Zuckerfee und Tautropfen
Alinas Leben besteht hauptsächlich aus einem: Tanzen! Sie tanzt seit vielen Jahren Ballett und bereitet sich auf einen Workshop der American Ballet School vor, mit dem sie Chancen hat, eine Ballett-Karriere zu starten und hauptberuflich Ballerina zu sein. Doch ein brutaler Unfall setzt diesem Traum ein Ende. Ihr Bein ist zertrümmert, und Alina leckt ihre Wunden. Aus der Traum von einer Karriere beim Ballett. Nie wird sie bei Giselle mittanzen, und wenn sie sich noch so oft die Videos ansieht. Sie entfernt alles, was sie an ihre beginnende Ballett-Karriere erinnert aus ihrem Blickfeld. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als tatsächlich das erste Mal in ihrem Leben am ganz normalen Schulalltag teilzunehmen. Normalerweise ging ihr Tag maximal bis mittags, aber nun muss sie an allen Stunden teilnehmen, mit den Mitschüler*innen essen, Pausen machen und auch an dem einen oder anderen Freizeitvergnügen teilnehmen – zumindest, wenn es nach ihren Eltern geht.
So bewirbt sie sich auf die Teilnahme beim Schulmusical, ein bisschen für ihre Eltern und auch für Margot, die Alina für eine Freundin hält. Zu ihrer Überraschung bekommt sie auch eine Rolle, eine wichtige sogar. Anfangs findet sie alles und alle albern, was ist schon ein Musical im Vergleich zu einem Ballett? Doch sie kommt so allmählich in eine kleine Clique hinein, Margot, Jude und all die anderen. Diese finden eigentlich Alina weltfremd, denn sie kennt ja gar nichts, nicht einmal den „Time Warp“ und die „Rocky Horror Picture Show“! Alina lernt sich in dieser Gruppe zu behaupten, das weitet sich aus auf die Schulklasse, auf ihr Elternhaus und ihre kleine Schwester. Sie lernt das erste Mal in ihrem Leben zu diskutieren, denn im Ballett-Unterricht gab es keine Diskussionen, hier gab es nur Gehorsam. Und so ganz allmählich lässt sie Gedanken zu über Dinge, die sie früher schon gestört haben, die sie aber hingenommen hat, weil „man das eben nicht ändern kann“: Warum musste sie, eines der begabtesten Mädchen der ganzen Ballettklasse, bei der alljährlichen Nussknacker-Aufführung immer den chinesischen Tee repräsentieren mit seinen veralteten, unterwürfigen Figuren und ihre filigrane, talentierte Freundin Colleen den arabischen Kaffee? Weil Alina japanische Wurzeln hat und Colleen schwarz ist? Deshalb durften sie nie Zuckerfee und Tautropfen tanzen? Selbst Alinas kleine Schwester hat das schon längst bemerkt. Ihre neuen Freunde und vor allem Jude, der ihr ganzes Leben lang schon neben ihr gewohnt hat, und den sie nie wahrgenommen hat, lehren sie, dass es auch noch etwas anderes gibt, außer Tanzen beim Ballett, dass sie immer noch Tänzerin ist, auch wenn es nicht beim Ballett ist. Alina kann sich plötzlich wieder anderen Menschen öffnen, und mit diesem neuen Selbstverständnis kann sie ihre Welt verändern, und beim Ballett fängt sie an.
Mariko Turks Buch ist ein Jugendbuch, eine Coming-of-Age-Geschichte. Doch hier geht es nicht nur um das Erwachsenwerden und die erste Liebe, es ist ein Porträt über Musiktheater, Ballett, Kunst und Kultur, das Leben mit und ohne diese schönen Dinge. Es ist eine Geschichte über die Aufbereitung eines schlimmen Erlebnisses, über das Schöpfen neuer Hoffnung, aber auch über die Erkenntnis, jahrelang systemischem Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein, und was jemand dagegen tun kann.
Mariko Turk promovierte im Fach Englisch an der University of Florida. Ihr Schwerpunkt war Kinder- und Jugendliteratur. Sie unterrichtet nun Kreatives Schreiben und Rhetorik an der University of Colorado Boulder. So federleicht wie meine Träume ist ihr Debütroman.
Mariko Turk: So federleicht wie meine Träume
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Dagmar Schmitz
cbj-Verlag, Deutsche Erstausgabe Edition (24. August 2022)
Gebundene Ausgabe: 400 Seiten, 20 Euro
eBook: 11,99 Euro
Lesealter: Ab 14 Jahren
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