Und Zeuge war nur ein Hund

Inspektor Jury

Inspektor Jury trifft sich in einer edlen Bar in London mit Tom Williamson. Dieser tritt mit einer ganz speziellen Bitte an ihn heran: Vor 17 Jahren kam seine Frau Tess durch einen Sturz ums Leben. Er hat noch nie an einen Unfall geglaubt, und Jury soll sich des Falles erneut annehmen.
Doch bevor er zu ermitteln beginnt, fährt Jury zu Melrose Plant, seinem alten Freund aus Long Piddleton. Und während seines Besuches geschieht ein Unfall: Eine Frau in einem roten Kleid ist augenscheinlich von einem alten Turm gestürzt, und alle erinnert es irgendwie an Hitchcocks Vertigo. Jury und sein Mitarbeiter Wiggins fangen ganz gemächlich zu ermitteln an. Man findet bei vielen Tassen Tees die Umstände heraus, unter denen damals Tess zu Tode kam. Sie hatte selbst keine Kinder, kümmerte sich aber leidenschaftlich und voller Liebe um andere. Und damals hatte sie eine kleine Gruppe von Kindern bei sich, die alle irgendwie Außenseiter der Gesellschaft waren. Eines davon ist selbst kurz danach unter mysteriösen Umständen verunglückt.

Es bleibt Jury nichts anderes übrig, als diese Kinder, die mittlerweile alle in ihren Dreißigern sind, aufzusuchen. Er und Wiggins müssen schließlich irgendwo anfangen. Nach und nach kommt heraus, dass alle drei Tode irgendwie zusammenhängen, alte Geheimnisse werden aufgedeckt, und ein Hund spielt – wie so oft – auch eine tragende Rolle.

Die mittlerweile 84jährige Amerikanerin Martha Grimes schreibt seit nunmehr 35 Jahren in regelmäßigen Abständen ihre liebenswerten Krimis um Inspektor Jury. Jeder Band der Reihe ist im englischen Original nach einem real existierenden englischen Pub benannt. Bei jedem Buch gibt es ein Treffen mit alten Bekannten, vor allem mit der schrulligen, bunten Clique in Long Piddleton, die er im allerersten Fall kennengelernt hat, allen voran Melrose Plant, dem uneitlen Ex-Adligen, der zu einem unentbehrlichen Freund geworden ist.
Bei jedem neuen Band ertappe ich mich aber immer mal wieder beim Nachrechnen. Wie schafft Martha Grimes es, ihre Charaktere immer gleich jung erscheinen zu lassen? Jury war im Krieg ein Baby. Er scheint aber immer in seinen 40ern zu sein, wie auch der coole Melrose Plant oder die schöne Vivian, die er vor vielen Jahren mal fast geheiratet hätte. Die Zeit außenherum bleibt aber nicht stehen, es gibt eine Millenium Bridge und ein London Eye. Grimes hat dies unbemerkt hineingeschmuggelt. Aber egal, das mit dem Alter ist eben genauso „stimmig“ wie ein Inspektor von Scotland Yard, der nachmittags mit Whiskeytrinken anfängt, zu Champagner übergeht und dann nach einem kleinen Guinness – alles dienstlich natürlich – weiter ermittelt.
Die Fälle von Martha Grimes strotzen schon lange nicht mehr vor Jugendlichkeit, Dynamik und unendlicher Suspense, der wahre Fan aber liest jeden neu erscheinenden Band.
Möge die Dame noch viele solcher skurrilen, mit feinen Kleinigkeiten und Anspielungen auf Literatur, Film und historische Begebenheiten gespickten Geschichten um Inspektor Jury schreiben.

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Martha Grimes – Inspektor Jury und die Frau in Rot
416 Seiten
Goldmann Verlag, 14. März 2016
Gebundene Ausgabe 19,99 €, Kindle Edition 15,99 €

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