Zwischen Dissonanz und hyperaktiven Duracell-Häschen

A_Place_to_Bury_Strangers_See_Through_YouDie „lauteste Band New Yorks“ hatte ich euch schon letztes Jahr mit der EP Hologram vorgestellt (Link), nun hat A Place To Bury Strangers, die Band um Gründer, Sänger und Gitarrist Oliver Ackermann, ihr sechstes Album See through you auf dem eigenen Label Dedstrange herausgebracht. Die weiteren Mitstreiter sind Drummerin Sandra Fedowitz und Bassist John Fedowitz von der Band Ceremony East Coast, der auch schon mit Ackermann zusammen bei Skywave gespielt hat. Das Probehören muss aus technischen Gründen leider ohne Röntgenbrille erfolgen.
Schlagzeug, Bass, Gitarre, eine repetitive Melodie, so startet „Nice of you to be there for me“. Der Gesang von Ackermann gesellt sich dazu, und gerade wenn man denkt, dass das die gesamte Songstruktur ist, bricht die Lärmwand herein. Tja denkste, denn das sind A Place To Bury Strangers. „I’m hurt“ hingegen ist grundsätzlich ruhiger und entspannter angelegt, wobei hier von Beginn an ein stampfender Maschinen-Rhythmus dominiert. Doch auch hier gibt es ein Anschwellen von Lautstärke und Intensität. Bass und Schlagzeug prägen nun „Let’s see each other“, vor allem der Bass, der richtig cool gespielt wird. Die Gitarren sind nur Beiwerk, was sich in „So low“ aber wieder ändert, wo alle Instrumente gleichberechtigt agieren. „Dragged in a hole“ hingegen ist eine standesgemäße Lärmorgie, die eine fette Wall of Sound auffährt, die von einem hyperaktiven Duracell-Häschen an den Drums begleitet wird. „Ringing bells“ klingt weit weniger fröhlich als der ähnlich lautende Weihnachtssong, da Noise und Dissonanz für reichlich Stolpersteine sorgen. Mit „I disappear (when you’re near)“ wird es wieder etwas ruhiger und harmonischer, jedoch ohne sich völlig von Noise zu lösen. Dennoch tritt hier Post-Punk-Melancholie mehr in den Vordergrund.
Im Anschluss kommt in „Anyone but you“ noch eine ordentliche Portion Garage Punk hinzu, die für mehr Druck sorgt, sodass es richtig rockt. „My head is bleeding“ ist ebenfalls sehr cool mit einem Wechsel aus ruhigeren und rockigeren Passagen, während das Duracell-Häschen dieses Mal die Percussions statt die Drums bearbeitet. Das nun folgende mehr Bass-betonte „Broken“ und „Hold on tight“ im Anschluss konkurrieren um die meiste Dissonanz, gleichwohl der Gesang für sich betrachtet durchaus eingängig ist. „I don’t know how you do it“ ist dafür wieder leichter zugänglich, indem es einer Pop-ähnlichen Struktur folgt und tatsächlich ein wenig zum Träumen einlädt. Zum Abschluss liefert „Love reaches out“ eine Botschaft, die im Moment wirklich geboten wäre: „Love reaches out to everyone“ statt Krieg und Zerstörung. Der Begriff Ballade erscheint im Zusammenhang mit A Place To Bury Strangers zwar irgendwie seltsam, jedoch finde ich ihn für Ihre Verhältnisse hier passend. Als Bonus empfinde ich den Einsatz einer Melodica, auf dessen Pendant wahrscheinlich die meisten von uns als Kinder herumgeblasen haben.

Fazit: Zwischen Dissonanz und hyperaktiven Duracell-Häschen ist die eine Seite, schöne melancholische und Pop-ähnliche Momente bilden die andere Seite von A Place To Bury Strangers, die auf See through you einmal mehr die Grenzen ausloten zwischen Lärm und Gefühl, zwischen Noise, Rock, Post Punk und Psychedelic. Damit schaffen sie ein abwechslungsreiches und sehr cooles Album. Den einen oder anderen Song empfinde ich jedoch als etwas anstrengend, mit elf statt dreizehn Songs hätte ich See through you noch knackiger gefunden.

Am Mittwoch, 30. März 2022, übrigens ist die Band auch live im Feierwerk Hansa 39!

Anspieltipps: Let’s see each other, Anyone but you, My head is bleeding

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

A Place To Bury Strangers: See through you
Dedstrange, Vö. 04.02.2022
MP3 10,00 $ erhältlich über Bandcamp
CD 12,00 €, LP 20,00 € erhältlich über Bingo Merch

Homepage: https://www.aplacetoburystrangers.com/
https://www.facebook.com/dedstrange/
https://dedstrange.bandcamp.com/artists

Tracklist:
01 Nice of you to be there for me
02 I’m hurt
03 Let’s see each other
04 So low
05 Dragged in a hole
06 Ringing bells
07 I disappear (when you’re near)
08 Anyone but you
09 My head is bleeding
10 Broken
11 Hold on tight
12 I don’t know how you do it
13 Love reaches out

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