Der Versuch einer Rezension aus der zugegeben subjektiven Sicht eines bekennenden Nichtfans

 

Warum liest man ein Buch über Black Metal, wenn man die Musikrichtung nicht mag? Nun, einfach aus Interesse an einem der extremsten Auswüchse der Musikgeschichte und wie es zu solchen Auswirkungen wie Kirchenbränden und Mord kommen konnte.

Lords of Chaos wurde über einen Zeitraum von fünf Jahren von 1994 bis zur ersten Veröffentlichung 1998 erarbeitet. Es setzt sich zu einem Großteil aus persönlich geführten Interviews, unter anderem mit einem der Hauptprotagonisten, zusammen, weitere Interviews mit vielen weiteren beteiligten Personen innerhalb und außerhalb der Szene wurden am Telefon oder per Post geführt; Zeitungsberichte aus den entsprechenden Jahren sind ebenfalls in das Buch eingeflossen. Insgesamt wird versucht, die Entwicklung des Black Metal und die Geschehnisse in seinem Verlauf und die Verbindungen zur politischen Rechten näher zu beleuchten. Auch das deutsche Kapitel des Black Metal mit dem Mord an Sandro Beyer durch Mitglieder der Thüringer Band Absurd wird dabei behandelt.

Das Buch beginnt mit Erläuterungen zu frühen Formen „satanischer“ Musik, die bereits im Jazz des frühen 20. Jahrhunderts existiert. Über Bands wie die Rolling Stones, Led Zeppelin, AC/DC und Black Sabbath, die in den 60er- und 70er-Jahren satanische Themen in ihren Songs verarbeitet haben, sicherlich auch beeinflusst von Anton Szandor LaVey und seiner Church of Satan, gelangt man schließlich zu den eigentlichen musikalischen Wurzeln des Black Metal. Maßgeblichen Einfluss hatten hier die Bands Venom, Merciful Fate und Bathory, die sich sehr stark satanischer Klischees bedienten. Zusätzlich zu einem deutlich schnelleren, dunkleren und aggressiveren Sound verwendeten Venom und Bathory die Krieger-Ästhetik mit Leder und Killernieten, und Meciful-Fate-Sänger King Diamond trat mit schwarz-weißer Gesichtsbemalung auf, die von späteren Bands als Corpsepaint aufgegriffen wurde. Venoms zweites Album Black Metal gab der neuen Musikrichtung schließlich einen Namen.

Die eigentliche Keimzelle des Black Metal entstand in einem kleinen Plattenladen in Oslo namens Helvete (norwegisch für Hölle), den der Mayhem-Gründer Øystein „Euronymous“ Aarseth geführt hat. Hier traf sich der „innere Kreis“, der immer extremer wurde und dessen Taten schließlich traurige Berühmtheit erlangten.

Lords of Chaos beschreibt detailliert die Anfangszeit von Mayhem und des „inneren Kreises“, auch die Morde und Kirchenbrände werden dabei ausführlich behandelt. Im weiteren Verlauf wird dann versucht, mittels entsprechender Zusammen- beziehungsweise Gegenüberstellung der passenden Interviews eine Möglichkeit zur Klärung zu geben, wie es zu den bekannten Verbrechen kommen konnte.

Es kommt nicht nur Bård „Faust“ Eithun zu Wort, der einen Homosexuellen umgebracht hat, sondern auch Varg „Count Grishnackh“ Vikernes (Mastermind hinter dem Projekt Burzum), dem sehr viel Platz im Buch eingeräumt wird. Er gibt nicht nur seine Version zum Selbstmord des ersten Mayhem-Sängers Per Yngve „Dead“ Ohlin zum Besten, sondern schildert auch ausführlich seinen Mord an Øystein „Euronymous“ Aarseth.

Später beschreibt der Black Metal teilweise eine Hinwendung an das neue Heidentum oder den Paganismus. Dies wird, soweit es sich auf den Black Metal bezieht, ebenso umfassend behandelt wie einige Abschnitte der norwegischen Mythologie, die ihren Einfluss ausgeübt haben.

Nach Erläuterung der Hintergründe des Black Metals wird darauf eingegangen, welchen Einfluss die kontroverse Musikrichtung selbst ausgeübt hat. International betrachtet werden Verbrechen in Deutschland, aber auch in Schweden, Finnland, Frankreich, England und den USA, die man einem Black-Metal-Umfeld zurechnet.

Schließlich endet das Buch mit einer Beleuchtung der Berührungspunkte zwischen Black Metal und der rechten Szene.

Fazit: Das Buch ist auf jeden Fall sehr interessant zu lesen. Die Zusammenhänge werden nachvollziehbar dargestellt, auch ohne Vorkenntnisse im Genre Black Metal, sodass man hier ein umfassendes Bild bekommt. Auch wenn es heute irgendwie kaum vorstellbar erscheint, dass alles in einem kleinen Plattenladen namens Helvete in Oslo seinen Anfang nahm.

Warum gerade Norwegen? Möglich, dass hier die langen dunklen Winter und eine erdrückend mächtig erscheinende Kirche die jugendliche Rebellion begünstigt beziehungsweise geradezu herausfordert und damit eine gewisse Rolle gespielt haben.

Nicht nachvollziehbar bleibt für mich, wie es zur Verherrlichung und Anbetung Satans als real existierende Person kommen konnte, ganz zu schweigen davon, dass jeder scheinbar versuchte, der Böseste zu sein, was mir persönlich eher albern vorkommt. Dies kann man aber Lords of Chaos nicht allzu sehr anlasten, da eine umfangreiche Psychoanalyse der Protagonisten nicht Aufgabe eines Buches über Musik sein kann.

 

Was mir nicht gefallen hat:

Obwohl es dann eigentlich nicht mehr um den Kern des Black Metal und der damaligen Geschehnisse geht, bekommt Vikernes im weiteren Verlauf des Buches umfassend die Gelegenheit, relativ unreflektiert seine gestörte Weltsicht und menschenverachtende faschistische Ideologie zu verbreiten. Das wäre, bezogen auf den Black Metal, eigentlich völlig unnötig. Zwar ist es grundsätzlich sicherlich begrüßenswert, dass der Leser sich sein eigenes Bild machen muss. Allerdings sehe ich in diesem Fall die Gefahr, dass Vikernes für ungefestigte Jugendliche zu einer Art Vorbild werden könnte, zumal er nach wie vor immer noch große Popularität besitzt.

Dies könnte aber eventuell auch beabsichtigte Propaganda sein, schließlich ist mit Michael Moynihan einer der Autoren wegen seiner Verbindungen zur amerikanischen Rechten doch sehr umstritten.

 

Dass der mittlerweile 40-jährige Vikernes potentiell immer noch gefährlich ist, hat sich im erst im Juli 2013 gezeigt, als er und seine Frau in Frankreich festgenommen wurden, wo er in Salon-la-Tour seit 2010 lebt. Es hieß aus dem Pariser Innenministerium, er sei „imstande gewesen, einen großangelegten terroristischen Akt vorzubereiten“. Zwar wurden beide nach drei Tagen aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen (seine Ehefrau hatte mit ihrem Waffenschein legal Waffen gekauft), wegen fremdenfeindlicher und antisemitischer Kommentare im Internet muss er sich allerdings wegen Aufwiegelung zum Rassenhass vor Gericht verantworten.

 

Schlussworte:
Warum hören Menschen Black Metal? Auch, wenn sie mir persönlich nicht gefällt, kann ich die Faszination an einer Musikrichtung verstehen, die sich völlig konventionellen Hörgewohnheiten entzieht und sich jeglicher Annäherung an Kommerz absolut kompromisslos verweigert. (Dies bezieht sich natürlich nur auf den Ursprung der Szene, spätestens mit Dimmu Borgir begann auch hier der kommerzielle Ausverkauf.) Black Metal ist längst international geworden, sodass es mittlerweile Bands auf allen fünf Kontinenten gibt. Leider gibt es im Black Metal Bereich immer wieder Musiker und Bands, die mehr oder weniger offen rechtsradikale Meinungen und Gedanken zum Ausdruck bringen, wofür es den Begriff NSBM (National Socialist Black Metal) gibt. Für den Außenstehenden ist es oft schwer zu unterscheiden, dennoch darf man nicht den Fehler machen, alle Bands in einen Topf zu werfen, da der NSBM nur einen kleinen Teil ausmacht.

Ich kann allerdings nicht verstehen, dass doch so viele Fans dieser Szene relativ unreflektiert sind und auch Bands/Musiker tolerieren oder sogar verehren, die faschistisches und/oder rassistisches Gedankengut vertreten. Aber es ist letztlich nicht meine Aufgabe, darüber ein Urteil zu fällen, jeder muss das für sich selbst entscheiden, welchen Bands er Gehör schenkt.

 

Michael Moynihan, Didrik Søderlind: Lords of Chaos. Satanischer Metal:
Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund.
Index/Promedia Wittlich; Auflage: 9., Aufl. (Dezember 2008)
€ 19,95

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– Mrs. Hyde

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