unauslöschlichen Erinnerungen an den Krieg. Mit viel Fingerspitzengefühl zeichnet der Autor seine heruntergekommen Charaktere. Der Weg von Arvin und Co. wird über einige Jahre hinweg mitverfolgt. Immer wieder sterben für die Protagnisten wichtige Menschen oder es kommt zu anderen Ereignissen, die ihre Leben stark beeinflussen. Keiner schafft es, sich aus dem dunklen Loch zu befreien, in dem er sich befindet. Man kann beim Lesen förmlich die Schwielen an den Händen der alten Emma – Arvins Großmutter – sehen, das fehlende Lächeln im Gesicht des Jungen, die unglückliche und strenggläubige Leonora, die schließlich Selbstmord begeht und ein unwürdiges Begräbnis bekommt.

Pollock schafft es, eine dunkle und hoffnungslose Atmosphäre aufzubauen, die beim Lesen furchtbar beklemmt. Man fühlt sich selbst als Teil dieser Geschichte und hofft, dass wenigstens einer Glück hat und aus diesem Elend ausbrechen kann. Doch schnell muss man feststellen, dass niemand in diesem Buch ein unbeschriebenes Blatt ist und keiner eine weiße Weste hat. Auch die Gottesfürchtigen sind alles andere als gebotstreue Kirchgänger. Die Kirche hat in diesem Buch eine recht zentrale Rolle, hatte sie in den 1960er Jahren auch noch erheblich mehr Einfluss – vor allem in kleineren Orten, in denen die Menschen nicht viel mehr hatten als ihren Glauben, an den sie sich klammerten.

Das Buch ist beklemmend und fesselnd zugleich. Man kann es nicht aus der Hand legen und wartet darauf, dass es wider Erwarten doch zu einem Happy End kommt. Vielleicht hat Pollock ja auch ein Einsehen, das muss jeder selbst nachlesen. Die Geschichte beginnt und endet mit Arvin, so viel sei verraten, und der Prolog beschreibt den schönsten Tag seines Lebens – eine Lektion, die er von seinem Vater lernt und die das Kind vielleicht ins Verderben stürzt. Man kann sich fragen, wohin Verzweiflung und Perspektivlosigkeit Menschen führen können – und so sehr unterscheidet sich das Amerika von 1960 nicht von dem der heutigen Zeit. Gibt es einen Ausweg? – Wohl kaum.

Donald Ray Pollok wurde 1954 geboren und wuchs in Ohio auf. Er brach die Schule ab, arbeitete in einer Fleischfabrik und einer Papiermühle. Mit Mitte dreißig holte er seinen Schulabschluss nach. Pollocks Erzählungen spiegeln die Trostlosigkeit mangelnder Bildung und fehlender Perspektiven wider, der er sich ausgesetzte sah.

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Donald Ray Pollock – Das Handwerk des Teufels
Heyne Hardcore, 2013
Taschenbuch, 303 Seiten
9,99 €
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