Frollein Tod berichtet

… aus ihrem Arbeitsalltag und lässt uns auch Anteil haben an ihrem Privatleben. Judith Brauneis war noch sehr jung, als sie sich entschieden hat, „Frollein Tod“ zu werden. Sie folgte dem Ruf des Todes, der sich scheinbar mit ihr anfreunden wollte, und richtete sich in der Pathologie der TU München ein. Fachlich, sachlich, aber ebenso locker und mit einer extra Prise Humor erzählt die Leichenpräparatorin von ihrer Arbeit mit den Toten und wie sie dadurch zu ihrer wahren Bestimmung fand. Frau Brauneis schildert offen und einfühlsam, wie sie in ihrer begleitenden Tätigkeit als Notfallseelsorgerin stark genug wurde, Tragödien ins Gesicht zu blicken und sanft genug, denen, die leiden, Unterstützung und Mitgefühl zu schenken.

Der Tod ist unser aller Begleiter, nicht jede*r will das wahrhaben, aber so ist es nun mal. Wie kann es anders sein, dass man also als Leichenpräparatorin auf du und du mit dem Gevatter steht. Die Leser*innen erfahren viele Einzelheiten aus dem Arbeitsalltag von Frollein Tod und auch, wie man Student*innen bei einer Obduktion erschrecken kann. Aber diese Dinge gehören dazu und schrecken einen nicht weiter ab, ein Thriller wäre für mich wesentlich eindrücklicher und beängstigender. Aber es geht ja nicht nur um so blutige Angelegenheiten, es kommt auch schon mal vor, dass Herzschrittmacher in einer Kiste das Singen anfangen, denn hier werden sie nach der Entnahme aufbewahrt. Und genau diese Dinge sind es, die einen immer wieder beim Lesen lächeln lassen, denn Frau Brauneis hat den Schalk im Nacken beim Aufschreiben ihrer Geschichte. Der Tod gehörte für sie von klein auf auch in der Familie dazu, und ihre Erfahrungen mit übersinnlichen Vorgängen nach den Ableben der lieben Verstorbenen spielen eine große Rolle. Man erlebt mit, wie die Leichenfrau (altmodischer Begriff für diese Art von Arbeit) zur Notfallseelsorgerin der Pathologie wird. Es gibt auch Wissenswertes zu erfahren, für den Fall dass ein Todesfall in der eigenen Umgebung eintritt: Es geht um die Zustimmung der Angehörigen zur Obduktion und das weitere Vorgehen, um die Überbringung von Todesnachrichten mit einer Anleitung dafür, um Feuerbestattungen, um Körperspenden, um Trauer und Abschiednehmen als Erwachsener und Kind. Und genau da stimmen meine Erfahrungen mit der von Judith Brauneis überein. Man erfährt auch etwas über Postmortem-Fotografie am Ende des 19. Jahrhunderts oder über die bedauerlichen Zustände in den letzten zwei Pandemiejahren, in denen der Abschiedsraum in der Pathologie der Technischen Universität in München für Forschungsarbeiten der Mediziner konfisziert wurde, sehr zum Leidwesen der Präparatorin. Es geht um Sternen- bzw. Schmetterlingskinder, was harter Tobak sein kann, aber aus ihrer Sicht zur täglichen Arbeit gehört, ca. 70 mal im Jahr. Im Arbeitsalltag kann es schon mal sein, dass ein Prominenter seziert wird, oder dass sie sich um Opfer kümmern muss, die zum Beispiel im Jahr 2016 anlässlich des OEZ-Attentats auf ihrem Seziertisch vorzufinden sind. Die Autorin berichtet aber auch über ihr Privatleben mit Yoga, Cheatdays, Katze, Mann und Seelenhygiene.
Für mich stellte sich auch die Frage, wie kommt man auf die Idee das Buch Im Himmel gibt’s Lachs zu nennen. Das mag wohl damit zusammenhängen, dass genau dieses Gericht eine Leibspeise für die Autorin ist, einschließlich Prosecco. Eine schöne Idee finde ich, es ist etwas, worauf man sich nach dem eigenen Ableben freuen kann, evtl. sogar jeden unendlichen Tag lang. Aber mehr wissen wir erst, wenn uns der Boandlkramer abgeholt hat.
Auf jeden Fall ist hier ein sehr lesenswertes und auch amüsantes Buch entstanden. Bei vielem habe ich mit meiner Erfahrung übereingestimmt. Frau Brauneis hat die Lockdown-Zeit für das Schreiben eines sehr guten Buchs genutzt. Über unsere übersinnlichen Erfahrungen nach dem Tod einer nahestehenden Person sollten wir unbedingt einmal persönlich sprechen. Dank der im Buch angegebenen Kontaktadresse ist das gar nicht so unwahrscheinlich.

Infos zur Autorin (Quelle MVG-Verlag): Judith Brauneis ist ausgebildete medizinische Präparatorin und Notfallseelsorgerin. Seit 1998 leitet sie den Sezierbereich der Pathologie der Technischen Universität in München. Unter ihrem Pseudonym „Frollein Tod“ erzählt sie auf zahlreichen Veranstaltungen von ihrem spannenden Alltag als Sektionsassistentin und Trauerbegleiterin. Sie lebt mit ihrem Mann und Kater Ralle in Bayern.

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Frollein Tod: Im Himmel gibt’s Lachs
riva Verlag, Oktober 2021
224 Seiten
17 €

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