Sind wir nicht alle ein wenig Serienjunkie?

 

till-serienjunkiesSerien – früher gab es da die Klassiker wie Dallas oder Denver, die die Zuschauer auch regelmäßig vor den Fernseher zogen und so ein wöchentliches Zusammenkommen garantierten. Aber mal ehrlich – wirkliche Qualität war etwas anderes, die fand der geneigte Filmfreund zuverlässig im Kino. Das hat sich in den letzten Jahren sukzessive gewandelt, immer mehr und immer hochklassigere Serien kommen auf den Markt, immer mehr Filmschauspieler übernehmen begeistert Rollen in den früher so verpönten TV-Formaten. Man denke nur an Tim Roth in Lie To Me oder Gary Sinise in CSI:NY sowie an diverse andere eigentlich eher im Independent-Film verhaftete Stars.
Kurz, die Serie ist der Filmhit der heutigen Zeit, und seit der Einführung der DVD-Staffel (sehr viel komfortabler als die alten Video-Boxen und nach einer gewissen Zeit nach Erscheinen auch sehr erschwinglich) steht der Sucht nichts mehr im Wege. Welcher Serienfan kennt das nicht: ein freies Wochenende, Couch, Decke und die neue Staffel der Lieblingsserie auf DVD. Oder man schaut sich in Vorbereitung darauf noch mal zwei alte Staffeln an und schwelgt in den vertrauten Figuren und Handlungssträngen. 

Jochen Till stillt seine Sucht – nach eigenen Angaben verfolgt er parallel vierzehn Serien – sowohl wöchentlich vor dem Fernseher als auch mit DVD-Boxen und hat sich über die Jahre (seine frühere Arbeit in einem Comicladen mag da einen hervorragenden Grundstein gelegt haben) ein profundes Wissen über die großen und nicht ganz so großen Serien der letzten Jahrzehnte, vor allem aber der Gegenwart, zugelegt. Dieses Wissen über und vor allem die Leidenschaft für seine Lieblinge möchte er mit dem Leser in diesen zwei hier besprochenen Buchstaffeln teilen. Nach eigener Aussage soll es explizit kein Serienlexikon sein, das decken bereits diverse extrem detaillierte Internetseiten ab, er will einen persönlichen Erfahrungsbericht geben, in dem er ganz subjektiv von seinen favorisierten Serien und den damit zusammenhängenden Erlebnissen und Gedanken erzählt.

Sein Geschmack ist äußerst vielfältig, hat allerdings schon einen Hang zu den „coolen“ und etwas abgedrehten Serien, Mainstream wie Grey’s Anatomy oder Desperate Housewives sucht man (bisher) vergeblich. Jochen Till mag die Serien des amerikanischen Bezahl-Senders HBO – die ja mit Six Feet Under auch damals die Vorreiter der qualitativ äußerst hochwertigen Fernsehserien waren –, er mag eher düstere, männliche Stoffe, schräge und auch mal brutale Plots. Dennoch sind seine Bücher nicht nur für die absoluten Freaks, sondern wirklich für jeden Serienfan geeignet, die Simpsons und Akte X wird jeder kennen und (fast) jeder mögen, auch Star Trek und die Sopranos fehlen nicht.
Doch neben den bekannten Namen kann der Leser in den beiden Buchstaffeln unzählige kleinere Serien entdecken, die bisher in Deutschland vielleicht nur auf versteckten Bezahl-Sendern liefen oder spätnachts oder meistens sogar beides. Die norwegisch-amerikanische Serie Lilyhammer sei hier zu erwähnen oder die wirklich großartige amerikanische Krankenhausserie (ein Genre, das Till sonst verpönt) Nurse Jackie mit der aus den Sopranos bekannten Edie Falco, Hit And Miss, in der Chloë Sevigny einen transsexuellen Auftragskiller spielt.
Beliebte abgedrehte Serien wie The Walking Dead, True Blood, Breaking Bad oder Dexter dürfen natürlich auch nicht fehlen, ebenso wenig wie die britischen Vertreter der derzeitigen Serienhochkultur Downton Abbey und The Office.

Die beiden Bände decken also ein weites Spektrum an großartigen Serien ab, auch wenn der eine oder andere seine Lieblingsserie vermissen wird – dafür gibt es aber genug neuen Suchtstoff zu entdecken, das sei gewiss.
Insgesamt also zwei lohnende und unterhaltsam geschriebene Bände über das Phänomen Fernsehserien, doch einiges hat mich auch gestört.
Ja, der Autor betont, dass er explizit kein Serienkompendium schreiben wollte, insofern geht man auch nicht mit ganz falschen Erwartungen an die Bekenntnisse eines Serienjunkies ran. Generell steht mir aber trotzdem zu wenig über die einzelnen Serien an sich in den jeweiligen Kapiteln, der Plot wird zwar immer grob angegeben, auch einige herausragende Hauptdarsteller, ansonsten schreibt Jochen Till allerdings extrem assoziativ, gern auch seitenweise irgendwelche fiktiven Dialoge, die zwar schon zur gerade vorgestellten Serie passen – so irgendwie –, aber auf Dauer auch ermüdend werden; ebenso seine Zwiegespräche mit dem Leser, die mal ganz putzig sind, meistens aber für meine Begriffe einfach nur langweilen. Man muss ihm zugute halten, dass er immer wieder die Kurve zurück zum Thema des Kapitels schafft und das alles schon in sich geschlossen wirkt, wenn er seitenlang über alles, nur nicht immer zwingend über die aktuelle Serie schreibt. Manchen könnte das allerdings eben zu subjektiv sein, zu wenig Informationen über die Serien liefern. Beziehungsweise müssen es gar nicht mehr Fakten sein, aber das gemeinschaftliche Schwelgen in Lieblingsschauspielern, -figuren und herausragenden Szenen der favorisierten Serien kommt für meine Begriffe etwas zu kurz. Kennt man eine Serie nicht, ist es oft schwer, anhand des dazugehörigen Kapitels einen wirklich guten Eindruck davon zu bekommen, auch wenn der Autor großzügig gute Zitate der handelnden Personen einstreut.

Fazit: Eine Fundgrube für Serienjunkies und die, die es noch werden, allerdings mit inhaltlichen Einschränkungen. Man erfährt mindestens so viel über den Autor und seine Gedankenwelt wie über die Serien – meist sogar noch mehr.
Hervorzuheben sind noch die tollen Illustrationen des Künstlers Ray Rubeque, die jedes Kapitel einleiten.

:lesen::lesen::lesen:  (mit Tendenz zu vier) für beide Bände

Über den Autor:
Jochen Till, geboren 1966 in Frankfurt/Main, hat lange in einem Comic-Laden gearbeitet und ist seit einigen Jahren hauptberuflich erfolgreicher Autor von Kinder- und Jugendbüchern sowie von Theaterstücken. Sein zweites Leben als Serienjunkie porträtiert er für dotbooks in bisher zwei Staffeln.

Autor: Jochen Till
Titel: Bekenntnisse eines Serienjunkies. Staffel 1 + 2
Verlag: dotbooks
e-Book, je 4,99 €

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3 Kommentare
  1. Jochen Till
    Jochen Till sagte:

    Vielen Dank für diese sehr treffende und anschauliche Rezension! Das gibt den Inhalt und das, was ich mit den Büchern erreichen will, sehr gut wieder. Das mit den persönlichen Ankedoten ist immer Geschmackssache, da war mir schon klar, dass das den einen oder anderen eventuell stören könnte. Bei mir steht der Unterhaltungswert im Mittelpunkt und ich hatte eben keine Lust auf ein nüchternes Sachbuch – da gehe ich dann lieber das Risiko ein, mit persönlichem Blödsinn ein bisschen zu nerven…;-)
    Beste Grüße,
    Jochen Till

    • torshammare
      torshammare sagte:

      Lieber Jochen Till,

      wow, das nenne ich mal eine schnelle Reaktion! Danke für den positiven Kommentar zu meiner Rezension, und ich freue mich, dass sie Ihnen grundsätzlich gefallen hat. Ja, die subjektiven Anteile des Buches sind … subjektiv :) Es gibt sicher Leser, die auch diese Passagen sehr gern lesen. Und das Gute an den beiden Büchern ist ja, dass man sie im eigenen Tempo lesen kann – abschnittsweise, von vorn bis hinten, von hinten bis zur Mitte … insofern ist wirklich für jeden was dabei. Wann gibt es eine dritte Staffel?
      Beste Grüße!

  2. Jochen Till
    Jochen Till sagte:

    Ja, ich denke eben auch, dass für jeden etwas dabei ist. Und es muss ja auch nicht jeder ALLES gut finden.
    Ich würde wirklich noch sehr, sehr gern Staffel 3 schreiben, aber da die Verkaufszahlen der ersten beiden Staffeln katastrophal sind und ich vom Schreiben lebe, kann ich mir das wohl leider nicht leisten…:-( Aber wer weiß, vielleicht tut sich da ja noch was, würde es mir sehr wünschen!
    Beste Grüße,
    Jochen

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