Poetry Princess

engelmann12013 hat alles angefangen. Julia Engelmann hat bei einem Poetry Slam mit ihrer Version des Songs „One Day“ des Musikers Asaf Avidan so richtig Aufmerksamkeit erregt. Das Video des Auftritts hat danach die sozialen Netzwerke zum Glühen gebracht. Es war aber auch zu schön, dieses „Eines Tages, Baby“, vorgetragen von ihr! Mittlerweile liegt ihr fünftes Büchlein vor, und es ist außerordentlich hübsch aufgemacht und bereitet einem Freude, es in die Hand zu nehmen und darin zu schmökern. Ein liebevoll gestalteter Umschlag mit einer schönen Haptik, dazu niedliche Zeichnungen der Autorin auf jeder Seite laden dazu ein. Die Gedichte selbst befassen sich mit großen und kleinen Momenten, mit Alltagserlebnissen wie mit außergewöhnlichen Situationen. Oft sind es Überlegungen, Beobachtungen, Entscheidungsfindungen. In vielem kann man sich wiederfinden, egal ob man wie die Autorin auch in seinen 20ern ist oder wesentlich älter. Jeder kann sich doch noch daran erinnern, wie es sich anfühlt, wenn man frisch verliebt ist, falsche Entscheidungen getroffen hat, eine Nacht durchgemacht hat, bis die Wolken wieder lila sind, eine Beziehung beendet hat.

Wie es ist, wenn ein großer Schmerz, ein großes Gefühl ganz allmählich doch tatsächlich weniger wird. Ja, Zeit heilt Wunden! Überhaupt Zeit: Zeit vergeht viel zu schnell, plötzlich ist es zehn Jahre her, dass man in die Schule ging, soviel ist passiert und dann doch auch wieder nicht, und man fühlt sich noch genau wie damals! Aber doch ist man anscheinend erwachsen geworden, denn man lernt Grenzen zu setzen und „Nein“ sagen zu können. Julia Engelmann beobachtet gerne und lässt dies dann in ihre Gedichte einfließen. Wie verhalten sich Menschen in der S-Bahn, warum muss man manche Dinge englisch ausdrücken, wie verhalten sich Hunde oder Wellen, wie schön sieht Herbstlaub aus? Manche Gedichte sind kurz, manche umfassen mehrere Seiten, es wird gereimt oder auch nicht, aber immer stelle ich mir dabei die Stimme und den Sprachrhythmus von Julia Engelmann vor. Ich habe sie einmal live gesehen und fand das sehr berührend.

engelmann2Ganz besonders niedlich ist übrigens auch ihre Art zu zeichnen, nur ein paar Federstriche, doch ich erkenne den kleinen Prinz von Antoine de Saint Exupéry, den Typen von Into the wild auf seinem Bus und John Lennon und Yoko Ono bei ihrem Bed-In. Was für eine putzige Gabe, kleine Bilder in Geschichten einstreuen zu können – wie Konfetti!

Wer noch nach Kleinigkeiten für Weihnachten sucht, kann hier bedenkenlos zugreifen, es müsste schon jemand ganz besonders herzlos sein, dass einen dieses Gedicht-Bändchen kalt lässt.

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Julia Engelmann: Keine Ahnung, ob das richtig ist
Goldmann Verlag    21. Oktober 2019
128 Seiten
Taschenbuch 9 Euro, eBook 7,99 Euro

(Zeichnung: Julia Engelmann)

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