Ein blutiger Trip durch die Musikgeschichte

price_eroadkill_144273_kleinDaniel Erickson ist ein ganz schöner Mistkerl. Als Musikpromoter hat er seine Schützlinge nach Strich und Faden abgezockt, seine Ex-Frau hasst ihn so sehr, dass sie nach der Scheidung ein Kontaktverbot erwirkt hat, und wo sein Sohn sich gerade aufhält, weiß er auch nicht. Dazu ist Danny auch noch ziemlich dumm. Wer würde sich sonst eine Million Dollar von einem äußerst dubiosen russischen Geschäftsmann leihen, um damit ein mehr als löchriges Fernsehkonzept zu finanzieren, das natürlich scheitert? Kein Wunder also, dass Danny dem Russen und seinem gar nicht zimperlichen Angestellten Moog schmerzhafte Rede und Antwort stehen muss (neun Finger tun’s doch auch). Die Million, die er noch in seinem Safe hatte und mit der er den Russen besänftigen wollte, ist auch plötzlich verschwunden. Anstelle des Geldes findet Danny nur einen Umschlag mit einer ominösen CD, auf der ein Blues-Song von der ihm unbekannten Band Dockery Plantation enthalten ist. Der Text sagt ihm unmissverständlich, dass er sich auf eine lange Reise begeben muss, wenn er sein Geld wiedersehen will.
Eine abenteuerliche Schnitzeljagd quer durch Amerika beginnt, auf der Danny von Moog und dem komplett wahnsinnigen mexikanischen Killer Rabidoso verfolgt wird und auch sonst recht wunderliche Menschen trifft. 

Road Kill ist wie der Blues – brutal, ans Herz gehend, aber irgendwie auch wohltuend und manchmal sogar ein wenig lustig. Vor allem aber ist es spannend und richtig gut geschrieben. Ein Buch für Musikliebhaber, das man aber auch ohne tiefgehende Kenntnisse der Geschichte der schwarzen Musik lesen kann. Eyre Price führt den Leser zusammen mit Danny und dem skurrilen Killerduo quer durch die Vereinigten Staaten und erzählt anhand der verschiedenen Stationen, an denen Danny sich eine neue CD mit neuen Hinweisen beschaffen muss, wie aus dem ursprünglichen Blues eines Robert Johnson schließlich viele Jahre später moderner Rock wurde. Über Mississippi, New Orleans, Memphis und Nashville – die Wiege der schwarzen Musik – geht die turbulente Reise weiter nach Chicago und Detroit zu den großen Soul-Studios, um schließlich über Cleveland (die Rock’n’Roll Hall of Fame), Philadelphia und New York in Seattle zu enden, wo das Rätsel um Dockery Plantation geschickt aufgelöst wird. Elf wahnsinnige Tage, die Danny für immer verändern, in denen er viel lernt und viele seltsame Menschen trifft, die ihm alle irgendwie weiterhelfen. Nicht alles ist immer rational erklärbar (was für Kräfte hat der alte Mr. Atibon eigentlich, der immer wieder seinen Weg kreuzt?), passt aber zu der märchenhaften Atmosphäre, die das Buch trotz aller Brutalität und allen Wahnsinns überzieht. Manche Dinge geschehen einfach.

Neben den wunderbaren Musikverweisen auf der Tour de Force auf den Spuren des Rock’n’Roll hat mir vor allem auch die wirklich ausgeklügelte und gut durchdachte Geschichte beziehungsweise die Schnitzeljagd durch diverse Bundesstaaten gefallen. Die Hinweise auf den nächsten Ort mit einer CD sind in Songtexten versteckt, die Danny entschlüsseln muss, und die richtig gut gemacht sind (im Anhang des Buches sind sie übersetzt gesammelt). Der Autor beweist hier großen Einfallsreichtum und verpackt geschickt viel Musikgeschichte in den Hinweisen, ohne dass es belehrend oder aufgesetzt wirkt. Trotz aller Konstruktion ist die Schnitzeljagd nicht zu konstruiert, und durch die gelegentlichen Gewaltexzesse, an denen das Killerduo nicht ganz unschuldig ist, wird das Ganze auch ordentlich aufgelockert.

Überhaupt das Killerduo: Damit ist Eyre Price wirklich etwas geglückt. Der hochprofessionelle, prinzipientreue Vernon „Moog“ Turner und der vollkommen durchgeknallte mexikanische Auftragskiller Rabidoso (der eine groß und ruhig, der andere klein und hysterisch) geben ein unglaubliches Pärchen ab und sorgen für sehr viel Situationskomik.

Einzig der wirklich extrem blutige Showdown des Buches, in dem genüsslich quasi jeder fliegende Blutstropfen beschrieben wird, war mir ein wenig zu viel des Guten. Nicht wegen der Brutalität, sondern wegen der Länge der Szene, das hätte kürzer und knackiger noch besser gewirkt.

Insgesamt aber ein wirklicher Hochgenuss für Fans von Blues, Soul und anderen Vorläufern des modernen Rock, die aber auch eine ordentliche Portion Gewalt in einem Buch zu schätzen wissen. Mir hat Road Kill ausnehmend gut gefallen, und ich bin gespannt auf weitere Bücher des Autors.
Die Songs zum Buch können übrigens auf der Buchrückseite über einen QR-Code heruntergeladen werden.

:buch: :buch: :lesen: :lesen: :lesen:

Eyre Price stammt aus Syracuse, betrachtet aber die amerikanischen Highways als seine wahre Heimat. Seine Leidenschaften sind Musik und Schreiben. Zusammen mit seinem Sohn hat er den berühmten Blues Highway von Minnesota nach New Orleans bereist und alle anderen wichtigen Musikgedenkstätten in den USA. Daraus entstand schließlich sein Debüt Road Kill(Blues Highway Blues im Original). Der zweite Band der Crossroads Thriller, Rock Island Rock, erschien in Amerika im Sommer 2013, der dritte Band, Star Killer Star, ist für Sommer 2014 angekündigt.
Eyre Price lebt mit Frau und Sohn in Illinois.

Webseite Eyre Price
Webseite Autor Heyne

Eyre Price: Road Kill
Heyne Hardcore
Übersetzt von Jörn Ingwersen
Klappenbroschur, 480 Seiten
Amazon: 12,99 € (eBook: 9,99€)

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1 Kommentar
  1. Jack
    Jack sagte:

    Ein schoenes Buch, auch wenn ich das Ende ein bisschen arg gewollt finde
    Bei der Figur von Mr. Atibon habe ich erst gedacht, es waere der manifestierte Geist Robert Johnsons, diese Theorie doch schnell wieder verworfen.
    Als ich den Roman beendet habe, musste ich doch mal im Netz gucken und habe das gefunden (Spoilerrisiko)

    http://en.m.wikipedia.org/wiki/Papa_Legba

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