Fackelzug durch die Nacht

Tears from a stonePål Waaktaar Savoy von a-ha über sein Leben und seine Songs lautet der Untertitel, und damit wird der Kern des Buches direkt vorweggenommen. Pål ist bei a-ha stets extrem schüchtern und zurückhaltend gewesen, ein Mann, der die Öffentlichkeit am liebsten meidet und paradoxerweise dennoch als Weltstar auf der Bühne steht. Interviews müssen in aller Regel seine Bandkollegen Morten Harket und Magne Furuholmen führen. Pål ist aber auch derjenige, der unvergessene Hits wie „Hunting high and low“ und „The sun always shines on T.V.“ im Alleingang geschrieben hat und Co-Autor von „Stay on these roads“ und „Take on me“, dem Übersong von a-ha schlechthin, ist. Morten und Magne befinden sich also in aller Regel im Fokus, doch das ändert sich mit diesem Buch.Über zwei Jahre hinweg führt Ørjan Nilsson Gespräche mit Pål Waaktaar Savoy, die den Rahmen für Tears from a stone bilden. Es ist aber weit mehr als ein langes Interview, denn zusammen mit umfangreichen Recherchen und Analysen verwebt Ørjan Nilsson diese Gespräche zu einer spannenden Geschichte. Außerdem kommen auch enge Angehörige und Freunde zu Wort. Der Chronologie wird grob gefolgt, jedoch springt die Handlung schon einmal vor oder zurück, wo dies erforderlich ist. Die vorweggenommene Zeitleiste, beginnend bei Påls Geburt 1961 bis ins aktuelle Jahr 2018, dient dabei als Orientierungshilfe.
Nilsson beleuchtet Påls Kindheit und die ersten musikalischen Einflüsse und wie Pål autodidaktisch das Gitarrespielen erlernt. Den Nachbarsjungen Magne Furuholmen lernt er bereits zu Schulzeiten kennen. Spider Empire, die erste Band der beiden, kommt jedoch über ein Konzert im Vorgarten nicht hinaus. Mit Bridges veröffentlichen die beiden 1980 das Debütalbum Fakkeltog. Die Band benennt sich in Poem um, löst sich aber ein Jahr später auf, nachdem ein bereits eingespieltes neues Album bei einem Studioeinbruch verloren geht.
Eingebettet in die verschiedenen Stationen von Påls Lebensweg werden immer wieder die diversen Umstände und Gelegenheiten beleuchtet, aus denen er seine Inspirationen für Texte und Musik bezieht. Diese hält er über die Jahre hinweg in unzähligen Notizbüchern fest, von denen er stets eines mit sich führt. Als erste wichtige Quelle sei hier Gunvor Hofmo genannt, eine bedeutende norwegische Lyrikerin mit sehr dunklen Texten. Den größten Einfluss hat sicherlich der erste lange London-Aufenthalt von Magne und Pål von 1981 bis 1982, ohne die beiden anderen Poem-Mitglieder. Hier ist alles anders als in Norwegen, auch die Musik, und die beiden lernen dort Bands wie Joy Division, Soft Cell, The Cure, Echo and the Bunnymen und Tears for Fears kennen, allesamt Bands aus dem eher düsteren Spektrum. Die Fernsehsendung Top of the Pops ist das Maß der Dinge und prägt nachhaltig Påls Verständnis für eine eingängige Hookline. Im Januar kehren er und Magne zusammen mit Morten Harket, der dafür seine Blues-Band Soldier Blue verlassen hat, nach London zurück, um im billigsten verfügbaren Studio ein Demo einzuspielen. Damit ergattern sie einen Vertrag mit ATV Music, und dann geht es bekanntermaßen steil bergauf. Nach dem ersten Bruch bei a-ha gründet Pål 1994 zusammen mit seiner Frau Lauren Savoy die nach ihr benannte Band Savoy und etabliert sich als Solokünstler, wenn auch im kleineren Maßstab als mit a-ha. Auch diese Phase wird ausführlich behandelt, und auch Lauren kommt wiederholt zu Wort. Wie ein Song letztendlich entsteht und im Studio ausgefeilt wird, lässt sich sehr gut nachvollziehen, ob nun mit a-ha oder Savoy. Das gilt ebenso für die Umsetzung der Live-Konzerte, die unter unterschiedlichen Ansätzen ablaufen. Zum Abschluss werden fünf ausgewählte Lieder von Pål ausführlich behandelt, die ihn besonders charakterisieren und bei denen man ihm als Menschen besonders nah kommt.
Abgerundet wird Tears from a stone durch ausgewählte Schwarz-Weiß-Fotos und Auszüge aus den erwähnten Notizbüchern von Pål.

Fazit: Natürlich ist dies ein Buch, das naturgemäß vor allem die Fans von a-ha im allgemeinen und von Pål Waaktaar Savoy im speziellen anspricht. Die Geheimnisse um den Mann, der manchmal fast schon wie ein Mysterium erscheint, werden hier zu einem großen Teil beleuchtet, gleich einem Fackelzug durch die Nacht. Man kommt der Persönlichkeit Pål sehr nah und erhält tiefe Einblicke in seine Gedankenwelt und sein Privatleben. Ein Großteil von ihm macht aber seine Musik aus, und so ist das Buch grundsätzlich auch für jeden Musikinteressierten sehr interessant, weil es auch den gesamten Kreativprozeß beleuchtet, beginnend bei Inspiration und Songwriting, weiter zum Aufnahmeprozess bis zur Präsentation auf der Bühne. Um Pål selbst zu zitieren: „Ich rede nun mal nicht so viel, deshalb schreibe ich so viele Songs.“

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Ørjan Nilsson: Tears from a stone
Riva Verlag, VÖ: 02.02.2018
Gebundene Ausgabe, 228 Seiten
19,99 €, als eBook 15,99 €, erhältlich über www.buecher.de
Homepage: m-vg.de/riva/shop/article/13928-tears-from-a-stone/

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