Die verschwundenen Kinder

Kriminalhauptkommissarin Jeanette Kihlberg hat immer noch ein wenig an ihrem Ehe-Aus zu knabbern. Ihr neues Haus und den Garten herzurichten motiviert sie nicht mehr so sehr. Sie hört halbherzig einer Literatursendung zu, als eine Stimme sie aufmerksam aufhorchen lässt. Es ist der international bekannte Schriftsteller Per Qviding, der ein neues, ihres Erachtens nach pseudo-philosophisches, Buch vorstellt. Jimmy Schwarz, ihr direkter Untergebener bei der Stockholmer Polizei, unterbricht ihre Gedanken mit einem neuen Mordfall. Sehr viel passiert danach.

Schwarz wird verletzt, ein kleines Mädchen gerettet, es gibt Tote. Der Lauf der Ermittlungen bringt den Psychologen Love Martinsson ins Spiel. Er arbeitete schon mehrmals mit der Polizei zusammen. Nachdem er kurz zuvor genau diese junge Frau aus einem Wohnheim vermisst meldete, die in diesem Fall schwer verletzt aufgefunden wird, ist klar, dass es zu weiteren Zusammenhängen kommen wird. Love hat zwar gekündigt und gibt seine jungen Mädchen aus dem „Hexenkessel“ auf, so wird das betreute Wohnheim intern genannt, doch er wird weit mehr in den Fall hineingezogen, als er sich das je hätte vorstellen können. Seine Mädchen geben ihm auf einer spontanen Abschiedsparty noch einen Hinweis auf einen Schriftsteller namens Per Qviding. Da ist er wieder, der Name! Sein Buch „Aus Stinas Leben und Tod“ ist irgendwie in aller Munde, diese Geschichte um ein junges armes Mädchen, das nichts anderes kannte als Armut, Hunger und das Leben fernab der Zivilisation auf einem kargen ärmlichen Stück Land. Und dann wird, obwohl Stockholm durch zwei Morde aufgewühlt ist, noch ein verwahrlostes Mädchen aufgegriffen. Sie spricht nicht und ist völlig verstört. Nur Love Martinsson kann Kontakt zu ihr aufbauen. Im Nachhinein verständlich eigentlich. Das Mädchen, stellt sich in der Dusche heraus, ist ein völlig unterernährter Junge. Kihlberg und Schwarz führt sie in ihrem Fall zum Autor dieses populären Buches. Weil dieser so vermessen ist, dass er sich mit seinem literarischen Erguss auf der gleichen intellektuellen Ebene zu befinden glaubt, wie Bob Dylan, der Singer/Songwriter, Lyriker und Nobelpreisträger, kommen Kihlberg und Schwarz der Lösung ihres Falls immer näher.

Dieser Roman fängt sehr langsam an, obwohl er natürlich von Anfang an mit Gräuel aufwarten kann. Sehr viele Charaktere kommen ins Spiel, viele verschiedene Erzählstränge und auch immer wieder die Geschichte von Stina aus dem Roman in Form von Tagebucheinträgen und dem Ausblick darauf, was später aus ihr wurde. So muss man schon sehr am Ball bleiben, um dem Geschehen folgen zu können. Doch irgendwann packt einen die Geschichte dermaßen, dass man es in einem Rutsch auslesen muss. Wieder einmal hat Erik Axl Sund eine Idee umgesetzt, die ich vorher so noch nie ausgeführt gesehen habe. Das Schlimmste auf Gottes Erdenball ist es doch, bedürftigen Kindern nicht zu helfen, sondern sie auszunutzen und aufs Schändlichste zu missbrauchen. Abgründe tun sich auf, und ja, Death is not the End!

Die düsteren schwedischen Jungs Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist aka Erik Axl Sund sind mit ihrer Victoria-Bergman-Trilogie international bekannt geworden. Waldgrab ist der mittlerweile dritte Band der Kronoberg-Reihe.

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Erik Axl Sund: Waldgrab
Übersetzung aus dem Schwedischen: Nike Karen Müller
Goldmann Verlag; Vö. 18. Januar 2023
Broschiert, 496 Seiten
15 Euro
eBook: 9,99 Euro

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