Erweise dich als würdig

du-oder-ichJeder Mensch hat einen Doppelgänger und bekommt, bevor er zwanzig Jahre alt ist, den Auftrag, den jeweils anderen zu töten. 31 Tage haben die beiden Substitute Zeit, sich als würdig zu erweisen und der eine zu sein, der überlebt und dadurch ein Vollendeter wird. Damit geht sein Leben weiter, und er erhält Privilegien wie richtiges Essen oder ganz elementar die Möglichkeit, sein Leben zu führen. Die Jugendlichen werden zu Kämpfern ausgebildet, um gegen die Welt da draußen antreten zu können. Überwacht wird alles vom Board, das schließlich auch West Grayer den Auftrag erteilt, ihre Substitutin umzubringen. Doch West ist nach dem Tod des Bruders, ihres letzten Familienangehörigen, zur Strikerin, also zur Auftragskillerin, geworden und läuft davon …

Beim Klappentext war ich skeptisch. Die Geschichte ist nicht ganz so neu, wie sie es gerne wäre, sondern aus Versatzstücken aus „Die Insel“, „Die Tribute von Panem“ und „Gamer“ zusammengeschustert. Die Idee des Doppelgängers, der ausgeschlachtet wird und sich dagegen zu wehren beginnt; Jugendliche, die in einem wahnwitzigen Spiel ums nackte Überleben kämpfen; der ferngesteuerte Spieler, der sich erhebt und gegen die Spielleitung zu kämpfen beginnt. Kleine Elemente, die sich in diesem Thriller wiederfinden – und es sind nur drei Geschichten, obwohl sich noch mehr Parallelen in „Du oder ich“ eingeschlichen haben.

Der Beginn ist etwas verwirrend, irgendwann kommt man aber rein in die Geschichte um West Grayer und ihren Kumpel Chord. In der streng bewachten Stadt Kersh herrscht das Board, das alles kontrolliert und überwacht, um die Bewohner vor dem Rest der Welt zu schützen. Außerhalb der Schutzzäune leben die Anderen, die nach einem Impfunfall anscheinend zu Mutanten geworden sind. Deswegen wird auch künstlich jeder Mensch doppelt erschaffen, damit die sogenannten Substitute gegeneinander antreten können. Der Bessere gewinnt und wird zum Vollendeten, der würdig ist, zu leben und möglicherweise auch Kersh zu verteidigen. Mit dem Sieg und dem Status des Vollendeten gehen weitere Privilegien einher, etwa besseres Essen, das aus echtem Obst, Gemüse und Fleisch besteht und nicht mehr aus synthetisch erzeugten Produkten.
Ein paar Unstimmigkeiten lassen den Lesefluss leider stocken. So wünscht man sich mehr Informationen über die Welt außerhalb der eingezäunten Stadt oder das Seelenleben von West, die schließlich auch zur Aktivierten wird. Zuvor sammelt sie als Strikerin, also als Auftragskillerin, Erfahrungen in Kampftechniken, um gerüstet zu sein, wenn sie auf ihr Ebenbild trifft. Für die Ermordung des Substituten hat man vier Wochen Zeit. Chapman überspringt leider drei komplette Wochen davon, so dass man Wests Handlungen und ihr Zögern, sich ihrem Auftrag zu stellen, nur schwer nachvollziehen kann. Auch das Verhältnis zu Chord, der beste Freund ihres getöteten Bruders, ist verworren, und erst gegen Ende des Buches bekommt man eine ungefähre Ahnung, dass sie ihn wohl nur schützen möchte, damit ihm nichts passiert, wenn ihr Double auf sie stößt. Zwar scheint West davon auszugehen, den Kürzeren zu ziehen, arbeitet aber dennoch weiter als Striker und kassiert das Geld für anscheinend perfekt erledigte Aufträge. Die Protagonistin wirkt ziellos und nicht ganz ausgereift, was die Frage aufwirft, ob das Manuskript ursprünglich mehr Seiten umfasste und starkt gekürzt worden ist.

Die Geschichte plätschert häufig nur dahin und reißt nicht richtig mit, was auch an deutlichen Logiklücken liegt, die immer wieder auftreten. Dennoch ein Buch, das vermutlich Jugendlichen und Fans der Panem-Reihe gefallen dürfte.

Du oder ich ist der Debütroman von Elsie Chapman, die englische Literatur studierte und mit Mann und Kindern in Kanada lebt.

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Elsie Chapman – Du oder ich
Droemer Knaur, 2013
329 Seiten, Hardcover
16,99 € (ebook 14,99 €)
Droemer-Knaur

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