Arkham, Nazis, Physik und Kultisten

JonathanLHoward_After the end of the worldDie Welt im frühen 21. Jahrhundert. Nazideutschland ist eine angesehene Weltmacht, mit gut gepflegten wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Beziehungen zu den USA. Russland existiert quasi nicht mehr – ausgelöscht vor über 70 Jahren durch eine Atombombe der Nazis. Der Holocaust und der zweite Weltkrieg haben nie stattgefunden. Niemand weiß so recht, was die Deutschen an ihren Ostgrenzen so treiben, aber so genau möchte auch niemand fragen, denn schließlich lebt die Welt friedlich miteinander. Das N-Wort – Nazi – ist verpönt, doch alltäglicher Rassismus fällt den meisten nicht einmal auf. Die einzigen, denen diese Realität verkehrt vorkommt, sind Dan Carter, Emily Lovecraft und Polizist Martin Harrelson, die drei Personen, die vor einiger Zeit mit dafür verantwortlich waren, dass die „Verdrehung“ rückgängig gemacht wurde. Sie leben nun nicht länger in Providence, sondern in Arkham, und versuchen irgendwie, die Welt wieder so zu verdrehen, dass nicht länger überall Nazis herumlaufen. Doch mit dem Auftauchen eines berühmt-berüchtigten Buches und einem verdächtigen deutschen Experiment an Arkhams Universität verkompliziert sich die Sache natürlich, und auch höhere Mächte mischen sich ein, sodass Dan und Emily erstmal damit beschäftigt sind, das Schlamassel zu überleben, in das sie hineingezogen wurden.

Mit After the end of the world ist Howard eine Fortsetzung gelungen, die dem ersten Teil der Reihe in nichts nachsteht und den Leser rasend schnell tiefer in diese neue, alternative Realität hineinzieht. Am Ende von Carter & Lovecraft konnte man nicht ahnen, was die „Entdrehung“ der Verdrehung nach sich ziehen würde, und mit dem genialen Schachzug, die Geschichte des 20. Jahrhunderts umzuschreiben, hatte Howard meine Aufmerksamkeit sofort gefesselt. Auf den ersten Blick wirkt das an den Haaren herbeigezogen, doch bei näherer Betrachtung – was wäre passiert, wenn eine der Hauptmächte im Zweiten Weltkrieg direkt vor dessen Ausbruch ausgelöscht worden wäre? Dass dieser Atomschlag gegen die Sowjetunion natürlich nicht das war, was er vorgab, wird Dan und Emily erst klar, als es beinahe zu spät ist. Und die Tatsache, dass sie offenbar mitten im Interessenskonflikt von uralten Mächten jenseits der menschlichen Vorstellungskraft stecken, ist ihrer mentalen Gesundheit nicht gerade zuträglich.

Natürlich ist Howards Stil gewohnt locker und gewitzt, die Anspielungen auf Popkultur reichlich (Liebesgrüße aus BERLIN??) und das Lesevergnügen enorm. Wieder einmal spielt er mit Leichtigkeit mit Lovecrafts Mythologie, und insbesondere im Hinblick auf H.P. Lovecrafts eigene Rassenideologien ist diese alternative Realität gleich doppelt genial.

Aber natürlich ist das alles pure Fiktion, denn wer könnte sich denn heute schon vorstellen, dass Rassismus an der Tagesordnung ist und von einer der größten Weltmächte nahezu offen praktiziert wird …

Wieder einmal hat Herr Howard mich restlos begeistert. Für Fans von H.P. Lovecraft, subtilem Horror oder ganz generell SciFi und Fantasy sind Carter & Lovecraft und diese Fortsetzung definitiv Empfehlugen. Sprachlich dürfte After the end of the world auch für ungeübte Leser in Englisch keine große Herausforderung sein, wenn man von ein bisschen Slang und flapsiger Sprache absieht. Teil 1 wurde zwar vom Cross Cult Verlag herausgegeben, aber eine deutsche Ausgabe ist bisher leider nicht geplant.

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Jonathan L. Howard: After the end of the world
Thomas Dunne Books, 2017
358 Seiten
€ 21,50
eBook: € 11,49

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