50 Shades of Street Art

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Die freie Kuratorin und Autorin Riikka Kuittinen aus London hat hier ein feines Werk zusammengetragen, das zeigt, dass Street Art sich immer weiter entwickelt.
Was vor einigen Jahren noch als Schmiererei galt und geahndet wurde, hat dann eine hohe Akzeptanz als Graffiti-Kunst erfahren. Künstler sind international anerkannt, ihre Handschrift erkennbar, es gilt als kreativ, vital, urban. Aus berühmten Walls wurden Stücke herausgeschlagen und teuer verkauft, Street Art ist plötzlich „in“.

Doch längst bieten nicht mehr nur Mauern und U-Bahn-Züge Platz für Street Art. Nicht nur Graffitis werden gesprüht, sondern auch andere Materialien, Motive und Techniken ausprobiert, es geht teilweise zurück zur Natur und weg von Hightech.


Es wird mit Moos gearbeitet,

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mit Licht,

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man hat zu alten Handarbeitstechniken wie Stricken und Häkeln zurückgefunden.

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Die Street-Art-Objekte sind auch oft klein, wie bei den Arbeiten des spanischen Bildhauers Isaac Cordal mit seinen kleinen Männchen aus Zement.

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Viele dieser mühsam erzeugten Kunstwerke sind der Verwitterung ausgesetzt oder dem Vandalismus durch Passanten. Darum ist es dem Künstler wichtig, dass jemand Kenntnis davon nimmt, dass Fotos davon gemacht werden, dass die Kunstwerke in den sozialen Netzwerken verbreitet werden und so auch noch existieren, wenn es sie schon längst nicht mehr gibt. Street Art will heutzutage nicht nur schnell großformatig Kunst unter das Volk bringen – wie in den 80ern und auch noch in den 90ern –, sie will auf Missstände aufmerksam machen, wie „The Pansy Project“ von Paul Harfleet, der überall dort, wo es zu Übergriffen gegen Homosexuelle kommt, Stiefmütterchen pflanzen und den Vorfall dokumentieren will, oder wie das Berliner Künstlertrio Mentalgassi, das anfangs Recycling-Container und Fahrkartenentwerter mit riesigen Porträtfotografien überklebte,

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sich aber immer weiter entwickelte und mittlerweile dreidimensionale Installationen macht. 2010 haben sie in einer Aktion Amnesty International bei ihrem Kampf um den in den USA zum Tode verurteilten Troy Davis unterstützt.

Street Art heute will die Welt aber auch einfach schöner machen, wie Steve Wheen, bekannt als „The Pothole Gardener“, der Schlaglöcher auf der Straße bepflanzt.

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Street Art heute will auf alte Techniken aufmerksam machen, will zum Entschleunigen animieren.

Dieses Buch, das 28 internationale Künstler vorstellt, die mit Licht arbeiten, mit Papier Origamikunst fertigen oder Bäume umhäkeln, ist eine Inspirationsquelle für einen selbst – man möchte plötzlich häkeln können – und macht Lust, mit offenen Augen durch die Gegend zu gehen, um vielleicht ein kleines Moos-Kunstwerk, ein Kreuzstich-Herz auf einer Parkbank oder einen kleinen Zement-Mann im grauen Anzug mit Krawatte und Aktenköfferchen vorzufinden.

Vom Zweidimensionalen zum Dreidimensionalen. Man darf gespannt sein, was die nächsten Jahre bringen.

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Riikka Kuittinen: Street Art Reloaded. Neue Kunst von der Straße
Verlag: Prestel
Gebundenes Buch, 224 Seiten, 250 farbige Abbildungen
Amazon € 24,95
Erscheinungstermin: 23. März 2015

Copyrightangaben Bilder:
Bild 1: S. 52 © Anna Garforth / Street Art Reloaded, Prestel 2015
Bild 2: S. 160 © Darren Pearson / Street Art Reloaded, Prestel 2015
Bild 3: S. 67 © Ishknits / Street Art Reloaded, Prestel 2015
Bild 4: S. 24 © Isaac Cordal / Street Art Reloaded, Prestel 2015
Bild 5: S. 117 © Mentalgassi / Street Art Reloaded, Prestel 2015
Bild 6: S. 169 © The Pothole Gardener / Street Art Reloaded, Prestel 2015

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