Die fünfte Welle rollt weiter

Die Uhr läuft ab. Die letzten Sekunden der Menschheit scheinen angebrochen, als Außerirdische beschließen, unseren Planeten für sich zu nutzen – und Ungeziefer wie Menschen muss natürlich weichen. Der größte Teil der Weltbevölkerung ist längst dahingerafft von Fluten, Seuchen und von den Silencern – Aliens im Körper von normalen Menschen. Cassie hat zwar ihren Bruder und ihren Schulkameraden Ben wiedergefunden, muss aber jetzt damit klarkommen, dass beide sich verändert haben. Außerdem ist da noch Evan, ihr ganz persönlicher Silencer, der ihnen allen zur Flucht verholfen hat …
Aber durch das Gefühlschaos und den täglichen Kampf ums Überleben schleichen sich bei allen immer wieder Zweifel und die Frage ein: Wieso machen es sich die Außerirdischen eigentlich so verdammt schwer …?

Das unendliche Meer steigt fast unmittelbar nach dem Ende von Teil eins, Die fünfte Welle (Review), ein, doch nach einem Jahr Wartezeit war es nicht einfach, sich an alle Details zu erinnern. Dennoch zieht die Geschichte den Leser schnell wieder in ihren Bann, und es wird nicht lange getrödelt, bis man wieder vor Spannung die Finger in den Buchrücken krallt.
Wir bekommen diesmal nicht nur Einblicke in die Welten von Cassie und Ben, sondern auch in die von Evan Walker, der zwischen den Fronten steht. Yancey schreibt zwar aus Evans Sicht, deckt aber trotzdem nicht die großen Geheimnisse seines Charakters auf. Was und wie viel weiß er eigentlich? Obwohl er bereits unter Beweis gestellt hat, dass Cassie ihm vertrauen kann, bleibt trotzdem ein bitterer Beigeschmack.
Generell ist Das unendliche Meer schneller erzählt als sein Vorgänger. Die fünfte Welle lebte großteils von der subtilen Bedrohung, dem unbestimmten Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, man aber nicht den Finger darauflegen konnte. Diese unterschwellige Spannung fehlt hier fast völlig, wird aber durch eine nagende Ungewissheit ersetzt: wieso machen die Außerirdischen sich die Mühe? Wenn sie ein Virus entwickeln können, das neun von zehn Menschen tötet … warum dann nicht zehn von zehn? Warum Silencer schicken? Warum Teenager zu gehirngewaschenen Soldaten ausbilden? Diese Fragen tragen die ganze Handlung. Insbesondere zum Schluss hin nimmt dadurch die Geschichte nochmal richtig Fahrt auf, sodass man das Buch überhaupt nicht mehr aus der Hand legen mag.
Leider rutschen manche Situationen durch den Konflikt zwischen Cassie, Evan und der Gruppe manchmal etwas zu sehr in die „Teenager-und-ihre-Probleme-Ecke“ ab, die Yancey in Band eins so schön vermieden hatte. Auch der winzige Einschub, in dem er plötzlich auf einen nahezu drehbuchartigen Stil wechselt, wirkt irgendwie sehr fehl am Platze, insbesondere da es sich nur um eine einzige Szene handelt. Was er sich dabei gedacht hat, erschließt sich mir nicht.

Trotzdem ist Das unendliche Meer eine gelungene Fortsetzung eines großartigen Endzeitromans und macht definitiv Lust auf ein großes Finale im dritten Teil, der hoffentlich ein ebenso packender Pageturner wird.

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Rick Yancey – Das unendliche Meer
Goldmann Verlag, 2015
352 Seiten
€ 16,99
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http://www.the5thwaveiscoming.com/

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