Alle sagten: „Das ist unmöglich!“, doch dann kam eine Person, die das nicht wußte, und die hat’s gemacht

Völlig-utopischQuer über den Globus verteilt haben verschiedene Korrespondent*innen aus dem Netzwerk Weltreporter Menschen und Gemeinschaften besucht, die aus den bestehenden gesellschaftlichen Normen und Zwängen ausgebrochen sind und für sich einen neuen, anderen Weg eingeschlagen haben. Die, jeweils auf eigene Weise, eine Utopie leben, für eine bessere und gerechtere Welt. Der Herausgeber Marc Engelhardt hat die Geschichten in Völlig utopisch. 17 Beispiele einer besseren Welt zusammengetragen und ist auch bei zweien selbst vor Ort gewesen. Das Vorwort empfinde ich zwar als etwas zu intellektuell und anstrengend, aber zum Glück geht es ja um die gelebten Utopien, und man kann es ja auch einfach überspringen.

Die vorgestellten Beispiele sind zum Teil ähnlich, zum Teil aber auch völlig unterschiedlich. Wenn man die unterschiedlichen geographischen, historischen und politischen Hintergründe betrachtet, ist das auch völlig logisch, weil die Menschen auf diese Weise unterschiedlich geprägt sind. Was sie eint, ist der Wunsch nach Veränderung der bestehenden Verhältnisse zum Besseren hin, das Streben nach einer besseren Welt. Die Weltreporter*innen gehen dabei auch auf die Probleme, Schwierigkeiten und Widersprüche ein, die ihnen bei ihren Besuchen aufgefallen sind. Denn eines wird klar: Eine Utopie zu leben ist kein Selbstläufer und erfordert viel Idealismus und eine hohe Einsatzbereitschaft.
Nirgends wird dies deutlicher als gleich bei der ersten Geschichte, die mich auch am meisten fasziniert hat. Robert Long ist allein und quasi ohne Ausrüstung in den entlegensten Winkel Neuseelands gezogen, an eine Flussmündung der unerschlossenen wilden Westküste. Um sich herum nichts als das tosende Meer, den Fluss und den Urwald, durch den er drei Tage wandern muss, um zur nächsten Ortschaft zu kommen. Dass so etwas auch tödliche Konsequenzen haben kann, zeigt das als Into the wild verfilmte Beispiel von Christopher McCandless, der in Alaska verhungert ist. Doch Long hält durch, und nicht nur das. Er findet nach neun Jahren sogar eine Partnerin, die auf einer Wanderung vorbeikommt und die sich auf seine extreme Lebensweise einlässt. Das Paar zieht in der Einsamkeit zwei Kinder groß.
Am Ende des Buches werden auch die einzelnen Autor*innen kurz vorgestellt, sodass man sich im Nachgang auch über diese näher informieren kann, wenn man das möchte.

Fazit: Was alle diese Projekte und Lebenseinstellungen gemeinsam haben, so unterschiedlich sie zum Teil auch sind: Zum einen entfliehen die Utopist*innen den Städten und ziehen sich zurück aufs Land, wo sie genügend Raum für die Entfaltung ihrer Ideen finden. Christiania mitten in Kopenhagen nimmt hier zwar eine Sonderstellung ein, aber im Prinzip beginnt es auch mit dem Rückzug in ein Brachgelände. Zum anderen erscheint der Gedanke daran, in dieser Form aus den bestehenden gesellschaftlichen und/oder politischen Verhältnissen auszubrechen, zunächst einmal völlig unmöglich, utopisch eben. Doch der Glaube an die eigene Vision, und indem man es einfach macht, trotz oder wegen aller Widerstände und Schwierigkeiten, lassen das Unmögliche Realität werden.
Leider sind keine Beispiele in einem urbanen Kontext dabei, wie etwa Wohnprojekte und selbstverwaltete Zentren, die für einen Stadtmenschen vielleicht zunächst zugänglicher erscheinen. Und dennoch, auch ohne jetzt gleich völlig ausbrechen zu wollen oder zu können oder sich zu trauen, die Geschichten regen zum Nachdenken an. Man hinterfragt unwillkürlich die eigene Lebenssituation, und man kann durchaus einiges für seinen Alltag integrieren. Mit Kleinigkeiten fängt es an. Nichts ist unmöglich, auch nicht die eigene Utopie.
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Marc Engelhardt (Hrsg.) – Völlig utopisch. 17 Beispiele einer besseren Welt
Pantheon, Vö. 10.03.2014
Paperback, 416 Seiten
14,99 €, als Ebook 11,99 €, erhältlich über penguinrandomhouse
Homepage: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Voellig-utopisch/Marc-Engelhardt/Pantheon/e444638.rhd
https://weltreporter.net/

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