Der Racheengel

narbenkind
Victoria Bergman hat am Ende von Krähenmädchen gewütet wie einst Carrie bei Stephen King. Ihre Eltern sind in der Sauna, in der ihr während ihrer Kindheit und Jugend so viel angetan wurde, jämmerlich verbrannt. Kommissarin Jeanette Kihlberg ist gezwungen, die Ermittlungen an den toten Jungen einzustellen, man kann deren Identität nicht ermitteln, und die Fälle gelten als aufgeklärt. Mittlerweile ist sie von ihrem Mann Åke getrennt, dieser ist mit seinen Bildern tatsächlich groß rausgekommen und lebt nun mit seiner Entdeckerin, der Galeristin Alexandra zusammen. Johan, ihr gemeinsamer Sohn, ist noch einsamer und unzufriedener mit Jeanette. Lediglich die Psychologin Sofia Zetterlund, mit der sie mittlerweile eine Liebesbeziehung hat, ist ihr Halt, Freude und Liebe. Gleich zu Anfang sieht es so aus, als käme dennoch keine gute Zeit auf Jeanette zu:

Während eines Rummelplatz-Aufenthalts gemeinsam mit ihrem Sohn und Sofia verschwindet dieser plötzlich und wird dann verletzt aufgefunden. Aber er wird wieder gesund und Jeanette kann, muss und will sich wieder ihrer Arbeit widmen. Eine tote Frau, womöglich vergewaltigt, wird aufgefunden. Dennoch will sie sich die Zeit nehmen, zusammen mit ihrem Kollegen Jens Hurtig den Fall um die toten Kinder endgültig zu lösen.Ging es im ersten Band vor allem um die Jungen, die auf grauenvolle Art und Weise zu Tode gebracht wurden, so geht es hier vorrangig um die Vergangenheit von Victoria Bergmann. In zahlreichen Rückblenden wird uns ihr Leben näher gebracht. Dazu gehören ihre Kindheit, ihre Jahre in der Lehranstalt Sigtuna, wie man sie von zu Hause wegschickt, als sie schwanger wird und man ihr noch mit der Nachgeburt das Kind entreißt, sowie die Art und Weise, wie sie mit den grauenvollen Situationen in ihrer Kindheit, in ihrer Jugend und auch später immer wieder umgeht. Es geschehen weitere bestialische Morde, und alle Handlungsstränge laufen irgendwie bei der Familie Bergmann zusammen. Die Ermittler gehen von einem Racheakt aus, und meine Meinung ist: Wenn das keine Rache ist – dann weiß ich es auch nicht. Und immer und immer wieder kreuzt auch der Name Sofia Zetterlund die Fälle. Nun gibt es schon eine junge und eine alte Version davon!Dieser zweite Band ist weitaus psychologischer als der erste. Von Psychologen und Ärzten vorgenommene Untersuchungen und Diagnosen an jungen Mädchen, die von grauenvollen Vergewaltigungen und Misshandlungen in ihrem jungen Leben gequält wurden, nehmen emotional fast mehr mit als die Beschreibung von Folterungen an den Jungen im ersten Band. Die Vorstellung von einer kleinen Victoria Bergmann, die mit dem Schlauch samt metallenen Schlauchstück auf den Rücken blutig geschlagen wird, die auf Schotter kniend von ihrem Vater „von hinten genommen wird“ und davon noch mit 40 Jahren Narben auf den Knien davonträgt, ebenso die Sache mit dem Flaschenhals in der Scheide einer Dreijährigen – dies ist schwer aushaltbar für eine mitfühlende Frau.
Mitten in all der Spannung und emotionalen Fesselung ist das Buch zu Ende. Es hat mir besser gefallen als Band 1, wenngleich auch wieder ein paar Namen und Handlungsstränge zu viel eingebaut waren, das hat verwirrt. Aber es hat mich mehr gepackt. Ich werde gleich morgen mit Band 3 beginnen.
:lesen: :lesen: :lesen: :lesen: :buch2:
Erik Axl Sund: Narbenkind
Broschiert: 512 Seiten
Goldmann Verlag (15. September 2014)
12,99 Euro
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