Was wollte uns der Autor damit sagen?

 

Nur noch kurz die Welt retten

Nur noch kurz die Welt retten – ein frommer Wunsch, sehr passend zur Weihnachtszeit. Doch was genau meint Tim Bendzko eigentlich damit? Solche und ähnliche Fragen werden einem im zweiten Buch vo
n Günther Fischer und Manfred Prescher beantwortet. Nach dem ersten Liedzeilenband Alles klar auf der Andrea Doria ist dies die Fortsetzung und knüpft nahtlos dort an. Gleich zu Anfang liefert das Vorwort eine schnelle Übersicht, welche Songs und Künstler in dieser Ausgabe behandelt werden.

Beginnend bei den 30er Jahren mit zum Beispiel „Strage Fruit“ von Billie Holiday über Ohrwürmer wie „Winds of Change“ von den Scorpions und „I still haven’t found what I’m lookinng for“ von U2 arbeiten sich die beiden Autoren systematisch zu aktuellen Hits wie „Love the Way you lie“ von Eminem und Rihanna aus 2010 vor.
Bei einigen Songs reicht schon die Überschrift, um diese sofort wieder im Ohr zu haben. Wer kann nicht sofort die Melodie zu „Hit the Road Jack“ summen? Sicher deutlich mehr Leute als Fans, die auch etwas über den Sänger wissen und die Entstehungsgeschichte dieses Songs kennen. Eigentlich wurde der Song schon 1960 von Percy Mayfield als A-Capella-Stück komponiert; Ray Charles nahm sich den Song dann ein Jahr später vor und veröffentlichte die Version, die heute jeder kennt. Dass die erzählte Geschichte auch noch zu seiner damaligen privaten Situation passt (Charles hatte eine Affäre und dadurch oft Streit mit seiner Frau), erzählen einen die Autoren auch.
Überhaupt beschäftigen sich die kurzen Texte nicht nur mit den einzelnen Songs, sondern liefern meist auch eine Einordnung in das derzeitige Weltgeschehen, die persönliche Situation des Komponisten bzw. Interpreten und noch weitere Hintergrundinformationen. Dadurch werden auch Songs interessant, die man vorher noch nicht gekannt hat. „Mull of Kintyre“ von den Wings ist für mich eine dieser Entdeckungen gewesen.

Etwas irritiert hat mich leider der Umgang mit englischen Songs. Natürlich wird oft aus den Originaltexten zitiert, meist werden die Zitate auch gut in den Textfluss eingebaut und unterstützen die Argumentation der Autoren. Das setzt aber natürlich eine gewisse Grundkenntnis der englischen Sprache beim Leser voraus. An anderen Stellen wird direkt nach dem Zitat in Klammern eine Übersetzung eingefügt, hier scheinen die Autoren dem Leser nicht mehr zuzutrauen, die Sprache zu verstehen. Für mich ist aber nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien hier entschieden wurde.
Auch etwas schade finde ich, dass bei einigen Songs praktisch nur die Geschichte des bekanntesten Covers erzählt wird. So wird zum Beispiel „Hurt“ von Nine Inch Nails gleich zwei volle Seiten gewidmet. Man erfährt aber hauptsächlich etwas über Johnny Cash, und wie er überredet wurde den Song als Cover aufzunehmen. Was Trent Reznor mit seiner Band Nine Inch Nails aber mit dem Songs ausdrücken wollte, was ihre Geschichte dieses extrem emotionalen Songs ist, wird komplett ignoriert. Dabei hätte ich genau das gerne nachgelesen!

Günther Fischer war früher Kulturchef und Resortleiter bei verschiedenen großen Zeitungen und schreibt heute über Kultur und Automobile. Sein Co-Autor Manfred Prescher schreibt Musikkolumnen und moderiert eine Radiosendung. Zusammen haben sie ein sehr kurzweiliges und unterhaltsames Nachschlagewerk zu bekannten (und einigen vielleicht weniger bekannten) Songs aus den letzten fast 90 Jahren geschaffen, das vor allem mit dem ersten Band Alles klar auf der Andrea Doria schon einen großen Teil der Rock- und Popgeschichte abdeckt. Für Musikenthusiasten ist Nur noch kurz die Welt retten zum immer wieder Nachschlagen klar zu empfehlen, aber auch für kurze Stecken in der U-Bahn ist dieses Buch ein idealer Begleiter. Am besten mit Kopfhörern und dem passenden Soundtrack!

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Günther Fischer und Manfred Prescher: Nur noch kurz die Welt retten – Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte
Theiss, 2015
240 Seiten
19,99 €
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