Hey, look what I just got!(1)

– John Scalzi gewinnt mit „Redshirts“ den Hugo Gernsback Award 2013 in der Kategorie „Bester Roman“ – allerhöchste Zeit, einen Blick in das Buch zu werfen.

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Ein Redshirt ist, wie dem eifrigen SF-Leser, -Zuschauer und Rollenspieler sicherlich bekannt ist, ein durch Star Trek – The Original Series geprägter Begriff und bezeichnet eine Figur, die mehr oder weniger sofort stirbt. Redshirts sind Kanonenfutter, die armen Schweine, die bei Einsätzen auf fremden Planeten dran glauben müssen, um den anderen Figuren (in andersfarbiger Oberbekleidung) das Überleben zu ermöglichen. In der Science Fiction wird die Bezeichnung seit den Anfängen von Star Trek genutzt, etwa in der Fernsehserie Futurama, wenn Zapp Brannigan die „Redskirts“ in den sinnlosen Tod schickt, ausgelöst durch seine eigenen, absurden Befehle; das Kartenspiel Munchkin erlaubt Redshirt-Mietlinge, deren einzige Fähigkeit es ist, sich im Kampf zu opfern; und John Ringo benennt die Redshirts seiner Military SF-Romane nach Lesern. Die Todesrate dieser Figuren ist in der Tat enorm – und John Scalzi hat sich gefragt: Was passiert, wenn die Jungs in den roten Klamotten dahinterkommen, warum das so ist?

Genau das tut jedenfalls Fähnrich Andrew Dahl, der auf dem Flaggschiff der Universalen Flotte Intrepid anheuert. Schnell muss er lernen, dass seine Kameraden sterben wie die Fliegen, wenn sie a) auf einem Außeneinsatz sind und b) daran auch ein hochrangiger Offizier teilnimmt. Deswegen sind seine erfahreneren Kollegen eifrigst bemüht, unauffällig zu bleiben, was so weit geht, dass sie sich in Luft aufzulösen scheinen. Und nicht nur das: Auf dem Schiff gehen merkwürdige Dinge vor, die von allen Crew-Mitgliedern hingenommen werden, wenn auch nicht unbedingt mit Gelassenheit. Im Gegenteil: Jedem fällt auf, dass Captain Abernathy besonders dramatische Dinge sagt, dass immer bereits ein Mitglied der Mannschaft gestorben ist und ein weiteres im Sterben liegt, und dass man, sozusagen nebenbei, auch fast immer die komplette Bevölkerung eines Planeten retten muss.

Eine tödliche Seuche bedroht die Mannschaft, und es bleiben nur drei Stunden Zeit, ein Gegenmittel zu entwickeln? Kein Problem, eine Art mysteriöse Supermikrowelle schafft da Abhilfe, aber erst nach zwei Stunden und fünfzig Minuten, und das ist auch nicht die endgültige Lösung, das wäre ja viel zu einfach und zu wenig dramatisch. Statt dessen spuckt die Box einfach nur Datensalat aus, den dann, augenscheinlich aus dramaturgischen Gründen, der Wissenschaftsoffizier, der so ganz nebenbei auch als Einziger in der Lage ist, den Begriff „antibakterielles Serum“ mit einer Viruserkrankung in Zusammenhang zu bringen, entschlüsseln und in letzter Minute zur Rettung der Besatzung (und des Planeten) anwenden kann.

Kurz und gut, im Laufe des ersten Drittels des Buchs wird nahezu jedes Klischee parodiert, das man gemeinhin mit dem Dienst an Bord der EnterIntrepid in Verbindung bringen kann. Doch Arne Dahl ist schlau genug (und überlebt lang genug), um die angesichts der Umstände einzige plausible Theorie aufzustellen: Seine ganze Welt, ja, seine Existenz, ist Teil einer Fernsehserie, die eigenen Gesetzen – denen der Drehbuchautoren – folgt. Eine andere, plausible Erklärung für alles, was an Bord passiert, kann es einfach nicht geben!

Fröhliche Dekonstruktion

Und ab diesem Punkt gelangt Redshirts auf eine Metaebene, auf der das, was seine Figuren bisher als Realität anerkannt haben, gekonnt dekonstruiert wird. Das macht Scalzi mit einer sehr großen Portion Ironie, weswegen der Roman auch hier einwandfrei funktioniert. Arne Dahl und seine Redshirt-Kollegen, die gewollt farblos und ohne Tiefgang bleiben – immerhin sind sie ja nicht mehr als nur ein paar Zeilen in einem Script – begeben sich aus ihrer in unsere Realität, um dafür zu sorgen, dass sich ihr Leben auf der Intrepid signifikant verbessert. Dass das nicht ohne Komplikationen und Verwirrungen abläuft, ist von vornherein klar; beispielsweise ist es nicht ohne Schwierigkeiten für alle Beteiligten, wenn Serienfiguren auf Schauspieler treffen. Die Idee ist keineswegs neu (man denke beispielsweise an Last Action Hero), aber hier sehr originell und mit viel Witz umgesetzt, weswegen der Plot einwandfrei aufgeht. Und natürlich haben die Autoren ihre ganz eigenen Probleme, die sich indirekt auch auf das auswirken, was in der Serie passiert.

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Viel Witz

Scalzi setzt dann aber noch einen drauf: In drei Codas im Anhang nimmt er alles noch einmal auseinander, schließlich sind seine „realen“ Drehbuchschreiber ebenfalls nur ein Produkt seiner – Scalzis – Fantasie. Dass auch dieser Teil des Romans funktioniert und das Lesevergnügen noch einmal erhöht, ist in meinen Augen die Glanzleistung, die John Scalzi hier vollbringt und die Redshirts zu wesentlich mehr machen als nur einer scheinbar witzig-banalen Parodie auf Star Trek (das, wenn ich mich richtig erinnere, im Roman nicht ein Mal direkt erwähnt wird – aber allein die Tatsache, dass das Schiff Intrepid heißt, spricht natürlich Bände!).

Woher die Inspiration kommt, ist mir so weit auch klar, immerhin hat Scalzi als Drehbuchautor für Stargate Universe gearbeitet und kennt sich bestens mit der Materie aus – und scheinbar auch mit den Absurditäten, die dieser Beruf mit sich bringt. Seine Form von Humor, dem „herrlich wenig heilig zu sein scheint“ (2) und der alle Scalzi-Romane bisher zu einem wunderbaren, kurzweiligen und unendlich lustigen Lesevergnügen macht (bei dem man allerdings die Cover ignorieren sollte, denn geht man nach denen, schreibt Scalzi knallharte Military SF – und dem ist definitiv nicht so), kommt hier besonders gut zur Geltung, immerhin geht es gewissermaßen um die „Heilige Kuh“ Star Trek, die hier ausgiebig aufs Korn genommen wird. Und gerade im Bereich des sogenannten Technobabbels, also der übermäßigen und zumeist sinnlosen Verwendung von technischen und wissenschaftlichen Begriffen in Star Trek, gibt es für Scalzi kein Halten mehr. Kostprobe gefällig?

„Jetzt hör mir genau zu, Andy. Als Nächstes machst du Folgendes. Zuerst gehst du mit deinem Padd auf die Brücke und wendest dich an Q’eeng.“
„Warum?“, fragte Dahl. „Ich könnte ihm die Daten einfach rüberschicken.“
Trin schüttelte den Kopf. „Nein, so funktioniert das nicht.“
„W …“, begann Dahl.
Trin hob eine Hand. „Halt einfach mal den Mund und hör zu, okay? Ich weiß, dass es ziemlich idiotisch ist, aber so wird es nun mal gemacht. Geh mit deinem Padd zu Q’eeng. Zeig ihm diese Daten. Und während er sich die Sache ansieht, sagst du: ‚Wir haben es fast geschafft, aber wir haben noch Probleme mit der Proteinhülle.‘ Dann zeig einfach auf die Daten, die gerade durchscrollen.“
„,Proteinhülle‘?“, fragte Dahl nach.
„Es muss nicht die Proteinhülle sein. […] Du kannst dir auch etwas anderes aussuchen. Eine fehlerhafte Enzymtranskription. Komplikationen bei der RNS-Replikation. Mir persönlich ist ‚Proteinhülle‘ lieber, weil man es leichter aussprechen kann. Es geht darum, dass du sagen musst, dass es fast perfekt ist, aber noch irgendein Problem gelöst werden muss. Und dabei zeigst du auf die Daten.“ […]
„Das alles ergibt doch überhaupt keinen Sinn“, sagte Dahl.
„Völlig richtig“, pflichtete Trin ihm bei. „Ich hatte bereits erwähnt, dass es so ist.“ (3)

Was Scalzi ebenfalls besonders gut gelingt, sind die Passagen, in denen vom „Alltag“, also den Sequenzen, in denen nichts für die Serie Relevantes passiert, zum Geschehen auf der Leinwand gewechselt wird. Festmachen kann man das am Verhalten und der Sprechweise der Offiziere, alles wird plötzlich „shatnerisiert“, vollkommen überdreht und überdramatisiert. Großartig und endlich die Antwort auf die Frage, was Lieutenant Uhura macht, wenn sie nicht im Fernsehen zu sehen ist. Doch wer jetzt denkt, hier gehe es lediglich um das Bashing geliebter Serien, hat bis hierhin nicht genau mitgelesen.

Redshirts hat verdientermaßen in diesem Jahr nicht nur den Hugo gewonnen, sondern auch den Locus Award – na, wenn das mal kein Anreiz ist, sich diesen Roman sofort zu kaufen, weiß ich’s auch nicht …

:buch: :buch: :buch: :buch: :buch:

John Scalzi: Redshirts. Roman. Deutsch von Bernhard Kempen.
Wilhelm Heyne Verlag 2012.
432 Seiten. 13,99 Euro.
Verlagsinformationen zum Buch.
Zur Homepage des Autors.

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1 John Scalzi via Twitter, 2.9.13; Weitere Bilder. Und noch mehr davon!
2 Karsten Kruschel: „John Scalzi: Androidenträume“. In: Sascha Mamczak und Wolfgang Jeschke (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2009. Wilhelm Heyne Verlag, München, 2009, S. 1398–1400.
3 Scalzi: Redshirts. S. 58/59.

Dieser Beitrag ist erstmals am 14. September 2013 im CulturMag erschienen.

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