Das dunkle Nichts

andrea schroeder

Wer so eine Stimme hat, darf Vergleiche mit Nico, Marianne Faithfull, PJ Harvey, Patti Smith und, ja, sogar „Hildegard Knef auf Gothic“ nicht scheuen. Das tut Andrea Schroeder auch nicht, sie weiß, wie ihre Stimme und ihre Musik klingen, und sie weiß, dass beides düsterer geworden ist. Dies läge nach eigener Aussage unter anderem an ihrem Umzug vom leichtfüßigen und beschwingten München nach Berlin vor ein paar Jahren. Dieses ganz und gar nicht leichtfüßige Berlin hat sich in ihrer Musik niedergeschlagen. Schon auf ihrer zweiten Platte Where the wild Oceans end hat sie eine wundervolle deutsche Version von David Bowies „Heroes“ veröffentlicht. Nun, wieder zwei Jahre später, ist Void da, ihr drittes Album.

Die dunklen Themen und Melodien, die sie schon als Kind berührt haben, inspiriert von Kafka und Ingeborg Bachmann, sind wieder da, sogar noch vertieft. Namhafte Leute sind an der Produktion des Albums beteiligt gewesen: Ulf Ivarsson, Jesper Lehmkuhl und Victor Van Vugt, der schon mit Nick Cave, P.J. Harvey und den Einstürzenden Neubauten arbeitete. In diesem musikalischen Genre bewegt sich Andrea Schroeder musikalisch wie textlich, karg und teilweise außergewöhnlich instrumentiert, auch mit dissonanten Tönen im Hintergrund, und trotz der englischen Texte immer mit Anklängen an Nico. Mal leicht und flockig, mal düster und melancholisch, immer schön.

Beim Titelstück „Void“, mit einer Instrumentierung, die auch aus den Siebzigern sein könnte, höre ich Siouxsie Sioux mit einer Prise Chrissie Hynde. Hier wird die Stille angebetet, Gott, der Teufel, egal, hauptsächlich Stille, Ruhe. „Black Sky“ klingt nach einem Barchanson mit subtil unterlegter Musik, ein bisschen Geklimper auf dem Klavier, mit der Laszivität einer Hildegard Knef, nur ohne deren Rauch im Hals. „Burden“ beginnt wie ein Song aus der Dreigroschenoper, „Mackie Messer“ zum Beispiel. Ich bekomme schräge Assoziationen bei diesem Lied vor meinem geistigen Auge, von einer peitschenschwingenden Dame. Der Anfang von „My Skin is like Fire“ klingt für mich wie „All tomorrow’s Parties“, aber Frau Schroeders Stimme ist heller und irgendwie fröhlicher als Nicos. Die Streichinstrumente sind anfangs schwermütig, werden dann aber immer leichter, man möchte sich förmlich wiegen im Takt der Musik. „Kingdom“ klingt wie ein Mantra, wird gegen Ende fast beschwörend. Bei „Little Girl“ singt Andrea Schroeder mit zarter, weicher, gehauchter Stimme, zärtliche Worte flüstert sie einem Mädchen zu, einem Flüchtlingsmädchen, das schon viel zu viel gesehen hat in dieser Welt, müde ist, in den Schlaf gesungen werden will. „Was Poe afraid“ ist eine Vertonung eines Gedichtes von Charles Plymell, einem amerikanischen Autor der “Beatnik-Generation”. Die letzten drei Stücke sind recht ruhig, zart, melodiös, teils mit Chor im Hintergrund. Sie entlassen einen in eine nicht ganz so düstere Welt, wie man vielleicht zu Anfang gedacht hat. „Endless Sea“ mit seinem rezitativen, eindringlichen Refrain ist ein wunderschönes Ende für diese CD.

Ich habe Andrea Schroeder vor etlichen Jahren im Spectaculum Mundi in München gesehen, als Vorband einer Mittelaltergruppe, mit noch nicht einmal einer eigenen LP im Gepäck, und schon damals haben mich ihre Stimme und Attitüde gepackt. 2014 bei ihrem Konzert im Milla Club in München war schon die zweite LP da. Mittlerweile ist Andrea Schroeder ein Stern am Pop-Noir-Himmel geworden.

Andrea Schroeder – Void
Label: Glitterhouse Records, VÖ: 26.08.2016
Gesamtlänge: 47:03
CD 14,99 €, MP3 9,99 €

Tracklist:
1 Void
2 Black Sky
3 Burden
4 My Skin is like Fire
5 Kingdom
6 Little Girl
7 Creatures
8 Was Poe afraid
9 Drive me home
10 Don’t wake me
11 Endless Sea

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