Vom Optimismus weit entfernt

cAnathema, das sind 28 Jahre Musikgeschichte. Die 1990 in Liverpool (England) gegründete Band um das charismatische Trio Vincent Cavanagh (Guitars und Keyboards), Danny Cavanagh (Guitars, Keyboards, Piano, Vocals) und dem dritten im Bunde aus der Familie Cavanagh Jamie Cavanagh (Bass). Im Gründungsjahr 1990 veröffentlichte Anathema bereits ihr erstes Demotape namens An Iliad of Woes, das zu Zeiten der abebbenden Trash Metal Welle gehörig für aufhorchen sorgte. Der Sound, der auf dem erwähnten Demo zu hören war, war anders. Er war langsamer, schwerer und mit einer derben Death Metal Note versehen. Es folgten Alben wie The Silent Enigma (1995), Eternity (1996) und das für mich persönlich wegweisendste Werk der Band Judgement (1999). Nach weiteren mehr oder weniger akustischen Veröffentlichungen liegt mir nun ihr neues Werk The Optimist zur Rezension vor, und ich hatte meine helle Freude beim Hören.

Durch das Intro „32.63n 117.14W“, einer soundtechnisch sich irgendwo im Fieldrecording Sektor befindlichen Soundcollage, bei der ich zu hören meine, wie jemand schaufelt, rennt und in ein Auto steigt, am Ende erklingt Anathema aus dem Autoradio. Eine sehr coole Idee! „Leaving it behind“ erinnert an alte Glanzzeiten. Straight forward gespielter Dark Melancholic Rock. Der Song überzeugt vor allem durch das relativ flotte Tempo in Kombination mit Danny Cavanagh’s Gesang. Das dritte Stück des Albums, „Endless ways“, ist auch schon mein Anspieltipp für Euch. Ein wenig Alternative Rock gepaart mit Post Rock Gitarren und ein shoegazeartiges Drumming. Das schönste ist jedoch der von Lee Douglas (übrigens eine Dame) übernommene Gesang, eine sehr erdige, kraftvolle und einnehmende Stimme. „The Optimist“ kommt eher verträumt daher, alleine schon durch seine ruhige Art und dem Wechsel zwischen den Stimmungen. „San Francisco“ ist anders als das restliche Material. Man schließe einfach mal die Augen während sich die sphärischen Ambient Flächen ausbreiten und den Teil des Gehirnes für sich einnehmen, der einen eben an San Francisco denken lässt. „Springfield“ ist eigentlich genau meine Art Sound, den ich bevorzuge. Im richtigen Grad Heavy und melodisch, wie man sich diese Art von Musik wünscht. Die schwurbelnden Gitarren lassen mich mal wieder an Post / Progressive Rock denken. „Ghosts“ ist wohl sehr treffend betitelt. Eine Northern Folk Ballade in ihrer schönsten Form. Erinnert sehr an Anathemas Hindsight Album. „Can’t let go“ erinnert entfernt an Brit Pop, was keineswegs negativ zu werten ist. Es gab im Britpop auch Vertreter des Shoegaze. Die Nummer geht auf jedenfall gut ins Ohr. „Close your eyes“ ist düster, richtig düster. Eine Mischung aus Portishead, Massive Attack und Downtempo der eher dunkleren Sorte. „Wildfires“, das Glanzstück des Albums ist ein bombastischer Track voller Symphonic Elemente und einem geisterhaften Piano nach einem urwüchsigen Forte. Das letzte Stück, “Back to the start“ ist mit seinen fast zwölf Minuten Spielzeit ein Monstrum. Ein in meinen Ohren radiotauglicher melancholischer Progressive Rock Track der auch auf Alternative 4 hätte stehen können, das die Band 1998 veröffentlichte. Entfernt fühle ich mich sogar an Smashing Pumpkins „Tonight, tonight“ erinnert. Ein würdiger Abschluß!

Fazit: Wer Anathema schon immer zu seinen Favoriten gezählt hat, obwohl einem die Band schon diverse Male auf die Probe stellte, wird an diesem Album seine wahre Freude haben. Müsste ich diese Band mit anderen Bands vergleichen würde ich wohl am ehesten Pink Floyd heranziehen. Fans von leicht progressivem und verträumten Rock werden dieses Album eh schon auf ihrem Einkaufszettel stehen haben. Ein ehrliches, erdiges, sphärisch dichtes Werk, das einem vom ersten Moment an mit auf eine Reise nimmt. Das Warten und dem Entgegenfiebern haben sich gelohnt. Große Kaufempfehlung von mir!

Anathema: The Optimist
Kscope Music, Vö. 09.06.2017
14,99 €
Amazon

Band http://www.anathema.ws/
Facebook https://www.facebook.com/anathemamusic/

Tracklist
1 32.63N 117.14W
2 Leaving it behind
3 Endless ways
4 The Optimist
5 San Francisco
6 Springfield
7 Ghosts
8 Can’t let go
9 Close your eyes
10 Wildfires
11 Back to the start

 

 

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